Perskindol Swiss Epic – Etappenrennen im Wallis

Text Sönke Wegner Bild Veranstalter
Event

Auftakt zum vielleicht besten Etappenrennen der Welt

Uns wird es schwindelig: Seit Tagen Regen und Temperaturen, die wenig spätsommerlich sind. In den Alpen herrscht nicht selten schon Frost im September und die ersten einzelnen Schneeflocken lassen nicht lange auf sich warten. Doch da kommt die aktualisierte Wetterprognose und beschert uns eines der wenigen Hochdruckgebiete des vergangenen Sommers. Das Wallis ruft oder, genauer: die erste Auflage das „Perskindol Swiss Epic“, ein neu ins Leben gerufenes Etappenrennen im Süden der Schweiz. Das Wallis bietet sich als Mountainbike Destination geradezu an. Und so fand hier jüngst die 25. Auflage des legendären Alpenmarathons „Grand Raid“ statt. Aber wir sind jetzt nicht bei einem Eintagesrennen, wir wollen fünf Stages von Verbier nach Zermatt, mit Prolog in Verbier, unter die Stollen nehmen. Für uns, wie auch die übrigen knapp 600 Teilnehmer, wird es ein tägliches Höhenmeterfressen (15.000 Höhenmeter), gespickt mit den schönsten Trails. Eine einmalige Strecke, die weder auf Strava noch auf einem anderen Internetportal hochgeladen werden darf. Es soll ja schließlich einmalig sein.

 
 
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Prolog-Uphill

Verbier gehört zu den großen Skigebieten. Doch wir werden das Après-Ski sicher nicht vermissen. Die Sommerzeit steht immer noch auf Mountainbike-Hochzeit und im Bikepark sind die Biker mit Fullface reichlich vertreten. Ich treffe Karl Platt, der soeben den Prolog abgefahren ist und sein großes Lachen im Gesicht lässt sich nicht übersehen. Platt, einer der besten Abfahrer auf der Langdistanz, erklärt gleich mal, dass das hier, abgesehen von der Schinderei, ein Riesenspaß wird. Mein Puls hängt sich bei 124 auf, ich stehe nur neben meinem Bike und die Warm-up-Belastung ist schon Minuten her. Karls Worte und die Höhe machen sich bemerkbar.
Der Prolog-Uphill ist eine Miniatur der folgenden langen Etappen. Der Uphill erfolgt überwiegend auf breiten, höhenmetersummierenden Wegen, die immer wieder von Trails unterbrochen werden. Das alles wäre problemlos auf einem Hardtail zu meistern. Der Downhill lässt wiederum die Enduroenthusiasten vor Freude aufschreien. Bikepark, Trails, Anlieger, Wurzeln und Felsen werden wir auch im Ziel in Zermatt nach 400 Kilometern wohl nicht vermissen. Also entscheiden wir uns für ein Racefully mit Vario Seatpost. Nino Schurter verwendet das gleiche Setup, nur packt er mit 120 Millimeter in der Fork noch weitere 20 dazu. Diejenigen, die die Uphill-verkürzte Flow-Variante wählen und einiges mit dem Lift zurücklegen, sind häufig auf Allmountain oder Enduro-Bikes anzutreffen.

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Bei solchen Trails vergisst man beinahe die Anstrengung.

An der Schwelle und darüber hinaus

Wir – das sind mein langjähriger Freund und Trainingspartner Benjamin Joerges und ich – möchten, so gut es eben geht, das Rennen finishen. Wir sind ambitioniert, kennen gegenseitig unsere Stärken und auch sehr gut unsere Schwächen.
Bereits beim Warmfahren fällt mir wiederholt mein sehr hoher Puls auf. Die Höhe der Strecke spüren wir beide und fühlen uns etwas kraftlos. Es hilft nichts, wir versuchen den Prolog voll zu fahren und blenden dabei exzellent aus, was an den weiteren Tagen wohl auf uns zukommen wird. Leistungsmäßig fahren wir deutlich über der Schwelle und die Wattwerte fallen im Uphill selten unter 350 Watt. Der Puls erreicht utopische 180 im Durchschnitt. Ein Wert, von dem wir die kommenden Tage weit entfernt sein werden. Am Abend liegen wir mit einem Ruhepuls von über 80 im Hotelzimmer. Aber wir sind zufrieden über den 13. Gesamtrang.

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Akkurate Schweizer Organisation

Die Schinderei wird allen Fahrern möglichst leicht gemacht. Sie müssen sich „nur“ auf dem Bike halten, pedalieren und die Aussicht genießen. Die Veranstalter machen den Rest. Die Hotels, im Schweizer Stil, sind sehr gepflegt und auf die Biker vorbereitet, unsere Taschen wechseln problemlos mit uns die Location. Alles in allem eine gewohnt akkurate Schweizer Organisation. Auch die Sponsoren sind gut gewählt, auf dem Zielgelände gibt es von Perskindol Massagen und beim Redbull-Zelt Verpflegung, beides kostenlos.
Auf den nun folgenden langen Etappen sind wir immer über vier Stunden unterwegs. Die Anstiege mit regelmäßig über 1.000 Höhenmetern am Stück und die rasanten Downhills oder flachen Trails entlang der Wasserleitungen (Bisse) verlangen den ganzen Mountainbiker. Jedes Team muss harmonieren! Wir finden unseren Rhythmus und kommunizieren viel miteinander. Platten werden routinemäßig schnell geflickt und auch das gemeinsame Auffüllen der Wasserflaschen in den Bächen erfolgt kameradschaftlich. Die Konkurrenten lernt man schnell als Freunde kennen und gemeinsam beißen wir in den sonnigen Südhängen Richtung Leukerbad.

Unterwegs mit Team Ruanda

Immer wieder legen wir die ersten Kilometer mit Team Ruanda zurück. Die zwei Afrikaner wurden vom Veranstalter eingeladen und gehören in ihrer Heimat zu den Radsporthelden. Häufig treten sie bei Rennradrennen, wie der „Tour of Ruanda“, an. Sie sind echte Mountainbiker, so lange es bergauf geht. Bergab haben Nathan Ruhumuriza und Abraham Byukusenge größere Schwierigkeiten und müssen häufig die Spitzengruppe ziehen lassen. Schnell hat die beiden das Peloton ins Herz geschlossen. Ruanda ist stolz auf ihre Teilnahme und Nathan und Abraham sind es auch.

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Von Gränchen nach Zermatt

Das Wetter hält und das befürchtete Frösteln vor dem Start fällt auch um 7:30 Uhr weg. Uns merkt man die Strapazen täglich mehr an und dennoch freuen wir uns immer wieder aufs Neue, in dieser besonderen Landschaft mit all ihren Facetten biken zu dürfen. Der Folgetag in Grächen ist einmalig. Nach einer kurzen steilen Rampe erreichen wir ein Trailnetz, das technisch anspruchsvoll ist und mit hoher Geschwindigkeit gefahren werden kann. Wir folgen den Frischknechts und sind fasziniert, mit welcher Geschmeidigkeit Thomas seinem Sohn Andri folgt. Andri bekam vom Vater die Ansage, sich für das Team zu beweisen, und er musste ganze Arbeit leisten. Nur mit Mühe halten wir die Hinterräder der Frischis und schließen wieder an die Spitzengruppe auf. Ein Platten wirft unser Konzept wieder durcheinander. Ein anschließendes Missgeschick prägt unser Vorhaben für den folgenden Tag: Wir verfahren uns. Auf der Zufahrtsstraße ins Rhonetal knattern wir Richtung Visp und verpassen eine Auffahrt. Dieser Umweg kostet uns einige Minuten, die uns dann dafür auf der letzten Stage einige Schweißtropfen mehr kosten werden. Letzter Tag! Unser Weg führt von Grächen nach Zermatt. Zermatt verbinden viele mit: autofrei, teuer, Matterhorn, romantisch und Schauplatz von Bergsteigertragödien, bezeugt durch den romantischen Friedhof im Dorf. Nachdem das Scott-Swisspower Team mit Schurter und Vogel und die Specialized Jungs Kulhavy und Sauser sturzbedingt aus der Wertung sind, trennt uns – inzwischen auf dem elften Platz – jetzt nur noch eine Minute von den Top 10.

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Ein endlos langer Wanderpfad Richtung Zermatt

Noch einmal Fokussieren, noch einmal die Beine bis ins Unermessliche zum Brennen bringen. Wir starten in Grächen mit einem Anstieg, der auf den letzten hundert Metern extrem steil wird. Vor uns das Hinterrad von Karl Platt. Platt weiß um seine Abfahrtsqualitäten und hat Teamkollegen Urs Huber ein paar Meter Vorsprung gegeben. In naher Zukunft wird Platt die Lücke wieder zufahren. Wir genießen die Sekunden, die wir auf den Singletrails auf unsere ärgste Konkurrenz, im Windschatten von Platt, zurücklegen. Die Minute haben wir bis Täsch und dem langen Anstieg auf 2.400 Meter über NN. halten können. Nach einer sehr kurzen, aber extrem steilen Anhöhe schlängelt sich ein endlos langer Wanderpfad Richtung Ziel in Zermatt. Immer wieder müssen wir vom Bike und wenige Höhenmeter hochschieben oder über Felsen herabklettern. Dabei werden unsere Augen vom grandiosen Matterhorn und der atemberaubende Bergkulisse der 4.000er abgelenkt. Sie zeigen nochmals deutlich die hochalpinen Stages des Swiss Epic.

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Im Ziel reißen wir die Arme hoch. Wir sind erledigt von einer strapaziösen Woche im ursprünglichen und romantischen Wallis. Wir sind aber auch glücklich, dass wir das Privileg hatten, an dieser exklusiven Veranstaltung teilnehmen zu können. Die Startgebühr ist extrem hoch (ca. 4.000 Schweizer Franken pro Team). Dennoch war das Event ausgebucht und wird auch nach dieser erfolgreichen Premiere in der kommenden Auflage (September 2015) seine Teilnehmer bekommen. Das Swiss Epic hat einen festen Platz bei den großen Etappenrennen verdient.

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Der Lohn der Mühen.

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