Kontrast im Lungau – Einsatz für ein Mammutprojekt

Text Hannah Röther Bild David Schultheiss
Reise

Lungau
Zurück in die Zukunft

Eine schicke junge Frau im Kostüm steht aufgeregt gestikulierend im dämmrigen Licht des Kuhstalls, ihre High Heels versinken im nassen Stroh. Ihr gegenüber der Bauer, Skepsis im Blick. Die beiden diskutieren angeregt, die Frau lässt nicht locker. Immer und immer wieder führt sie Argumente an, schließlich verlässt sie zufrieden lächelnd den Hof – in ihrer Tasche ein Papier mit der Unterschrift des Landwirts: seine Einverständniserklärung über die Nutzung der Wege auf seinem Land für Mountainbiker.

 
 

Die Granglitzalmen liegen so früh im Jahr noch schlafend auf der Hochebene.

Mountainbike-Route Lungau EXTREM

So oder ähnlich muss sie sich abgespielt haben, die Szene, die uns Andrea Moser-Dengg vom Tourismusverband der Region Lungau gerade schildert. Stolz berichtete sie darüber, mit wie viel Engagement sie und ihre Kollegin in nur zwei Monaten ein Mammutprojekt realisiert haben. „Lungau EXTREM“ heißt die neu ausgeschilderte Mountainbike-Route, für die sie im Zweifelsfall die Bauern persönlich im Stall besucht hat, um über Wegnutzungsrechte zu verhandeln. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Herausgekommen ist eine 160 Kilometer lange Tour, die über 7.000 Höhenmeter überwindet, Singletrail-Anteil inklusive – von ihren Macherinnen sind für die Strecke vier Tage vorgesehen, wem das zu extrem ist, kann weitere Übernachtungen einplanen. Im Lungau tut sich also etwas für die Mountainbiker. Anstatt sich auf den bereits bestehenden 15 Touren auszuruhen, wird hier mit viel Herzblut an der Zukunft des Biketourismus gearbeitet.

Kein Erlebniszoo, sondern liebevoll hergerichtete Alm.

Pioniergeist und Tradition

Dieser Pioniergeist trifft im Lungau auf eine Region, die sich gleichzeitig tief mit ihren Traditionen verwurzelt zeigt. Vielleicht ist die besondere geografische Lage Grund für diesen Charakter. Lungau ist die südlichste der Salzburger Regionen, wer Tamsweg und seine Nachbargemeinden von Norden her ansteuert, muss entweder durch den Tauerntunnel fahren oder die Niederen Tauern per Passstraße überwinden. Angekommen in der 1.000 Quadratkilometer großen Talschaft markieren kleine, aber spürbare Unterschiede in der Bauweise der Häuser und in dem Dialekt der Menschen den allmählichen Übergang in einen anderen Kulturkreis. Auch die Landschaft verändert ihr Gesicht: Das gesamte Tal befindet sich bereits auf über 1.000 Metern Seehöhe und verströmt mit seinen klaren Bergseen und Lärchenwäldern alpinen Flair. Wegen seiner Höhe ergeben sich beste Voraussetzungen für abwechslungsreiche Touren, die in alle Richtungen abzweigenden Seitentäler und Berge ermöglichen ungeahnte Kombinationsmöglichkeiten für Biker aller Könnensstufen.

Blick in die Vergangenheit

Unser erstes Ziel sind die Granglitzalmen, die sich an die Flanke des 2.313 Meter hohen Gumma schmiegen. Erst auf Forstwegen, dann auf Trails ist diese kleine Siedlung historischer Almhütten leicht zu erreichen. Die Hütten sind verlassen und verbarrikadiert, statt einer Bewirtung empfängt uns hier ein Blick in die Vergangenheit. Nebel zieht an den verlassenen Holzhäusern vorbei die steile Wand Richtung Gummagipfel hinauf, es wird gespenstisch. Gut, dass nur wenige Minuten weiter dann doch noch eine bewirtete Alm auf uns wartet, und diese noch dazu alles Bisherige in den Schatten stellt. Die Brettljause, die uns auf der Wildbachalm serviert wird, verschlägt uns die Sprache und ist bis heute die unangefochtene Gewinnerin der world of mtb Jausenwertung.

Der Sprung ins kalte Nass stellte sich als angenehmer heraus als erwartet.

Preberschießen im Lungau

Nach einer steilen Abfahrt nach St. Andrä steuern wir den Prebersee an – ein tiefdunkler Moorsee, dessen besondere Wasserkonsistenz einen eigenen Sport hervorgebracht hat. Beim Preberschießen zielen Schützen in einem bestimmten Winkel auf die Wasseroberfläche, auf der die Kugel abprallt und im besten Fall ins Schwarze der am Ufer aufgestellten Zielscheiben trifft. Verschiedene Mythen ranken sich um die Entstehung dieser Tradition, sicher ist nur, dass sie weltweit einmalig ist. Selbst für geübte Schützen ist ein Treffer ins Schwarze ein Glücksfall, da die genaue Flugbahn des Geschosses nach dem Abprallen auf der Wasseroberfläche nie ganz vorherzusehen ist. Der Schützenverein, der das jährliche Preberschießen veranstaltet, legt großen Wert auf die Wahrung dieser Tradition und erlaubte erst spät das Fotografieren und Filmen des Events. Die Wasserkonsistenz als Schlüssel für das Preberschießen ist bis heute nicht bis ins Detail erforscht. Es bleibt geheimnisvoll im Lungau! Dass sich der See allerdings auch zum Abkühlen hervorragend eignet, hat Norman in einem mutigen Selbstversuch erfolgreich beweisen können.

Holunderschorle im Café der Burg

Abends sitzen wir noch bei den letzten Sonnenstrahlen im Café der Burg in Mauterndorf. Das Gemäuer um uns herum ist Jahrhunderte alt und doch voller Leben. Die Burgschänke besitzt einen großzügigen Tagungsraum, der für Feste und Feiern aller Art ständig gebucht wird. Figuren und Kostüme lassen an allen Ecken das Mittelalter lebendig werden. Im Lungau kann man problemlos an einem Tag eine Zeitreise in die Vergangenheit antreten und gleichzeitig auf neu erschlossenen Mountainbike-Strecken seine Grenzen neu stecken.

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