Grand Raid BCVS 2017 125 Kilometer und 5025 Höhenmeter

Text Sönke Wegner Bild Sportograf und Conny Klesse
Geschichten

Das Wallis ist wunderschön und gnadenlos zugleich!

Der Grand Raid gehört mit seiner 28. Auflage, zu Europas Dinosauriern unter den Mountainbike Veranstaltungen. Überdimensioniert und traditionell ist die Langstrecke, sie ist eine von vier Streckenmöglichkeiten am Grand Raid Wochenende. Wochenende? Ja, denn ist das Wetter am Samstag schlecht vorhergesagt, wird wahlweise der Sonntag zum Renntag. Mit 125km und echten 5025 Höhenmeter (!) klappern die Sportler die südliche Flanke des schweizerischen Wallis ab. Der Start ist früh morgens in Verbier und das Ziel in Grimentz. Dazwischen ist Leid und Freude nah beieinander, dort wo gestandene Männer heulen, Mythen für die Ewigkeit entstehen und die Gewalt der Berge spürbar ist, von dort erzählt diese Geschichte.

 
 

"Meine erste Teilnahme beim Grand Raid war ne super Erfahrung. Schon der Tag vor dem Rennen bei 30 Grad und dem grandiosen Blick auf die Alpen mit den Bergen über 4000 Metern war genial. Am Renntag, die Temperaturen waren deutlich niedriger, wusste ich nicht so genau, was auf mich zukommen wird. Mir war nur klar, am Ende wirds richtig zäh! Ich wollte mich zunächst auf die erfahrenen Hasen um Karl Platt und Christoph Sauser verlassen und habe die Gruppe 2-3 mal ziehen lassen. Nie problematisch! Am Mandelon gings dann voll ab. Ich wusste, um am Ende durchzukommen, muss ich mein Tempo fahren. In Evolene angekommen waren noch 32km zu fahren. Beim Blick auf den Höhenmesser fehlten noch 1900Hm bis zu den ausgeschriebenen 5000. Ich konnte es kaum glauben!!! Am Pas de Lona hieß es dann nur noch Augen zu und durch. Die Mutter aller Laufpassagen war episch und wie viele Leute.... unglaublich." (Markus Bauer Kreidler Werksteam)

Markus Bauer im "Tunnel"! Der Blick ist fokussiert. Die Top10 das Ziel.

Morgens, wenn man das Gefühl hat, die Berge müssen erst noch erwachen, stehen 700 Teilnehmer in Verbier am Start. Die meisten werden es bis nach Grimentz schaffen. Für die anderen ist ein vorzeitiges Abbrechen mit enormen logistischen Aufwand verbunden. Denn wie kommt man irgendwo aus den Alpen wieder zurück in den sicheren Hafen? Die Nacht zuvor hat es ordentlich geregnet. Die Luft ist mit Feuchtigkeit gesättigt und der Boden saugt nach den Stollenreifen fest. Heute wird es keine Bestzeit geben!

"Der Start im Dunklen, bei Eiseskälte und nach regenreicher Nacht ist nicht gerade motivationsfördernd. Mit Erfrierungserscheinungen habe ich das Ziel 2016 erreicht. Grenzerfahrung!"
Betty Janas (Team Sportograf) 3. Platz 2017

Die Spitzengruppe, angeführt von Markus Bauer, überquert den Croix de Coeur. An zweiter Position der Vorjahressieger Urs Huber. In einer der schnellen Abfahrten muss Huber all seine Siegchancen begraben. In der Spitzengruppe liegend, stürzt Huber so unglücklich, dass er mit gebrochenem Schlüsselbein aussteigen muss. Seine Führung im Alpen Cup, zu dem dieses Rennen gehört, wird er wohl nicht halten können.

Höhenmetervernichtende und schnelle Abfahrten und mindestens genauso lange Anstiege prägen das Bild vom Grand Raid. Die Höhenmeter müssen mühsam gesammelt werden. Über 1500 m.NN. ist mit einem Leistungsdefizit zu rechnen.

"Der Grand Raid ist ein echtes Monster! So schwer habe ich es mir nicht vorgestellt. Auch mit guter Form kann man das Leiden nicht kaschieren"
Markus Bauer (Kreidler Werksteam)

Die Strecke ist tückisch! Hat man 2/3 von ihr absolviert, dann hat man bereits 1/3 der Fahrzeit geschafft. Die Trails, wie hier hinter Madelon, sind seit 28 Jahren nahezu unverändert. Unvorstellbar, wie die Pioniere damals mit Starrgabel und 1,6er Reifen diese Distanz bewältigt haben.

Simon Stiebjahn (Team Bulls) kann seine Vorjahresplatzierung wiederholen! In einem starkbesetzten Fahrerfeld wird er Dritter. Das ist klar ein Ausrufezeichen auf seine Vielseitigkeit. Nur wenige Tage zuvor konnte er die Deutsche Meisterschaft im Sprint gewinnen. (Tipps für seine Vorbereitung auf diese Langstrecke findest du weiter unten.)

Malerisch gelegene Häuser zieren den Streckenverlauf. Einsam wirken sie, die Wege, auf denen tausende Biker ihre Grenzerfahrung finden. Der Anstieg von Eison zum Pas de Lona rollt eigentlich sehr gut. Aber nach 3500 Höhenmeter im Renntempo, wird dieser Uphill zum Scharfrichter. Die Schnellen der Langstrecke überholen Fahrer der Kurzstrecke. Viele von diesen schieben bereits die Waldautobahn hoch. Es ist kein gemeinschaftliches Schieben... Es ist ein monotones, stummes Schieben. Jeder für sich... Dann kommt die Wand zum Pas de Lona, wo jeder 300 Höhenmeter sein Bike tragen muss, dann fließen nicht selten die Tränen der Verzweiflung. Kein Meter wird dir geschenkt. Finden deine Füße keinen Halt, ist die Physik gnadenlos. Warum tut man sich das an?

Nicht bei allen sieht es so "flüssig und leichtfüßig" aus, wie beim Italiener Samuele Porro (Sieger 2017). Im Schlepptau befindet sich der spätere Zweitplatzierte Juri Ragnoli. Die Topfahrer lassen sich von Läufern die Ideallinie zeigen. Innerhalb von 20 Minuten muss jeder Schritt sitzen.

Betty Janas (Team Sportograf) kennt diesen Anstieg sehr gut! Die Luft wird auf 2800 Meter dünn und häufig auch kalt. Im Vorjahr hat Betty diesen Pass im Schneefall überquert. Auf dem Höhenprofil sieht der nun folgende Uphill aus, wie eine Welle im Vergleich zur bereits geleisteten Arbeit. Eigentlich stimmt das... Zustimmung? Wohl kaum.

Matthias Bettinger (Lexware Team) ist ein Urgestein der deutschen Marathonszene. Letztes Jahr gewann er die 90km Distanz mit Start in Nendaz. Dieses Jahr wird er nach 125km Elfter.
Ebenso schafft es Andreas Kleiber (Freiburg) mit Platz 19 in die Top20 und erhält somit die WM Qualifikation für 2018. Der Grand Raid gehört zur UCI Worldseries, bei der eine Top20 Platzierung die Qualifikation für die Marathon WM bedeutet.

Christoph Sauser ist im Ruhestand!? Seine aktive Kariere lässt Sauser langsam ausklingen. So richtig abgeschlossen hat er dennoch nicht... der Grand Raid ist seine Hassliebe. Er konnte dieses Rennen noch nie gewinnen. 2014 in Führung liegend verpasste Sauser all seine Siegchancen im letzten Downhill. Ein doppelter Platten und Urs Huber zog an ihm vorbei. Dieses Jahr nahm er seinen Plattfuß deutlich früher und gelassener. Karl Platt half ihm beim Pumpen, ehe Platt kraftlos das Rennen aufgeben musste. Sauser landet dennoch auf einen respektablen zehnten Platz.

Juri Ragnoli schafft es irgendwie mit einem völlig zerstörten Hinterrad ins Ziel. Dank guter Vorarbeit kann er den zweiten Platz verteidigen. Die Teilnehmer müssen gewarnt sein; Die letzte Abfahrt hat es in sich! Eine unsaubere Fahrweise, häufig durch Übermüdung, führt schnell zu Defekten.

"Ich denke, dass man als Teilnehmer nicht zu verbissen in dieses Rennen gehen darf. Jedes Korn, das man zuviel investiert, rächt sich doppelt. Fährt man nicht ganz vorne mit, sind solche Momente, wie oben, ein Traum. Landschaftlicher Hochgenuss und eine top Organisation, wenn man bedenkt, dass einige Verpflegungstellen nur per Helikopter beliefert werden können."
Sönke Wegner (Team world of mtb)

Simon Stiebjahn, der symphatische Kerl aus dem Schwarzwald, gibt uns Einblicke in seine Trainingsvorbereitung.

Meine langfristige Vorbereitung heißt: Längere Einheiten in den Wochen vor dem Event trainieren. Da dürfen es auch mal 6 Stunden +++ sein. Das Training sollte jedoch zwei Wochen vor dem Event abgeschlossen sein. Erholung ist dann angesagt.
Ich ernähre mich gut. Bei so einer Belastungsdauer ist es wichtig, dass die Speicher voll sind. Die Nudelportionen dürfen gerne etwas üppiger ausfallen.
Im Rennen starte ich nach 40 Minuten mit dem ersten Gel. Dann alle 20-30 Minuten ein weiteres. Zuerst mit langkettiger Energie (Öl und Fett als Basis). Die letzten zwei Stunden kurzkettig und teilweise mit Koffein.
Mein Tipp: Schlafen! Bei mir sind die drei Nächte vor dem Rennen sehr wichtig. Ich versuche acht Stunden Schlaf zu finden. Wenn möglich nehme ich auch schon eine Anpassung vor. Also früh ins Bett gehen und früh aufstehen, so wie der Renntag es verlangt.

Ergebnisse 125km
Frauen:
1. Florence Darbellay
2. Cornelia Hug
3. Betty Janas

Männer:
1. Samuele Porro
2. Juri Ragnoli
3. Simon Stiebjahn
...
(weitere deutsche Teilnehmer in den Top100:)
6. Markus Bauer
11. Matthias Bettinger
19. Andreas Kleiber
25. Lomas Wefing
29. Dominik Schwaiger
45. Sönke Wegner
49. Eric Müller
52. Jasper Britz
64. Paul Häuser
100. Jakob Britz

Mehr Informationen:
www.grand-raid-bcvs.ch
Ergebnisse:
datasport.com
Erfahrungsbericht Betty Janas:
blog.sportograf.com

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