Wald, in Deutschland ist das Kulturgut. Zwischen der Bevölkerung und den hiesigen Wäldern besteht eine innige Beziehung. Genutzt wird der Naturraum Wald von den verschiedensten Gruppen. Sport und bewegungsaktive Erholung im Wald haben für die Menschen in Deutschland einen hohen Stellenwert, sie stellen eine besonders intensive Form der Naturerfahrung dar und können so für den Schutz des Waldes und dessen nachhaltige Pflege und Bewirtschaftung sensibilisieren. Dabei arbeiten die verschiedenen Gruppen jedoch nicht immer auf ihre Koexistenz hin.
Into the Woods
Mountainbiker sind häufig das Zentrum intensiv geführter Debatten rund um Nutzungsrechte, Wild- und Naturschutz. Freilich auch, weil wir eine der jüngsten Nutzergruppen und dann auch noch laut und bunt sind, und scheinbar viel zu schnell unterwegs. Der technische Fortschritt in Form des E-MTB scheint den Konflikt, wo er denn besteht, noch zu verschärfen. Schließlich wird mit ihm die Nutzung intensiver und das Tempo höher. Mithilfe des Motors lassen sich vormals unfahrbare Wege erschließen und Querfeldein-Aktionen werden möglich. Wir wollten diesem Thema genauer auf den Zahn fühlen, die heimischen Wälder unter die Lupe nehmen und vor allem mit Jagd, Forst und Naturschutz ins Gespräch kommen.
Heimische Wälder
Deutschland ist zu 32 Prozent von Wald bedeckt. Der Wald ist nicht nur als Erholungsraum von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, er erfüllt auch zahlreiche ökonomische Funktionen und prägt unsere Wirtschaft. So ist er beispielsweise seit Jahrhunderten Lieferant des klimafreundlichen und nachwachsenden Rohstoffes Holz.
In den deutschen Wäldern wachsen ungefähr 90 Milliarden Bäume, das ergibt einen Festmeterwert von 3,7 Milliarden. Ziemlich viel Holz also. Wir haben in hiesigen Wäldern 51 Baumarten bzw. Baumgruppen. Flächenmäßig hat die Fichte den größten Anteil daran, gefolgt von Kiefer, Buche und Eiche. Der deutsche Wald wäre prinzipiell von der Rotbuche beherrscht. Mit der intensiven Nutzung vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein veränderte sich die Struktur des Baumbewuchses jedoch durch den Kahlschlag und Wiederaufforstung. Nadelbäume, vor allem Fichten wurden ersatzweise für gefällte Laubbaume eingesetzt. Solche Monokulturen stellen heutige Waldbesitzer vor Herausforderungen wie den Borkenkäfer, großflächigen Windwurf oder Bodenversauerung. Daher wird Zug um Zug wieder in Mischwälder investiert. Insgesamt wächst der deutsche Wald Jahr um Jahr trotz intensiver Holzwirtschaft um rund 60 Millionen Festmeter. Derzeit besteht er aus 56% Prozent Nadelwald und 44% Laubwald.
"Einmal hochschrecken und flüchten; in der Notzeit kann das ein Todesurteil für dieses Tier sein."
Der Wald ist jedoch mehr als die Summe seiner Bäume bzw. seines Holzes. So ist er von großer ökologischer Bedeutung, indem er Wasser speichert und Sauerstoff produziert. Außerdem ist er ein extrem facettenreicher und vielseitiger Naturraum; zahllose Tiere und Pflanzen leben hier. Angefangen bei Insekten, die das Totholz als Lebensraum nutzen, bis hin zu größeren Säugetieren wie dem Schwarzwild, das ein typischer Waldbewohner ist. Der Wildbestand in Deutschland ist regional verschieden ausgeprägt, aber grundsätzlich erholt er sich von einer Jahrhunderte währenden Bejagung, die für viele Arten wie den Elch, Luchs, Wolf oder Biber die Ausrottung bedeutete. Die deutschen Infrastrukturbedingungen machen es größeren Wildtieren schwer, sich flächenmäßig (neu) anzusiedeln; viele Straßen und Autobahnen zerschneiden regelrecht ihre Lebensräume. Vor diesem Hintergrund stellt sich eine erste Frage: Wie gefährlich und störend können Mountainbiker im Wald tatsächlich sein?
Wir konstatieren: Im Wald ist viel los! Wanderer, Forstarbeiter, Jäger, Mountainbiker, GeoCacher, Reiter und eine ganze Reihe von Wildtieren teilen sich hier einen Nutzungs- bzw. Lebensraum. Genau damit treffen wir den Kernpunkt: Wald, das bedeutet für jeden etwas Anderes – Wirtschaftsgut, Erholungsgebiet, Spaßbringer oder schlicht Lebensgrundlage; ein Spannungsfeld, was in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen ist.
Die Kehrseite
Die meisten Mountainbiker wurden in ihrem Leben wohl schon einmal zur Zielscheibe von Angriffen. Viele von uns haben wahrscheinlich schon mal absichtlich quergelegte Baume umfahren müssen; manche womöglich auch einen Plattfuß am tückisch platzierten Nagelbrett erlitten und ein paar haben bestimmt auch schon Begegnungen mit gespannten Seilen gehabt. Lebensbedrohliche Aktionen, was denjenigen, die sie ausführen, in diesem Moment vielleicht selbst gar nicht bewusst ist. Es müssen tiefe Gräben bestehen, dass solche drastischen Schritte überhaupt als notwendig erachtet werden.
Wir haben daher das Gespräch mit verschiedenen Akteuren gesucht, Erfahrungen ausgetauscht, Antworten erhalten und gegeben. Dabei sind wir für abweichende Meinungen sensibilisiert worden. Es zeigt sich: Miteinander zu sprechen ist in vielerlei Hinsicht der beste Weg, um voneinander zu lernen.
Meinungen
Gem. §14 Bundeswaldgesetzt ist „das Radfahren im Wald auf Straßen und Wegen erlaubt. Die Länder regeln die Einzelheiten“. Die Länder sind also maßgeblich verantwortlich und entscheiden über Singeltrail Ja/Nein. Das heißt, wir befinden uns auf einem Flickenteppich aus Regeln und Ausnahmen davon. Im Handbuch Sport und Umwelt schreiben dessen Autoren:
„Das Mountainbiken gehört zu den umweltfreundlichsten Sportarten. Der in der öffentlichen Diskussion vielfach erweckte Eindruck, die Mountainbikefahrer seien „Naturzerstörer“, entbehrt jeglicher sachlicheren Grundlage.“
Das bayrische Umweltministerium präzisiert folgendermaßen: „Radfahren auf freien Wegen ist in Bayern grundsätzlich erlaubt“ – so hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) geurteilt (Az. 11 B 14.2809). „Hierzu gehört grundsätzlich auch das Radfahren auf geeigneten Wegen im Wald, wenn es der Erholung und beispielsweise nicht kommerziellen Zwecken dient“. In Baden-Württemberg gibt es die viel diskutierte Zweimeter-Regel, genauso aber hunderte gemeindespezifische Ausnahmen von ihr.
Die deutsche Waldwirtschaft argumentiert gegen diese und ähnliche Meinungen folgendermaßen: „Mit dem technischen Fortschritt gibt es bald keinen Weg mehr, den ich nicht mit meinem Fahrrad befahren werden kann. Wir plädieren daher für eine Kennzeichnung der für Radfahrer geeigneten Wege im Wald“.
Klar wird vor allem: Es herrscht Unklarheit und Uneinigkeit. Wir suchten das Gespräch mit dem Bund Naturschutz und dem Bayerischen Jagdverband als zwei der wichtigsten Vertreter im Wald. Die Ergebnisse aus diesen Gesprächen haben uns sensibilisiert und überrascht. Denn nicht nur wir suchen das Gespräch, alle Akteure tun dies. Nur, sie finden sich oft schwer, so unser Eindruck. Böse ist keiner auf den anderen, „verständnislos“ trifft es eher.
Interview mit Georg Kestel BUND Naturschutz, Kreisvorsitzender Deggendorf
Bild privat
" Man hat mit angelegten Trails die Chance, Nutzergruppen aus gewissen Bereichen heraus zu halten, das ist ein wichtiger Aspekt."
Sebastian: Herr Kestel wie sehen sie uns, die Mountainbiker? Persönlich und aus Sicht des BUND Naturschutz?
Herr Kestel : Ich fahre selbst nicht Mountainbike, habe aber Freunde, die BUND-Mitglied sind und biken. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Mountainbiker sehr naturverbundene Menschen sind, die gerne draußen unterwegs sind. Es freut mich, dass Menschen die Natur genießen, schätzen und sich in ihr bewegen. Das MTB bringt auch Kindern die Natur näher, das finde ich sehr begrüßenswert. Bei uns im Landkreis sind mir keine Konflikte bekannt. Natürlich gibt es Diskussionen und Meinungen, aber in den allermeisten Fällen verhalten sich die Besucher in der Natur, wie sie sollten. Es gibt z.B. das Isartal in München, ein Spezialfall. Hier treffen Naturraum, urbaner Raum und sehr viele Menschen aufeinander. Die Nutzung ist intensiv und Schutzgebiete leiden darunter. Doch auch hier gab es einen Dialog zwischen den Akteuren und das ist letztlich der sinnvollste Weg.
Sebastian: Was bedeutet eigentlich „Naturschutzgebiet“?
Herr Kestel : Das ist verschieden, es kommt immer darauf an, was geschützt wird. Es können verschiedene Arten, Lebensraumtypen oder auch Naturprozesse sein, die geschützt werden. Zum Beispiel ein Fluss, der sich ausbreiten darf, wie er möchte und eben die Arten, die sich dort etablieren.
Sebastian: Es handelt sich also um verschiedene, ich nenne es Schonbereiche, die wir als Biker auch achten sollten?
Herr Kestel : Wir reden hier von ein, zwei Prozent der Landesfläche, also sehr wenig. Die eigentlichen Rückzugsgebiete verschiedener Arten sind dann nochmal kleiner. In den meisten Fällen lässt sich das so organisieren, dass jeder zufrieden sein darf. Solange jeder Besucher auf dem Weg bleibt, macht er auch nichts falsch.
Sebastian: Hauptsache nicht querfeldein, sozusagen?
Herr Kestel : Ja, so kann man das sagen. Es gibt so einzelne Freigeister, die glauben, sie bewegen sich als Einzelpersonen ganz vorsichtig abseits der Wege; die richten mehr Schaden an als eine Gruppe Biker oder Wanderer, die auf dem ganz normalen Weg unterwegs sind.
Sebastian: Wie sehen sie das Thema Trails bzw. Trailbau?
Herr Kestel : Das sollte immer im Einzelfall betrachtet werden. Verschiedene Beteiligte wie Forst- und Waldeigentümer müssen zu Wort kommen. Natürlich lässt sich durch Trailbau Besucherlenkung betreiben. Man hat mit angelegten Trails die Chance, Nutzergruppen aus gewissen Bereichen heraus zu halten, das ist ein wichtiger Aspekt.
Sebastian: Hardliner haben hier andere Meinungen. Mountainbiker, so scheint es, sind einigen Naturschützern grundsätzlich ein Dorn im Auge.
Herr Kestel : Es sind viele Menschen unterwegs und es gibt kein unschädliches Leben. Jeder, der Nahrung konsumiert, verbraucht Natur und Naturressourcen. Ich sehe kein gesteigertes Problem, wenn auf Wegen Biker unterwegs sind. Oft fühlen sich Besucher im Wald einfach gegenseitig gestört. Es ist natürlich möglich, dass Wanderer beispielsweise den Naturschutz vorschützen und auf dieser Basis ungerechtfertigt argumentieren, um eine unliebsame Gruppe zu denunzieren. Der technische Fortschritt, wie z.B. durch das E-MTB, steigert letztlich auch die Verantwortung gegenüber der Natur. Dort, wo der Fortschritt die Nutzung intensiviert, braucht es auch Bewusstsein dafür, dass Ruheräume respektiert werden. Da ist eigentlich nur eine Portion gesunder Menschenverstand notwendig.
Interview mit Thomas Schreder, Diplombiologe und Pressesprecher des Bayerischen Jagdverbandes e.V.
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"Grundsatz ist: Gehe nicht in den tiefsten Wald oder ganz einfach nicht abseits der Wege. "
Sebastian: Herr Schreder, Mountainbiker und Jäger – da besteht nicht immer friedliche Koexistenz. Wie stehen Sie persönlich zum Mountainbike?
Herr Kestel : Ich bin selbst Mountainbiker und gehe gerne in die Berge. Für mich ist der Mountainbiker kein Böser und der Sport nichts, was man verteufeln muss. Es ist eine schöne und herausfordernde Freizeitbeschäftigung. Bei allen meinen Ausflügen lebe ich nach einem Grundsatz: Respektiere deine Grenzen. Hinsichtlich meiner körperlichen Fähigkeiten, aber natürlich auch hinsichtlich dessen, wo ich mich letztlich aufhalte. Ich fahre dann eben nicht in die ruhigsten Ecken und vor allem nicht abseits der Wege. Einfach, weil ich durch meine Ausbildung und meine Tätigkeit die Natur mit etwas anderen Augen sehe. Ich erkenne Wild-Lebensräume, z.B. einen Einstand – der Platz, an dem sich etwaige Tierarten aufhalten – und meide diese gezielt.
Sebastian: Sind solche Plätze für den Laien zu erkennen?
Herr Kestel : Kaum, das wird schwierig, es ist aber auch von niemandem zu erwarten. Grundsatz ist: Gehe nicht in den tiefsten Wald oder ganz einfach nicht abseits der Wege. Aber das ist vermutlich auch der Punkt, an dem es häufiger zu Konflikten kommt. Viele Biker werden diesen Blickwinkel, den Blickwinkel eines Jägers, nicht teilen. Das ist aber vollkommen verständlich und ich erwarte das auch in keiner Hinsicht. Der Raum Wald hat verschiedenste Nutzergruppen mit verschiedensten Interessen. Es gilt, sich gegenseitig verständig zu machen. Ich unterstelle keinem Biker, dass er etwas beabsichtigt tut, das mich als Jäger womöglich ärgert; dass er absichtlich Wildtiere verschreckt, zum Beispiel. Die Perspektiven sind verschieden und daher braucht es Dialog.
Sebastian: Wie reagieren sie in diesen Momenten, in denen Sie erkennen: Das ist ein Weg, den ich nicht fahren sollte, oder: Hier befinde ich mich vermutlich in der Gesellschaft von Tieren?
Herr Kestel : Ich nehme mich zurück, meinen sportlichen Ehrgeiz. Ich sage: Nein, da fahre ich jetzt nicht durch. Auch wenn der Trail noch so schön sein sollte, ist es mir wichtiger, ein Tier in Ruhe zu lassen als meinen eigenen Spaß zu haben. Im Sommer kann das völlig unproblematisch sein, dann soll das Tier, das in voller Fitness steht, eben flüchten. Was passiert schon, werden sich viele fragen? Im Sommer ist das tatsächlich nicht ganz so problematisch. In Notzeiten, im Herbst und Winter, sieht die Lage völlig anders aus; ebenfalls, wenn Straßen in der Nähe sind.
Sebastian: Was bedeutet „Notzeiten“ und inwieweit beziehen sie sich hier auf Straßen?
Herr Kestel : In der Nähe einer Straße, das heißt: 800 bis 1.000 Meter. Das sind Fluchtdistanzen, die solche Tiere beim Hochschrecken und Flüchten zurücklegen. Treffen sie hier auf eine Straße, ist der Wildunfall vorprogrammiert. Weit wichtiger sind die Notzeiten. Also vor allem der Winter, aber auch die Übergangsphasen. Im Winter haben die Tiere ihren Stoffwechsel ganz unten, sie müssen mit minimalen Nahrungsbedingungen zurechtkommen. Wenn ich solche Tiere hochschrecke, fährt der Stoffwechsel hoch; sie müssen fressen, finden womöglich nichts und verhungern im schlimmsten Fall aufgrund des rücksichtslosen Verhaltens.
Sebastian: Wie verhalten Sie sich bei direkten Wildbegegnungen?
Herr Kestel : Am besten bremsen um umkehren. Wenn das nicht möglich ist, stehenbleiben. Das Wild schaut dann normal, prüft die Gefahr und bewegt sich von uns weg. Das Wild kann einschätzen, ob es verfolgt wird oder nicht. Wenn ich stehe, geht das geordnet und nicht fluchtartig vonstatten. Die genannten Gefahren bleiben aus. Übrigens: Wild gewöhnt sich daran, dass auf dem Weg höhere Frequenz herrscht, das macht ihm nichts aus und es weicht aus. Daher treffen Sie auf den gängigen Wegen auch so selten Wild.
Sebastian: Wir wissen beide: Es gibt Personen, die setzen weniger auf Dialog als auf handfeste, kriminelle Aktionen. Ich spreche von Nagelbrettern, gespannten Seile und so weiter. Haben Sie im Jagdverband Erfahrungen damit?
Herr Kestel : Es kommt schon vor, dass sich Mitglieder im Jagdverband aufregen und an uns wenden, vor allem mit der Bitte, einzuschreiten. Wenn z.B. Biker regelmäßig durch den Einstand fahren oder durch Rückzugsräume. Wenn aber so was wie Seile oder Nagelbretter ausgelegt würden, dann würde ich aktiv werden müssen und es direkt zu Anzeige bringen. Der Menschenschutz hat immer noch höchsten Vorrang. Bei allem, was wir tun, auch wenn wir uns für das Wild einsetzen, rechtfertigt das unter absolut keinen Umständen solche Maßnahmen. Solche Dinge sind für uns als Jagdverband indiskutabel, hier sind wir konsequent und es gibt null Toleranz.
Fazit
Eines wird deutlich: Beteiligte Gruppen sind sich einander bewusst und alle suchen nach dem Gespräch. Oftmals ist es unklar, wer Ansprechpartner ist. Letztlich bleibt dies auch zweitrangig. Es geht darum, sein Bewusstsein für den Raum Wald und seine Nutzergruppen wie Bewohner zu schärfen. Im Gespräch funktioniert dies hervorragend.
Weitere Informationen zu einem bundesweiten Kooperationsprojekt zwischen Wald und Sport findet ihr auf der Website lwww.waldsportbewegt.de.