Kalterer See – Der Monte Roen Trail

Text Holger Schaarschmidt Bild Andreas Meyer
Reise

Der Monte Roen Trail

Tramin liegt auf etwa 250 Meter Höhe in Südtirol / Italien. Vom Gipfel des Roen auf 2.116 Metern hat man das Gefühl, den Menschen in Tramin direkt auf den Teller spucken zu können. Dazwischen liegen etwa 1.850 Tiefenmeter: Trails!

 
 

Am 19. Oktober 1903 wurde die Mendelbahn in Kaltern in Betrieb genommen. Sie überwindet von St. Anton 854 Meter bis zum Mendelpass. Die Gesamtlänge der steilsten Standseilbahn auf dem europäischen Festland beträgt nur 2.374 Meter! Und die Höchststeigung 64 Prozent! Klare Argumente für einen Shuttle-Tag! Die Benutzung der Bahn ist natürlich nur kulturelle Bildung! Ganz nebenbei sparen wir uns Kräfte für eine sehr fordernde Trailtour vom Gipfel des Roen.

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Von Tramin aus kurbeln wir zunächst durch die Weinberge mit Blick auf den Kalterer See, vis à vis die Montiggler Seen und die aus dem dichten Kiefernmischwald herausragende Burgruine der Leuchtenburg. Das Netzwerk aus herrlichen Flowtrails durften wir bereits in den vergangenen Tagen kennen lernen; heute steht die Königstour auf dem Programm. Die noch tief stehende Sonne lässt die Farben der Natur unglaublich intensiv leuchten. Eine gute Strecke, um sich einzurollen und warm zu werden. Bis zur Talstation der Mendelbahn sind es etwa neun Kilometer und 350 Höhenmeter.

Am Gipfel des Monte Roen erblicken wir das gesamte Panorama der Alpensüdseite von West bis Ost.

Oben am Pass angekommen, staunen wir erst einmal nicht schlecht. Eine Menge los hier: Geschäfte, Hotels, Motorradfahrer und Wanderer. Wir suchen schnell das Weite und finden uns bereits nach drei Minuten abseits des Rummels im Wald.

Die Anzahl der Biker, die alle Anstiege bis zum Roen durchgefahren sind, lässt sich an einer Hand abzählen, sagt unser Gastgeber Armin. Okay! Herausforderung angenommen! Die ersten steilen Schnapper bis zur Romeno-Alm sind noch gut wegzudrücken. Die urige Hütte lädt zum Einkehren ein und bildet einen wunderbar angenehmen Gegensatz zum Rummel am Mendelpass. Mein persönlicher Tipp: die 1,5 Kilometer und 50 Höhenmeter zur Überetscher Hütte noch weiterrollen. Die urige Alpenvereinshütte der Sektion Bozen wird liebevoll von einem jungen Team bewirtschaftet. Es geht einfach und urig zu.

"Da knirschen die Zähne der Kettenblätter und Ritzel, die Beinmuskulatur ist bis zum Bersten gespannt und ich befürchte, gleich den Lenker auszureißen."

Wir wählen letztlich den steilen, jedoch fahrbaren Weg über die Malga di Romeno. Da knirschen die Zähne der Kettenblätter und Ritzel, die Beinmuskulatur ist bis zum Bersten gespannt und ich fürchte, gleich den Lenker auszureißen. Doch wenn unser Gastgeber Armin und sein Sohn Andi da hochkommen, dann schaffe ich das auch – und wenn ich in den Lenker beiße. Oben angekommen, wirken die Obstplantagen im Tal wie ein riesiger Flickenteppich. Nach Osten sollte man sich nicht zu weit hinauslehnen. Wie mit einem Fallbeil abgeschnitten, stürzt die Felswand fast senkrecht hinab bis nach Tramin. Der Blick in die Dolomiten ist fantastisch. Wir erkennen die alte Strecke der Fleimstalbahn, die als tolle Bikeroute zum Trudener Horn führt. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt und auch jeder Schweißtropfen bis zum Gipfel.

Nun beginnt der Abfahrtsspaß! Leicht wellig führt der Trail zunächst zum Gipfelkreuz und dann schön verspielt mit kurzen Wurzelpassagen, Schotterkehren und kurzen Gegenanstiegen zum Schwarzen Kopf (2.031 Meter). Die von den Locals als „Mutpassage“ bezeichnete Abfahrt zum Gipfelkreuz am Schwarzen Kopf hat es in sich. Nur wenige Biker werden sich die steilen, felsigen 50 Tiefenmeter zutrauen. Gestandene Enduro-Biker werden ihre Freude haben! Der Weg wird wieder flowiger, bevor es ab dem Wetterkreuz (1.844 Meter) mit weiteren kurzen Gegenanstiegen auf einem Forstweg zum Grauner Joch (1.800 Meter) geht. Nun beginnt der weniger panorama-, dafür umso Enduro-lastigere Teil des Trails! Hier wird nicht geballert, sondern man sollte mit Verstand und Selbstbeherrschung fahren. Der schmale, teils steile Steig hat einiges zu bieten: Wurzeln, Geröll und Stufen. Ein paar Spitzkehren geben dem Ganzen noch die Würze. Der Trail hat Charakter!

Im weiteren Verlauf queren wir regelmäßig die Schotterstraße, die ebenfalls nach Graun und schließlich weiter nach Tramin führt. Der Trail bietet unglaublich viel Abwechslung: Von flowig bis extrem anspruchsvoll ist alles dabei. Und wen es beruhigt: Es gibt keine stark ausgesetzten Passagen. Fast angekommen, halten wir am Lenzenhof in Graun. Hier gibt es ein wundervolles Dolomitenpanorama und den wahrscheinlich besten Südtiroler Kaiserschmarrn.

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Informationen

Wissen

Mehr geerntete Trauben und Äpfel als Bewohner auf der Erde – so ließe sich die Region auch beschreiben. Tramin ist bekannt für seinen Wein, vor allem den Gewürztraminer, eine Traubensorte, die nicht nur in Tramin angebaut wird. Dennoch gibt es in Tramin einen der schmackhaftesten Gewürztraminer. Er ist eher kräftig und dunkel für einen Weißwein und von herber Süße.

Geheimtipp/Veranstaltung

Im Herbst kann man mit den Profis Thomas Litscher und Doppel-Weltmeister Daniel Federspiel biken gehen (www.traminerhof.it). Von Tramin geht es entspannt an den Montiggler Seen vorbei nach Eppan, rauf auf den Eppaner Höhenweg, im schön welligen Auf und Ab mit Trails, kurzen Anstiegen und immer wieder herrlichen Panoramablicken auf Etschtal und Dolomiten über Kalterer und Traminer Höhenweg bis Graun und schließlich auf Trails zurück nach Tramin.

Beste Reisezeit

März–November

Einkehr

Malga di Remeno
Überetscher Hütte

www.tramin.com

Hotel Traminer Hof ****, Tramin, www.traminerhof.it

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