Stressmanagement mit dem Mountainbike? Ein ungewöhnliches Workshop-Thema. Methoden zur Stressbewältigung gibt es zwar inzwischen in jeder nur erdenklichen Form – schließlich ist jeder im Stress. Und dass Bewegung den Stressabbau fördert, ist auch nichts Neues. Doch dass gerade das Mountainbiken der ideale Stresskiller sein soll, wirkt auf den ersten Blick übertrieben. Und auf den zweiten Blick? Absolut überzeugend!
Warum das Mountainbike der ideale Stresskiller ist
Mein Beruf: Gesundheitsmanagerin. Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements helfe ich abgehetzten Arbeitnehmern ihren Stress besser zu managen. Mein Hobby: Mountainbiken. Doch was hat Stressmanagement mit Biken zu tun? Längst ist bewiesen, dass Ausdauertraining einen positiven Effekt auf die psychische Gesundheit hat.
Positive Effekte von Ausdauertraining auf die psychische Gesundheit
Stressresistenz
Eine hohe Ausdauer hilft tatsächlich auch in Phasen mentaler Belastungen, widerstandsfähig gegenüber Ermüdung zu sein.
Erholung
Körperliche Aktivität fördert den Schlaf, unser wichtigstes Regenerationsprogramm.
Stimmungsaufheller
Manchmal hilft es ganz einfach „Dampf abzulassen“ und sich den Frust von der Seele zu radeln. Verantwortlich für diesen positiven Effekt ist die Ausschüttung von Serotonin und Dopamin, den sogenannten Glückshormonen.
Mentale Fitness
Bei Ausdauertraining wird die Gehirndurchblutung um ca. 30 Prozent gesteigert. Das verbessert den Hirnstoffwechsel und fördert damit die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit.
Mountainbiken ist also sehr wohl eine geeignete Stressbewältigungsstrategie. Mehr noch! Von unserem Bike können wir uns jede Menge Tricks für ein erfolgreiches Stressmanagement abschauen.
Bewusst wurde mir das, als ich vor dieser ausgefuchsten Trail-Stelle stand, die mich jedes Mal aufs Neue fordert. Ich blickte auf fast 500 Meter feinstes Downhill-Vergnügen. Gut, recht steil ist es schon; an der ein oder anderen Stelle etwas verblockt. Aber mit der nötigen Konzentration geht das schon. An den großen Stufen nicht zu stark bremsen! Und bei dieser engen Kurve darf ich nicht den Fokus verlieren. Deutlich war zu spüren, dass sich meine Herz- und Atemfrequenz erhöhte, während mein Kopf die Situation analysierte: Reichen meine Ressourcen und Fähigkeiten aus, um die Abfahrt zu meistern? Die klassischen Stressreaktionen! Zum anderen wurde mir klar, dass ich vor diesem Trail stehend genau über die gleichen Techniken nachdachte, die ich auch in meinen Stressseminaren lehre: Fokussierung, innere Vorbereitung auf herausfordernde Situationen, geeignetes Dämpfungssystem für Hindernisse... Unendlich viele Parallelen zwischen dem Mountainbiken und gutem Stressmanagement taten sich auf. Genau diese Verknüpfung sollte Inhalt meines neuen Workshops werden.
Startschuss
Etwas aufgeregt sehe ich der Premiere des ersten „Stressmanagement meets Mountainbike-Workshop“ entgegen. Bei der Anreise ins beschauliche Scheidegg im Allgäu kreisen meine Gedanken: Was für Teilnehmer erwarten mich? Und welche Erwartungen haben sie an den Workshop? Wie wird die Stimmung sein? Bekannt ist das Unternehmen: eine große Reha-Einrichtung. Als ich beim Klinikgelände ankomme, nehme ich drei tiefe Atemzüge, betrete den Seminarraum und werde herzlich begrüßt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde sind wir bereits mitten im Thema. Die Mitarbeiter erzählen, wie sie nach einem anstrengenden Tag beim Biken einen Ausgleich zum Arbeitsleben finden und „runterkommen“. Sie sind neugierig, wie es weitergeht und wie das Radln gegen Stress helfen kann.
Die Stellschrauben der Stressbewältigung
Bevor man sich effektive Stressbewältigungsstrategien aneignet, muss man erst einmal verstehen, wie Stress eigentlich entsteht. Für die meisten ist klar: „Mein Job ist so stressig!“ oder „Mein Chef stresst mich!“ Bei dir auch? Es lohnt sich, mal genauer hinzusehen. Letztlich sind zwei Dinge dafür verantwortlich, ob dich eine Situation in Stress versetzt: Wenn du etwas als herausfordernd oder belastend empfindest und dir nicht sicher bist, ob du mit deinen Fähigkeiten und Ressourcen der Situation gewachsen bist. Je höher die empfundene Diskrepanz zwischen den Anforderungen und den persönlichen Ressourcen, desto stärker fällt die Stressreaktion aus.
"Bevor man sich effektive Stressbewältigungsstrategien aneignet, muss man erst einmal verstehen, wie Stress eigentlich entsteht. Für die meisten ist klar: »Mein Job ist so stressig!"
Stell dir vor, du stehst mit deinem Bike vor einem Singletrail und blickst in die Tiefe. Der Trail ähnelt mehr einem abschüssigen Klettersteig als dass er flowigen Fahrgenuss verspricht. Vielleicht eine absolute Stresssituation für dich, für andere eher weniger. Welche Situationen und Reize wir als Stressoren (also Stressreize) empfinden, ist höchst individuell. Nun mag dir das Beispiel etwas unrealistisch erscheinen. Wer sich einen zu schweren Trail ausgesucht hat, muss eben wieder zurückfahren oder schieben. In der Arbeitswelt fehlt uns diese Selbstbestimmtheit oftmals. Doch wenn es nicht möglich ist, den Stressor auszuschalten, gibt es zwei Stellschrauben, an denen du drehen kannst. Diese verändern nicht immer die akute Stressreaktion, aber beeinflussen, was mittel- und langfristig mit uns passiert. Eine Schraube ist die Regeneration. Unsere physische und mentale Energie steht nicht unbegrenzt zur Verfügung. Was verbraucht wird, muss wieder aufgefüllt werden. Gerade nach vermehrter Anstrengung sehnt sich der Körper danach, wieder herunterzufahren um die Balance wieder herzustellen. Die andere sind die Widerstandsressourcen. Diese Schutzfaktoren helfen uns, Anforderungen besser zu bewältigen bzw. lassen es gar nicht erst zur Stressreaktion kommen.
Es hilft jedoch wenig, nur zu wissen, dass es diese zwei Stellschrauben gibt. An diesem Punkt kann ich versprechen: Wer sich Zeit nimmt für aktive Regeneration und nicht erwartet, dass sich Erholung von alleine einstellt, hat gute Chancen, Stressphasen gesund zu überstehen und am Montagmorgen wieder leistungsfähig auf der Matte zu stehen. Und wer bereit ist, sich ein paar Bewältigungsstrategien anzueignen, stärkt seine Widerstandsressourcen. Meistens muss man dabei gar nicht so viel Neues lernen. Vielmehr gilt es, vergessene oder verborgene Stärken wiederzuentdecken, wie zum Beispiel Kreativität, Realismus oder auch Enthusiasmus.
Hier kommt nun endlich das Mountainbike ins Spiel. Wer mit dem Bike unterwegs ist, nutzt automatisch Techniken, um Hindernisse zu meistern. Eine stabile Position trotz Lockerheit und Gewichtsverlagerung geben der Abfahrt den richtigen Flow. Der gekonnte Einsatz der Bremsen hilft, Geschwindigkeit und Sicherheit im Griff zu haben. Die richtige Fokussierung und Linienwahl gibt absolute Kontrolle über die Richtungssteuerung. Im übertragenen Sinne greifen all diese Techniken auch bei der Stressbewältigung! So gilt es auf dem Trail genauso wie im Arbeitsleben, bei schwierigen Aufgaben oder Gesprächen innere und äußere Verkrampfung zu vermeiden.
Von der Theorie zur Praxis
Im Seminarraum geht es zur Sache. Die Teilnehmer diskutieren, welche Regenerationsstrategien am besten wirken. Für jeden funktioniert etwas anderes. Es wird viel gelacht und doch mit dem nötigen Ernst über den Reflexionsaufgaben gegrübelt. Die Gruppe ist dann sichtlich erfreut, als es endlich heißt „Aufsatteln!“. Selbstreflexion kann nämlich ganz schön anstrengend sein. Balance, Bremsen, Kurven und Hindernisse lauten die Begriffspunkte der nächsten Stunden.
Nach jeder Übung schaffen wir den Transfer zu den alltäglichen Situationen, die uns herausfordern. Ein Aha-Erlebnis haben die Teilnehmer zum Beispiel, als wir das richtige Anvisieren üben. Wenn ich mich auf den Stein fokussiere, an dem ich eigentlich vorbeifahren möchte, steuere ich direkt darauf zu. So passiert es sehr häufig auch im stressigen Arbeitsalltag. Wer sich auf das Negative fokussiert, übersieht die Lösungen und verliert gerne mal den Überblick. Wenn man hingegen immer das Ziel im Auge behält, gelingt es auch, trotz Hindernissen oder Umwegen dorthin zu kommen. Wer dazu neigt, gerne mal dem Negativ-Fokus zu verfallen, dem empfehle ich, jeden Abend mindestens drei positive Dinge des Tages zu notieren. Nach einer kleinen Waldausfahrt kehren wir zurück in den Seminarraum.
Eine letzte Aufgabe gilt es noch zu absolvieren. „Moving people from knowing to doing“ haben wir, die Gesundheitsexperten von movement24, uns auf die Fahnen geschrieben. Damit die Umsetzung im Alltag gelingt und jeder Seminarteilnehmer eine Verbesserung seines persönlichen Stressmanagements erreicht, soll sich jeder ein persönliches Ziel setzen. Was möchtest du angreifen? Was möchtest du verändern? Was wirst du dafür tun? Das Vorhaben so konkret wie möglich zu planen, ist eine der wichtigsten Strategien der Gesundheitsförderung. Diese Überlegungen dürfen die Mitarbeiter mit in das Wochenende nehmen, denn realistische Zielsetzung darf nicht überstürzt werden.
Genauso wie das Balancieren auf dem Rad nicht nach zweimal Üben beherrscht wird, werden auch die Regenerationsmaßnahmen und Bewältigungstechniken nur dem gelingen, der regelmäßig übt und trainiert. Und zwar nicht erst dann, wenn das Stresslevel schon im roten Bereich ist. Somit heißt es üben, üben, üben – und das nicht nur auf dem Stresskiller Mountainbike.
Kontakt
„Stressmanagement meets Mountainbike-Workshop“
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