Abenteuer Kreuzberg

Text Norman Bielig Bild Silvan Metz
Reise

Zu Kreuze getragen
Der Kreuzberg in der Rhön

Das glamouröse Leben eines mtb-Redakteurs, wer kenn es nicht? Neueste Teile fahren und sobald sie dreckig sind, den Firmen wieder zurückgeben. Anschließend im Idealfall die Teile verbal in der Luft zerreißen. Am Nachmittag dann eine gemütliche Tour fahren, normalerweise mit Heli, und ab geht es auf den unberührten Trail.

Klingt eher nach Albtraum und glücklicherweise steckt noch nicht einmal ein Funken Wahrheit darin. Das Alltag als mtb-Redakteur ist eher ein Abenteuer, immer wieder anders und damit auch spannend. Klar sind die Grundzutaten oft ähnlich: in eine Region fahren, Leute kennenlernen, Rad fahren gehen, Grillen und Bier trinken. Einfache Zutaten für einfaches Glück. Und wo ist das Abenteuer?, fragt der geneigte Leser hier zurecht.

 
 

Gut, dröseln wir einen solchen Tag doch einmal auf.

4:00 Uhr: Der Wecker klingelt, schnell aufstehen, Siebträgermaschine anschalten (wertvollstes Geschenk zum 30sten), die 15 benötigten Aufheizminuten in weiterem Dämmerzustand verbringen, Kaffee trinken, Obst essen und ab ins Auto. (Rad und Rucksack sind eingeklemmt im selbst gebauten Messestand für das Wochenende in Freiburg.)

4:30 Uhr: Ankunft beim befreundeten Drucker, ich hole Bildmaterial für die Messe ab und lasse Kuchen und Schnaps als Entschuldigung für eine erneute durchgearbeitete Nacht da.

9:00 Uhr: Ankunft in Bischofsheim in der Rhön. Während das Rad ausgepackt wird, Umziehen und Begrüßen der Gruppe, die mich heute durch die Rhön führen wird, es gibt ein schnelles Frühstück mit Kuchen und ich gieße eher weniger leckeren Filterkaffee zum weiteren Wachwerden nach.

Kurz durchatmen, dann rauf aufs Rad – und nun wird es erst einmal entspannter. Andi von Rhöntrail möchte mir eine Runde mit 10 Kilometer Singletrail-Abfahrt (beinahe) am Stück zeigen. Unsinnig, zu so einer Idee nein zu sagen, und so haben wir diesen Termin zwischen Druckabgabe und Bikefestival Freiburg gefunden. Die Rhön geisterte bislang als unbestimmtes Mittelgebirge in meinem Kopf herum, genauere Vorstellungen hatte ich eigentlich nicht. Ein Kollege in der Redaktion warf mal kurz ein: „Ich glaube, da gibt es viele Laubbäume.“ Auch gut – und damit genug der Vorbereitung.
Besonders spannend finde ich immer wieder die Anfahrt in mir bislang unbekannte Regionen. Sobald man die Autobahn hinter sich lässt, offenbart sich der spezifische Charakter einer Region. Hier sind es eher sanfte Erhebungen, grasbedeckte Kuppen und liebevoll renovierte alte Häuser. Etwas, worüber ich immer wieder neidisch den Blick wandern lasse, denn mit guter, alter Bausubstanz sind wir im Bayerischen Wald einfach nicht gesegnet.

Der zentrale Punkt unserer Tour ist der markante Kreuzberg, dem Namen entsprechend mit drei Kreuzen am Gipfel ausgestattet. Die Anfahrt ist glücklicherweise nicht direkt, sondern zieht sich sanft um den Berg herum. So bleibt mir ausreichend Zeit, die Umgebung zu genießen und vor allem, mich informieren zu lassen. Die Kuppen in der Rhön sind oft Weideflächen für die Rhönschafe, wobei auch diese freien Flächen immer mehr zurückgehen. Die Schafe sieht man aber doch noch öfter. Mit ihrem schwarzen unbefellten Kopf sind sie äußerst auffällig. Ihre grobe, elastische Wolle schützt sie vor den doch recht eisigen Winden und teils unwirtlichen Temperaturen. Während selbst schon im Bayerischen Wald die Bäume austreiben, hält sich die Natur in der Rhön noch vornehm zurück.

Vor dem Mittagessen stehen bereits die ersten Trails am Kreuzberg auf dem Programm. Hier gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Wege in alle Himmelsrichtungen. Praktisch, dass hier im Sommer ein Bus mit Radanhänger rauffährt. Man kann Rhöntouren also durch einen Shuttletransport durchaus verlängern – auch ein schönes Zeichen dafür, dass ein Miteinander hier gut funktioniert. Der Bus steuert die Klosterbrauerei unterhalb des Gipfels an. Ein eindrucksvolles und einladendes Ausflugsziel für Wanderer, Biker, Gläubige und auch den einen oder anderen Zechbruder. Die gemischte Wurstplatte ist für eine längere Weiterfahrt nicht ideal, wie ich feststellen muss, lecker ist sie dennoch.

Nach der Rast geht es nun endlich auf den Kreuzberg, Panorama genießen und ab in 10 Kilometer Singletrail. Zu Beginn zieht er sich natürlich auf der Kuppe entlang, bevor wir über der Straße auf einen kleinen Pumptrack stoßen. Mit viel zu wenig Schlaf mag der Blick sich nicht so gern um die engen Kurven winden, und es wird mehr Herausforderung als lockerer Spaß. Der Pumptrack weist uns gleichzeitig den Weg in den Flowtrail. Von Locals gebaut und von der DIMB zertifiziert, soll er Trailspaß für jedermann gewährleisten. Spaßig ist er auf alle Fälle und er fügt sich auch schön in die sonstige Topografie ein. Den Abschluss bildet nach einem kleinen Gegenanstieg der Jägersteig. Vermute ich noch, typisch für Jägersteige, einen schmalen, ausgesetzten Trail, überrascht hier ein in den Wald integrierter Spaßgarant mit geringem Gefälle. Bremsen unnötig, lediglich ein vorausschauender Blick, denn lokale Biker nutzen den Weg auch gerne zum Aufstieg.
Den Rückweg lassen wir gemütlich angehen. Unser junger Fotograf erzählt von seinen Abenteuern im Hochalpinen, neben dem Bike ist er vor allem am Fels und auf Tourenski anzutreffen, auch sommerliche Hochtouren sind sein Metier. Den großen Sturm im März erlebte er im Biwak auf knapp 3.000 Metern im Ötztal: gute Geschichten an einem windstillen Tag.

16:00 Uhr: Wir verabschieden uns, das Bike landet wieder zwischen den Bestandteilen des Messestandes, der Kaffee in der Hand. Meine drei Begleiter bleiben mir noch eine Weile im Kopf, diese bunt gemischte Gruppe aus Abiturient, Bergführer und Tontechniker. Die Verantwortung, die Andi für den Flowtrail und die Region übernimmt. Die Begeisterung Silvans für hohe Berge und ihr Enthusiasmus über neue Routen in ihrer Region. Ich dachte, ich wäre verrückt nach Karten und Erkundungen, doch Andi hebt das auf ein neues Level.
Vier Stunden Zeit habe ich für diese Überlegungen bis Freiburg.
Unser Teamfahrer Sönke schreibt mir ganz begeistert von der Erstbefahrung des neuen Canadian Trail in Freiburg und weckt meine Vorfreude: „Alle hier beim Grillen, beeil dich.“
20:00 Uhr: Ankunft in Freiburg, direkte Fahrt zum Grillplatz neben der Jugendherberge. Ich lade meine zwei Kästen Bier aus (niederbayerisch und fränkisch), um den Freiburger Freiwilligenhaushalt aufzustocken. Zwei Bier sind auch ein Schnitzel, heißt es, und so endet der Abend nach zwei Schnitzeln auf der Couch unserer Freiburger Grafik. Von der Rhön nach Freiburg: zu weiteren Gesprächen über kanadische Baukunst, fair gehandelte Bekleidung und darüber, welche Wege es denn zur Bekämpfung der Zwei Meter-Regel aktuell gibt.

Im Grunde war der Tag auch kein Abenteuer, sogar das Wachbleiben funktionierte reibungslos. Abenteuer waren die Geschichten, die mir erzählt wurden und an denen ich teilhaben durfte. Neue Trails erfahren hat zwar auch immer ein wenig von Abenteuer, aber hier wurden sie mir ja serviert. Abenteuer also eher im Sinne von „überraschend“. Überraschend, dass es solche Trails zuhauf in Deutschland gibt, überraschend, wie toll Community funktionieren kann und überraschend, dass Jugend immer noch genauso begeistert ist von Natur, Bergen und Abenteuer wie wir auch – und wieso eigentlich auch nicht?

Informationen

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Flowtrail

Von Locals erbaut mit Unterstützung der Stadt Bischofsheim a.d. Rhön. RWV Haselbach hat die Schirmherrschaft übernommen und kümmert sich mit den Trailbeauftragten um den Erhalt der Strecke. Auf der Website findet man Infos zu den Trailbauern und vieles mehr.

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