Mit dem Bike ins Saalachtaal geschmuggelt

Text Hannah Röther Bild David Schultheiss
Reise

Saalachtal:
Ein Tag Sommerferien

Wer es darauf anlegt, könnte seinen Bikeurlaub im Salzburger Land auf ungewöhnliche Art und Weise beginnen: nicht über Autobahn oder Passstraßen anreisen, sondern die Grenze von Deutschland nach Österreich auf einem engen Schmugglerpfad, der sich durch eine steile Schlucht hindurchzwängt, überqueren. Der Staubfall, ein 200 Meter hoher, tosender Wasserfall, markiert den Grenzübergang auf dem Weg vom deutschen Ruhpolding ins österreichische Heutal. Spektakulärer ließe sich eine Reise wohl kaum einläuten. Das Wasser tost mit einem ohrenbetäubenden Lärm in den Abgrund, sodass jede Unterhaltung unmöglich wird. Der Weg an der Felsflanke ist nur wenige Zentimeter breit und glücklicherweise mit Geländern abgesichert – die nassen Stufen wären sonst eine Einladung für Lebensmüde. Der Pfad verschwindet hinter den herabstürzenden Wassermassen wie hinter einem Vorhang und taucht auf der anderen Seite – im Nachbarland – wieder auf. Nun das Bike nur noch über die letzten engen Holzbrücken schultern, und schon könnte man auf einem technischen Singletrail ins Saalachtal hinabfahren, das Salzburger Land als verheißungsvolles Versprechen am Horizont.

 
 

Gipfel zum Sonnenaufgang, anschließend Abfahrt zum Frühstück.

Das Auental als Basislager

Für uns ist der Gang hinter dem Wasserfall her allerdings nur ein Zwischenziel auf einer Tour durch unsere erste Region, das Salzburger Saalachtal. Wir haben die gemächlichere Variante bevorzugt und sind mit dem Auto in das weitläufige, von den Chiemgauer Alpen eingerahmte Auental nahe der deutschen Grenze angereist. Der Vorteil liegt auf der Hand: von unserem Basislager aus, dem Hotel Friedlwirt in Unken, lassen sich so die Berge, die zu gemütlichen Touren einladen, mit Highlights verbinden wie einem Abstecher zum Staubfall. Von Familientouren bis zu Bike and Hike – alles ist möglich im Saalachtal. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir beim Planen unseres Tagesprogramms auf die fachkundige Beratung eines Locals, dem Geschäftsführer des Hotels, zurückgreifen können. Bernhard Flatscher, der uns am Abend unserer Ankunft noch in voller Kochmontur die Käs’nocken in seiner urigen Gaststube serviert, entpuppt sich am nächsten Tag als begeisterter Biker, der die Berge um Unken kennt wie kein Zweiter.

Pures Abwärtsglück

Für uns Gäste wie für den Wirt klingelt der Wecker um 5 Uhr 30. Während sich Bernhard um die Vorbereitungen für das Frühstücksbüffet kümmern muss, brechen wir auf, um den Tagesanbruch mit einem Sonnenaufgang in den Bergen zu feiern. Auf dem fast 1.500 Meter hohen Gipfel der Wetterspitze brechen die ersten Sonnenstrahlen hinter einem Wolkenstreifen hervor und geben die Sicht frei auf Saalach, Dörfer und Kirchturmspitzen. Die Magie des Moments lässt uns alle Müdigkeit vergessen – und der darauffolgende Trail jedes Hungergefühl. Die schroffe Beschaffenheit des Karstuntergrunds beschert uns noch vor dem Frühstück pures Abfahrtsglück, das uns all unsere technischen Fertigkeiten abverlangt. Der Tag kann losgehen.

Führung im Kräutergarten

Beim Friedlwirt erwartet uns ein reichhaltiges Frühstück mit anschließendem Kaffee in der Sonne. Man hört nur das Rauschen des Unkenbachs, sonst stört nichts die Ruhe, die uns hier unter den Geranien umgibt. Ich könnte noch ewig in dieser Sommeridylle weiterdösen, aber Bernhard hat noch viel vor. Er hat die Kochuniform gegen Trikot und Shorts getauscht, um uns auf unserer nächsten Etappe zu guiden, und ist so kaum wiederzuerkennen. Bevor wir uns auf den Rundkurs durch das Heutal begeben, machen wir noch bei einer Freundin des Hauses halt: Barbara Haider betreibt ganz in der Nähe einen Bauernhof mit Kräutergarten und lädt uns zu einer Führung ein. Arnika, Zitronenmelisse, Beifuß, Gundermann – manche der Pflanzen, die hier über und über wuchern, hat keiner von uns vorher gekannt. Das Wissen der ausgebildeten Krankenschwester kennt kein Ende, noch lange schlendern wir durch den weitläufigen Garten, probieren süße Stevia und scharfe Pfefferminze. Barbara verspricht keine Wunder oder Allheilmittel, vielmehr rät sie zum gelassenen Ausprobieren der verschiedenen Heilwirkungen, zu einer aufmerksameren Wahrnehmung dessen, was uns gut tut. Jeden Sonntag kann man sich bei Barbara in einer offenen Führung in diese Kunst der Kräuterheilkunde einführen lassen, und insgeheim wünsche ich so manchem gestressten Großstädter auf der Jagd nach Gesundheit einen Abstecher auf ihren Hof. Als Abschiedsgeschenk gibt es noch ein Paar Flaschen ‚Black Betty’, ein Bier, das aus den Kräutern ihres Gartens gebraut wird. Wermut, Gundelrebe, Giersch und Mädesüß sollen angeblich aphrodisierende Wirkung haben – auf uns wirken sie an diesem immer heißer werdenden Tag immerhin ungemein erfrischend.

Sommerferien-Gefühl macht sich breit

Am Nachmittag erwartet uns eine willkommene Abwechslung zu den Mutproben bei Sonnenaufgang. Ganze 700 Höhenmeter müssen wir zwar auf dem Rundkurs über die Wildalm bewältigen, aber diese ziehen sich über gemächliche Forststraßen durch den Wald. Lediglich der Abstecher zum Staubfall fällt wieder anspruchsvoller aus, streckenweise müssen wir die Bikes schultern. Dafür belohnt uns ein Sprung in die eiskalte Klamm für alle Mühen. Eigentlich ist das Baden verboten, aber bei der Hitze drückt selbst Bernhard beide Augen zu, als wir uns in eine der natürlichen Badewannen stürzen und, vor Kälte nach Luft schnappend, so schnell es geht zum Ufer zurückrudern. Das war’s wert! Die letzten steilen Kilometer bergauf zur Wildalm werden so zur Nebensache. Oben angekommen gibt es eine Runde Skiwasser, zu der Bernhard Geschichten über seinen Alltag als Bikeguide und Hotelier erzählt. Seine Ruhe und Zufriedenheit sind geradezu ansteckend, aber auch verständlich angesichts dieser Wohlfühl-Umgebung, in der er, zusammen mit seiner Familie, den Friedlwirt betreibt. Ob sich so ein Leben überhaupt nach Arbeit anfühlt? Für uns jedenfalls macht sich nach Sonnenaufgang-Trails, Kräuterbier und Gebirgsbach-Baden ein echtes Sommerferien-Gefühl breit.

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