Hausbesuch bei Acros

Text Christian Ettl Bild David Schultheiss
Firmenportrait

Zu Gast bei Acros

Bei so manchem Bike dreht sich alles um die Produkte dieser Firma, denn die meisten Teile, die sie herstellt, sind industriegelagert. So ist Acros vor allem bekannt für Naben, Steuersätze und Pedale. Für ein gewisses Aufsehen hat auch die hydraulisch angesteuerte Schaltung gesorgt. Dieses Jahr steht das 15. Firmenjubiläum an, ein Grund mehr, uns in Renningen umzusehen, um die Firma und die Menschen hinter den Produkten kennenzulernen.

Erster Eindruck
Wow, wir hätten mit einem deutlich kleineren Firmensitz gerechnet. Das Gebäude teilt sich Acros mit der Mutterfirma HWG. Diese wurde 1982 gegründet und beschränkte sich ursprünglich auf den Handel. Schnell wurde klar, dass der Markt nach Sonderteilen verlangte, und so zog Seniorchef Horst Weidner mit seinem Unternehmen 1997 in das neu errichtete Gebäude in Renningen ein. Inzwischen leitet sein Sohn Frank Weidner das operative Geschäft und Horst Weidner hat sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückgezogen.

 
 

In der Tiefe

Auch du bist höchstwahrscheinlich schon mit HWG Produkten in Berührung gekommen, ohne es zu wissen. Die Lagerkomponenten, die hier gefertigt werden, kommen in der Pharmaindustrie, der Lebensmittelindustrie und auch in der Luftfahrt zum Einsatz. Die Qualität und der Rücksichtsvolle Umgang mit der Umwelt sind sogar Din-zertifiziert.
1999 gründete der jetzige Geschäftsführer Frank Weidner Acros. Die Produktionsmöglichkeiten waren vorhanden, das persönliche Interesse gab die Richtung vor. „Die Trails sind unsere Lebenseinstellung“, ist auf der Homepage zu lesen, und so haben wir es erlebt. Der Pumptrack, der gerade hinter dem Haus fertiggestellt wird, ist nicht nur Alibi.

Eigentlich... aber

Eigentlich gibt es viele Details, die die Aufmerksamkeit des Lesers fordern würden. Man könnte eintauchen in die Welt der Eloxalfarben, sich auseinandersetzen mit Lagertechnik und Schmiermitteln. Das wollen wir nur am Rande; bei der Fertigungstiefe, die uns hier geboten wird, bietet es sich an, ein einzelnes Produkt in seinem Werdegang von Anfang bis Ende zu begleiten. Wir entscheiden uns für eine Nabe aus der „74er“-Serie, das vielleicht wichtigste Acros-Produkt der letzten Jahre.

Zeugungsakt

Wir wissen es, seit Mario Barth mit seinem Bühneneprogramm ganze Stadien füllte: „Wer fi..en will, muss freundlich sein“, und das gilt für diesen Fall auch: Der Geburtsstunde eines neuen Produkts geht ebenfalls eine Menge zwischenmenschlicher Interaktion voraus. Die Idee wird meist im Produktmanagement geboren, und es wird ein Lastenhaft? –heft? entwickelt. Darin enthalten sind neben den Produkteigenschaften auch Details wie Gewicht und Preis. Ideen für neue Parts kommen dabei meist aus den Erfahrungen der Mitarbeiter selbst, von Teamfahrern oder auch, weil der Markt bzw. Kunden die Teile fordern. In der Konstruktionsabteilung wird die Idee geprüft. Die Entwickler an ihren Rechnern können meist recht schnell sagen, ob das Vorhaben umsetzbar ist. Auch hier hat die Fertigung im Hause Vorteile: Es muss nicht erst ein Prototyp gebaut werden, um herauszufinden, ob man oder wer das fertigen kann. Die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Maschinenparks sind bestens bekannt, man kennt seine Stärken. Ein tragfähiges Konzept muss sich dann in zwei Schritten beweisen. Erst wird das Produkt in sogenannten FEM-Analysen virtuell getestet. Dabei unterziehen Computerprogramme, die vorher mit allen Daten des Teils und den verschiedenen Werkstoffeigenschaften gefüttert wurden, das zukünftige Produkt verschiedenen Belastungen, wie sie in der Praxis zu erwarten sind. Als Nächstes folgt ein Praxistest. Es werden Prototypen gebaut, die an Testfahrer rausgehen. Einer der Tester, die für Acros tätig sind. ist täglich 85 Kilometer unterwegs, jeden Tag, bei Wind und Wetter. So zeigt sich, ob Theorie und Praxis sich decken und man in die Serienfertigung starten kann. Was also den Kunden angeboten wird, ist die Essenz aus Anspruch, Realisierbarkeit und Haltbarkeit.

Schaffe, schaffe, Rädle baue...

Da die Mutterfirma nicht nur für Acros tätig ist, muss die Fertigung sorgfältig in den Produktionsplan eingebunden werden. Der millionenschwere Maschinenpark will schließlich ausgelastet werden, und nicht nur die Biker werden im Sommer ungeduldig, auch andere Kunden verlassen sich neben Qualität auch auf die Termintreue. Schon im Entwicklungsprozess wurde der Werkstoff bestimmt, der für die einzelnen Bauteile am besten geeignet ist. Dieser muss beschafft, geprüft und vorbreitet werden. Dann wird gedreht, gefräst und gesägt. Es kommen modernste Maschinen zum Einsatz, selbst das Umspannen geschieht hier vollautomatisch und hilft bei Teilen, die von zwei Seiten bearbeitet werden müssen, die Toleranzen gering zu halten. Sogar das Entgraten findet bei Acros maschinell statt. Auf dieses Verfahren, das so genannte „Gleitschleifen“, möchte ich kurz eingehen: In einer großen Trommel liegen die zu bearbeitenden Parts in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit einem Schleifmittel. Diese Schleifmittel sind, je nach Anforderung, Kunststoffgranulat oder zum Beispiel auch feiner Kies. Die Trommel wird in Vibration versetzt, wodurch der Inhalt sich zu bewegen beginnt. Die Reibung zwischen den Teilen und dem Schleifmittel beseitigt Grate.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Es kommt nicht auf den Millimeter an, wenn ihr einen Kicker auf euren Hometrail stellt. Wenn aber ein Rillenkugellager seidenweich und dauerhaft laufen, sich mit der richtigen Kraft einpressen lassen und fest in seiner Passung sitzen soll, dann kommt es auf Zehntel und Hundertstel an. Hier kommt während und nach der Fertigung eine Menge Messtechnik zum Einsatz. Beispiel Nabenhülse: Es müssen die Passungen für zwei Industrielager perfekt sein. An einer Stelle muss der Ring, der in den später Freilauf eingreift, so zu montieren sein, dass später keine Geräusche oder Spiel wahrnehmbar werden. Zwei Flansche, mit bis zu 36 Bohrungen für die Speichen, in denen die Speichenköpfe stabil sitzen sollen. Für die Bremsscheibe müssen sechs Auflageflächen 100 Prozent in einer Ebene und genau im Neunzig- Grad-Winkel zur Achse stehen, inklusive der Gewinde. Zuletzt muss auch die Oberfläche noch den Erwartungen genügen, damit beim Eloxieren ein gutes, gleichmäßiges Ergebnis erzielt werden kann. Ist eine dieser Anforderungen nicht erfüllt, ist das Teil ein Fall für die Tonne.

Die Farbe macht’s

Die Rohteile sind nach der Fertigung und Prüfung zwar nachweislich in Ordnung, aber so würde sie trotzdem kaum ein Biker ans Rad schrauben. Damit die einzelnen Produkte so aussehen, wie ihr es von einem Acros-Teil erwartet, müssen sie noch zum Eloxieren. Das passiert bei einem Unternehmen im Stuttgarter Raum, also „ums Eck“. Das passt zum Anspruch, den man an die Produkte hat. Sicherlich ließe sich woanders auf der Welt für weniger Geld ein vergleichbares Ergebnis erzielen. Aber die kurzen Wege, die Einhaltung deutscher Vorschriften bei einem so „chemieintensiven“ Vorgang und das Nutzen von Ressourcen in Standortnähe gehören genauso zum Konzept wie die Ideen hinter den Produkten.

Voll Laser, wie das hier abgeht

Wer mal auf der Eurobike am Stand von Acros war, hat vielleicht den Laser in Aktion gesehen. In diesem Fall ein Marketing-Gag, das Auflasern von Logos und Namen auf die Griffe. In Serie bekommen aber in genau diesem Verfahren alle Bauteile ihre Bezeichnungen und das Firmensymbol verpasst. Klar wäre ein Aufkleber günstiger, aber passt das zu so einem Produkt? Wenn man sich so viele Gedanken um Qualität macht, bei der spanenden Fertigung alle Register zieht und dann die Oberflächen elektrochemisch veredelt, soll hier nicht geschlampt werden. Klar, auch das Lasern passiert im Haus.

Mädchenkram

Farbe haben die Teile nun, der Schriftzug ist drauf, es geht an das Zusammenbauen. Und dieser Schritt birgt eine weitere Besonderheit. Du als Womb-Leser gehörst ja nicht zu den Sexisten, die Sprüche wie: “Nicht schlecht für ein Mädchen!“ benutzen, oder? Wenn doch, dann leidet jetzt der Macho in dir. Denn die Montage erledigen praktisch ausschließlich Frauen. Warum? Ganz einfach: Weil sie das besonders gut machen, wie die Erfahrung gezeigt hat. Fingerspitzengefühl, Geduld und hohe Genauigkeit sind wichtig, um auch bei größeren Stückzahlen konstante Qualität bieten zu können. Auch die Montageleitung hat eine Frau. Diese, Claudia, lobt außerdem die soziale Kompetenz ihrer Mädels, die indirekt die Flexibilität erhöht.

Guten Ritt

Wenn die Produkte fertiggestellt sind, müssen sie nur noch verpackt werden, um ihre Reise zum Händler und zu dir antreten zu können. Acros ist aber auch immer öfter in Kompletträdern verbaut, vor allem die Steuersätze werden auch im Erstausrüsterbereich nachgefragt. Die Teile werden in anderen, für die Montage in Großserie geeigneteren Verpackungen verschickt. Hier sind die Ansprüche andere, es wird nicht viel wert auf eine hübsche Kartonage gelegt, wichtiger ist die einfache Handhabung. Jedenfalls kannst du sicher sein, dass alles, was du bei Acros bestellst, von hier kommt. Aus Renningen in Baden Württemberg. German Engineering, garantiert, wir können das bezeugen. Und es gibt auch schon neue Parts, an denen gearbeitet wird... Wir verraten nichts, schau dir die Fotos an...

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