Kaiserlich Mountainbiken im schönen Tennengau

Text Hannah Röther Bild David Schultheiss
Reise

Genießen wie die Kaiser

„Wie praktisch“ denke ich, als ich morgens in der Hotellobby auf die Anderen warte und die beiden Zapfhähne bemerke, die an der Säule in der Mitte des Raumes eingelassen sind. Hier wird offensichtlich mitgedacht und den sportlichen Gästen gleich am Eingang das Auffüllen ihrer Reserven ermöglicht. Doch weit gefehlt. Das vermeintliche Wasser fließt sprudelnd und schäumend in meine Trinkblase und ein erster Schluck bestätigt meine Vermutung: Champagner. Schwer fasziniert von dem pompösen Sektbrunnen muss ich im Nachhinein feststellen, dass er eine Art Omen für unseren Tag im Lammertal, Tennengau war. Dort, wo der Champagner schon morgens aus den Wänden sprudelte, sollten sich Biken und Genießen zu ungeahnter Größe verbinden.

 
 

Zwischen Karst und Seenlandschaft

Wir befinden uns in Abtenau, keine 50min Autofahrt südlich von Salzburg entfernt. Die Hohen Tauern mit ihren Dreitausendern und Gletschern lassen sich noch nicht erahnen, hier bestimmen grüne, seichte Gipfel die Landschaft. Als wir aus dem Hotel treten, bin ich von dem Postkarten-Panorama wie verzaubert – am Sekt kann es nicht liegen, denn den habe ich vorsorglich noch gegen Wasser ausgetauscht. Die schroffen Karstfelsen des Tennengebirges bilden den perfekten Kontrast zum satten Grün des Postalm-Gebietes und machen verständlich, weshalb die Kaiserfamilie 1849 ihre Sommerresidenz ganz in die Nähe, nach Bad Ischl, verlegte. Ihr verdankt das zweitgrößte Almgebiet Europas seinen Namen, denn auf jenen Wiesen grasten damals die kaiserlichen Postkutschenpferde. Niemand anderes als Sissi und Franz gaben sich 1853 dort das Ja-Wort...doch genug des Kitsches, die vom Vortag verdreckten Bikes, die wir nun aus dem Auto laden, holen mich glücklicherweise ins Hier und Jetzt zurück. Denn anders als die Heimatfilmkulisse vermuten lassen könnte, sind wir nicht gekommen, um bloß zu entspannen. Wir wollen Höhenmeter sammeln und unsere Brettljausen mit ehrlichem Schweiß verdienen. Das Lammertal bietet mit 720 Kilometern Bikerouten und den unzähligen Almen dafür ideale Bedingungen. Wer sich etwa auf die Salzburger Almentour begibt, könnte an drei Tagen in 30 der urigen Hütten einkehren. Wir haben uns für heute eine Etappe der Dachstein-Runde vorgenommen, da sie als die Königin unter den MTB-Routen der Region gilt. 173km, 4600hm, 3x Bundeslandgrenze überqueren – so viel braucht es, um das imposante Dachsteinmassiv einmal zu umrunden.

Die sanften Almlandschaften laden zum Radeln ein.

Das Geläute von Kuhglocken empfängt uns, als sich hinter einer letzten Kurve die kleinen Hütten der Loseggalm ausmachen lassen. Der Moment ist immer wieder aufs Neue ein Genuss: nach anstrengendem Uphill, während dem man sich durch Kräftemessen mit den Anderen doch wieder zu Höchstleistungen anstacheln lässt, endlich ankommen. Die Dachsteinrunde hat bis hier gehalten, was sie verspricht: Der Blick auf den Dachstein, eingerahmt in grüne Almwiesenkulisse, muss sich Höhenmeter für Höhenmeter auf teilweise konditionell anspruchsvollen Forststraßen erkämpft werden. Dafür wartet nun eine Entschädigung der Extraklasse, denn kaum haben wir uns an den unbeeindruckt wiederkäuenden Kühen vorbei geschlängelt, liegt sie vor uns, die Loseggalm mit ursprünglichem Viehbetrieb und eigener Sennerei. Die Milch als Basis für alles, was unsere leeren Energespeicher gleich wieder auffüllen wird, ist in dieser Höhe gewachsen und gereift. Das saftige Gras, die gemächlichen Kühe, der Senner mit seinem uralten Handwerkskönnen – sie ergeben die Zutaten für die Brettljause, die uns kurze Zeit später in der Stube vor knisterndem Kamin serviert wird. Womit fängt man an, wenn einem der Magen bis zum Hals knurrt, aber jede einzelne der aufgetischten Köstlichkeiten eigentlich die Muße einer Verköstigung verdient hätte? Süßer Preißelbeerfrischkäse, herber Kräuterbergkäse, in Knoblauch eingelegter Schafskäse, sogar Mozarella, viel weicher und saftiger als der uns bekannte, sind nur einige der Kandidaten. Angesichts der sofort reinhauenden Freunde bleibt keine Zeit zu überlegen und ich mache mich wie die anderen über unser Festmahl her. Trotz Schlingen und Schmatzen wird es ein Hochgenuss und jede einzelne Käsesorte ausgiebig von uns diskutiert. Satt werden wir schließlich alle, noch ein Kräutertee zum Abschluss und wir sind gerüstet, die Talfahrt anzutreten.

Noch schnell stärken und schon geht es in die Abfahrt.

Regionale Kost

Die Sennerei der Loseggalm ist nur eine von über 300 Betrieben, die mit ihrer regionalen Verankerung die Region Tennegau vor dem grauen Einheitsbrei einer touristischen Monostruktur bewahren. Am Nachmittag steht für uns ein Besuch in einem weiteren solchen Betrieb auf dem Programm: die Brennerei Guglhof in Hallein. Zugegeben nicht unbedingt ein typisches Ziel für unsereins Mountainbiker. Etwas deplatziert fühlen wir uns am Anfang in unseren Bikeklamotten in der Halle des anmutigen Gutshofs. Hinter einer Glastüre betreten wir den Raum mit der Destillierapparatur, in dem unterschiedlichste Kessel, Bottiche und Rohre den Früchten ihre Essenz entlocken. Die Luft ist schwer und alkoholgeschwängert, die Süße der in den Kesseln brodelnden Marillenmaische setzt sich förmlich auf die Haut. Anton Vogl persönlich führt uns schließlich durch seine Brennerei und steckt uns mit einer ganz besonderen Leidenschaft an: dem Whiskey. 2010 das erste Mal aus Salzburger Tauernroggen gebraut, wurde er dieses Jahr das erste Mal abgefüllt. Die südfranzösischen Weinfässer, in denen der Single-Malt Whiskey reift, hat er nach langen Recherchen selbst ausgewählt. Wer dem geballten Hintergrundwissen und den vielen Ankedoten zur Whiskeyproduktion des Geschäftsführers lauscht, merkt schnell, dass hier eine persönliche Passion am Werke ist. Bei der abschließenden Verköstigung sind dann auch alle anfänglichen Berührungsängste zwischen Outdoorsportlern und Gutshofbesitzer passé. Das Staunen und Schwärmen über die intensiven Geschmäcker, die die kristallklaren Brände entfalten, verbindet und überwindet jede Fremdheit. Zirbenschnaps, Tauern-Rogg Whiskey und Gin-Alpin wandern zum Abschied über die Ladentheke.

Zum Ende des Tages dann doch etwas beschwipst von den vielen edlen Destillaten gerate ich ins Philosophiere über das Verhältnis zwischen den Strapazen des Bikens und dem sinnlichen Genießen. Der Tennengau liefert hierfür einfach die perfekte Vorlage. So wie der Whiskey viele Jahre in Fässern reifen muss, um seinen vollen Geschmack zu entfalten, schmeckt die Jause doch einfach am besten, wenn der Weg zu ihr auf einer langen Tour bestritten wurde. Unsere Dachsteinrundenetappe hat uns heute nochmals den Beweis geliefert. Widerspruch ist zwecklos, denn für Autos ist die Auffahrt zur Alm sowieso verboten.

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