Die Freiburger Borderline – Zwischen Bäckerei und Biosk

Text Norman Bielig Bild David Schultheiss
Reise

Mountainbike-Szene
Freiburg

Wenn man in Deutschland von einem Mountainbike-Mekka spricht, werden die meisten einen großen gedanklichen Bogen um Baden-Württemberg machen. Doch irgendwie ist Freiburg ja auch eine ganz eigene Enklave und eine der wichtigsten Städte im deutschen Mountainbike-Sport. Peter Denk entwickelte hier für Scott und Cannondale – und nun mittlerweile für Specialized – Bikes und Hinterbausysteme. Ganz in der Nähe entstehen die Leichtbauparts von Tune und der Grundstein für mehr als eine erfolgreiche Rennfahrerkarriere wurde hier gelegt.

 
 

Mountainbike-Szene in Freiburg

Doch auch abseits des Rennsports bietet Freiburg eine belebte Szene vielfältiger Fahrer. Ihr Zentrum ist der Mountainbike Freiburg e.V., ein Verein, der vor mehreren Jahren gegründet wurde, um die beliebte Borderline, einen Mountainbike Trail vom Rosskopf bis hinab zum Fußballstadion, zu legalisieren. Die Vereinsmeisterschaften im Herbst sind ein Spektakel, das mit seiner farbenprächtigen Kostümierung deutschlandweit wahrgenommen wird. Das Engagement des Vereins macht sich auch bei den Mitgliederzahlen bemerkbar, so sind nicht wenige Freiburger Racer hier organisiert. Eine zweite legale Strecke ist aktuell in Planung und Peter Denk hat sich dank der lokalen Vernetzung entschlossen, kanadische Trailbauer für die Anlage des Trails nach Freiburg zu holen. Und natürlich bietet Freiburg auch abseits davon ein fantastisches Wegenetz, kaum zehn Minuten per pedales aus der Stadt hinaus begegnet man auch schon kaum mehr einem Menschen, geschweige denn einem, der unentspannt wäre.

In Sönkes Rocky-Trainingshinterhof

Doch eigentlich soll es um die Freiburger Borderline gehen, einer Tour zwischen Gebäck und Kaffee. Es ist kurz vor acht, ich nächtige wie gewöhnlich bei unserem Teamfahrer Sönke Wegner, der mich eher unsanft aus den Federn holt. „Komm, jetzt erst mal eine Runde pumpen!“ – „Was zur Hölle?“ Unausgeschlafen und desorientiert stolpere ich Sönke in seinen Original Rocky-Trainingshinterhof hinterher, der auch als Kaninchenwohnung und Aufbewahrungsort diverser Wintersportgeräte genutzt wird. Schlingentrainer, Langhantelbank und Ergometer, hier findet sich eigentlich alles, wonach mein Herz sich gerade nicht unbedingt sehnt. Aber gut, jetzt sind wir schon mal hier. Nach 20 Minuten sind wir warm und fast schon ideal vorbereitet auf die anschließende Tour – nur noch schnell bei Bernd auf Kaffee und Gebäck vorbeischauen. Bernd, das ist Bernd Lienhardt, begeisterter Mountainbiker und Bäcker, der im Erdgeschoß seine Bäckerei hat. Nach kurzem Carboloading und dem Lauschen der Rennpläne für die nächsten Wochen geht’s nun endlich auf die Bikes und direkt hinter dem Haus in den Anstieg am Schlossberg.

Die Freiburger Borderline

Gemütliche 600 Höhenmeter haben wir vor uns, um zum Rosskopf zu gelangen. Mit seinem markanten Turm, der einem bei gutem Wetter das Freiburger Panorama eröffnet, ist er weithin gut sichtbar. Auf dem Weg holt uns Julian Schelb ein. Der Kirchzartener wechselte letztes Jahr ins Profilager zum Multivan Merida Team und überzeugte schon 2013 mit dem Vize-Weltmeistertitel im Cross Country (U23). Sönke und Julian kennen sich schon eine ganze Weile, sodass sich ihre Trainingswege oftmals kreuzen. Nachdem er letztes Jahr in der ersten Saisonhälfte mit einem Magen-Darm-Infekt zu kämpfen hatte, möchte er bei hoffentlich konstant guter Gesundheit ebenso konstant im WorldCup fahren. Doch zurück nach Freiburg, in eher gemütliche Gefilde, auch hier geht es konstant hinauf. Zeit für die beiden, über die Freiburger Mountainbike-Szene zu philosophieren. Zwar hat es hier überdurchschnittlich viele Rennfahrer, doch möchte der größte Teil, wie überall anders auch, einfach nur schöne Touren fahren. Doch aktiv vernetzt sind die meisten miteinander, ob nun durch Veranstaltungen wie die Vereinsmeisterschaften, Bautage an der Borderline oder eben auch das Ende April zum zweiten Mal stattfindende Bikefestival Freiburg: Grassroot Festival at it´s best.

Am Turm angekommen heißt es umziehen, kurz plauschen, denn natürlich sind wir nicht die Einzigen hier. Den Abstecher auf den Turm lassen wir heute aus, lieber direkt in die Abfahrt. Der Trail startet mit einigen höheren Stufen, ist sehr kurvenreich und kreuzt nach diesem ersten Teil einen Forstweg. Dieser obere Teil ist sicherlich der forderndste der Borderline, ab hier wird es gemütlicher. Zumindest bezogen auf die Schwierigkeit, denn Julian und Sönke halten die Geschwindigkeit konstant hoch. Immer wieder finden sich nun auch kleinere Sprünge und Spielerein auf dem Weg, die natürlich umfahren werden können. Nach den letzten Kurven unten angekommen werden wir direkt an der Dreisam ausgespuckt. Die Borderline begeistert mich bei jedem Freiburg-Besuch wieder, ein angelegter Trail, der sehr natürlich wirkt und vor allem viel Abwechslung bietet. Nie zu schwer, immer spaßig.

Small Talk am Biosk

Vom Sportbezirk aus geht es für uns nun direkt in Richtung Universitätsbibliothek. Hier befindet sich der unangefochtene Haupttreff der Freiburger Bikeszene, der Biosk. Ein Kiosk mit hervorragenden Biosnacks und vor allem gutem Kaffee. Hier treffen wir noch auf Hannah und Basti, mit denen ich letztes Jahr mehrere Wochen das Salzburger Land erkundete. Die beiden tanken gerade Kraft für die nächste Bikerunde. Und auch, wenn die Begegnungen in diesem Artikel auf jemanden konstruiert wirken sollten – jeder, der schon einmal in Freiburg unterwegs war, wird solche Treffen bestätigen können. Wer fließende Touren fahren mag, sollte vielleicht Stoßzeiten meiden, denn dann trifft man immer wieder jemanden zum Small Talk. Wer am Biosk noch nicht ausgelastet ist, macht es einfach wie wir und schließt sich einer Gruppe Locals an, die einem sicherlich gerne weitere Trails um Freiburg zeigen. So begeben wir uns in die zweite Auffahrt des Tages in Richtung Kybfelsen, genau dem Berg, wo im Frühjahr die zweite legale MTB-Strecke in Freiburg gebaut wird. Natürlich mit lokaler Unterstützung.

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