Kanadier Scott Secco im Interview – Filmprojekt „Builder“

Interview Hoshi Yoshida & Norman Bielig Bild Hoshi Yoshida
Interview

"Builder"

Mountainbiker wollen meistens spannende Action sehen. Wie gelingt es dir, sie zu faszinieren, wenn du die Entstehungsphase zeigst?
Wann hast du das letzte Mal bewusst über Trails nachgedacht? Nicht „Welchen Trail soll ich fahren?“, sondern eher „Wer hat diesen Trail gebaut?“ oder „Warum haben sie ihn so gestaltet?“. Es ist nicht so, dass Mountainbiker undankbar wären, aber es herrscht eine kollektive Ignoranz in der Radsport-Szene darüber, wieviel Arbeit in den Trails steckt, die wir so gerne fahren.

 

Dieses Gedankenspiel bewog den Kanadier Scott Secco, sein Filmprojekt „Builder“ in Angriff zu nehmen. Ein Film, der nicht – wie sonst üblich – perfekte Stunts und Fahrszenen in den Vordergrund stellt, sondern einen Schritt zurückgeht. Der die Geschichte der Trails erzählt, die entstehen, die Geschichte von Sprüngen – und vor allem von ihren Erbauern. Vier dieser Builder zeichnen beispielsweise auch für den Canada Trail in Freiburg verantwortlich.

Wir unterhielten uns mit Scott Secco über den Unterschied zwischen Amerika und Europa, Trail-Kultur und die Schwierigkeit, Prozesse filmisch festzuhalten.

 
 

world of mtb: Was hat dich zum „Builder“-Projekt inspiriert?

Scott Secco: „Builder“ war eigentlich nicht meine Idee. Ursprünglich hatte ich Julian Coffey von Pinkbike erzählt, dass ich einen kurzen Film über den Sommer 2014 drehen möchte. Julian hat mir gesagt, dass er und Ryan Berrecloth gerne einen Film über das Bauen von Trails produzieren würden, und mich gefragt, ob ich Interesse hätte. Ich habe Jumps und Trails gebaut, seit ich Mountainbike fahre, deswegen war ich sofort begeistert von der Idee. Trails zu bauen, ist wichtig für den MTB-Sport, wir können uns nicht auf die Natur verlassen, so wie Skifahrer sich auf Schnee und Surfer sich auf Wellen verlassen können. Wenn keiner etwas bauen würde, hätten wir nichts, wo wir fahren können. „Builder“ hat sich von allen Trailbauern inspirieren lassen: Danke euch!

world of mtb: Was wolltest du mit deinen Bildern kommunizieren?

Scott Secco: Mein Ziel bei „Builder“ war es, Leute zu inspirieren, neue Trails zu bauen. Ich finde, das Bauen ist eine so schöne Sache, weil sich die ganze harte Arbeit auszahlt, wenn du eine neue und spannende Strecke hast. Wenn es in deiner Umgebung verboten oder schwer ist, auf Waldwegen zu fahren, dann inspiriert der Film die Zuschauer hoffentlich, ‚fahren zu gehen’ oder sich einem Trail-Club in der Region anzuschließen.

world of mtb: Mountainbiker wollen meistens spannende Action sehen. Wie gelingt es dir, sie zu faszinieren, wenn du die Entstehungsphase zeigst?

Scott Secco: Wenn du schon mal einen Trail gebaut hast, weißt du, dass es ein sehr aufwendiger Prozess ist, der unzählige Stunden harter Arbeit erfordert. Aber es macht auch großen Spaß. Bauen ist eine Kunstform, und ich habe versucht, es so zu filmen, dass die Vision, Arbeit und Schönheit in jeder Line zur Geltung kommen. Jedes Segment zeigt die Entstehung des Trails, und dann folgt die Action. Das Bauen an sich ist bedeutungslos, wenn nicht gefahren wird.

world of mtb: Action-Clips auf fertigen Trails hast du in zwei Tagen gedreht, aber wenn du den ganzen Prozess des Bauens zeigst – von der Suche nach der Location bis hin zu dem Moment, wo der Trail Gestalt annimmt – dauert es viel länger. Wie hast du den zeitlichen und finanziellen Aufwand für das ganze Projekt berechnet, und ist die Rechnung bisher aufgegangen?

Scott Secco: Ich hatte Glück, dass Ryan und Julian mir dabei geholfen haben. Sie haben das Budget verwaltet und mir bei der Terminplanung geholfen. Da es mein erster Film ist, haben wir natürlich auch ein bisschen improvisiert und gehofft, dass es klappt. Ich lebe in British Columbia, und es senkt die Kosten, wenn ich mit dem Auto dorthin fahren kann, wo der Fahrer lebt, statt teure Langstreckenflüge zu bezahlen. Perfekt ist es, wenn ich dort eine Woche bleiben und das Segment des Athleten komplett filmen kann. Das geht natürlich nicht immer. Ich musste viermal nach Nelson fahren, um Garett Buehlers Abschnitt in dem Film unter Dach und Fach zu bringen. Aber es hat sich gelohnt.

world of mtb: Wie lange suchst du nach der perfekten Perspektive, um eine Stelle zu filmen?

Scott Secco: Du kannst jeden Fahrer in dem Film fragen, und sie werden dir sagen, dass ich ewig nach dem richtigen Winkel suche! Ich bin sehr wählerisch bei meinen Aufnahmen und laufe bei jedem Spot lange herum, um die richtige Perspektive zu finden. Ich versuche, Blickwinkel zu finden, die man so in den Zeitschriften nicht sieht. Ich lasse mich sehr von Fotografen inspirieren und hoffe, dass das rüberkommt, wenn man sich den Film anschaut. Ich hoffe, jede Einstellung bringt das Fahren und die Natur so gut wie möglich zur Geltung: Das Terrain, das wir als Mountainbiker genießen dürfen, ist wunderschön, und das möchte ich den Leuten vermitteln, die diese Orte vielleicht nie selbst zu Gesicht bekommen.

world of mtb: Welche Szene war am aufwendigsten zu drehen und wie viele Durchgänge brauchtest du dafür?

Scott Secco: Das zeitraubendste Segment des Films war Garett Buehlers Szene in Nelson in British Columbia. Wir brauchten 22 Tage für den Dreh (rund zwölf Tage mehr als für jeden anderen Teil). Die Arbeit war wirklich schwer, weil Buehlers Trail so lang war, dass er ihn nicht rechtzeitig fertig bekam, bevor wir filmen sollten. Wir haben mit Garett, Alex Volokhov und ein paar anderen Freunden tagelang an dem Trail geschaufelt. Das Wetter war auch undankbar. Um in den Bäumen zu filmen, mag ich Wolken oder Nebel, aber wir hatten Sonne, Regen und sogar Schnee! Wir mussten einen ganzen Tag warten, bis der Schnee vom Trail weggeschmolzen war, sodass wir weiter drehen konnten. Das Segment war ein Abenteuer, und Garett brauchte viel Geduld, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Harte Arbeit lohnt sich am Ende immer.

world of mtb: Wie wählst du dein Kamera-Equipment aus? Musst du es auf dem Rad mitnehmen?

Scott Secco: Einen Film zu drehen, ist etwas anderes als ein kurzes Video fürs Netz zu drehen. Um die Aufnahmen zu bekommen, die ich will, brauche ich einiges an Kamera-Ausrüstung. Normalerweise fahre ich mit dem Auto zur Location und gehe dann zu Fuß dahin, wo wir drehen. Manchmal mit drei Rucksäcken! Für „Builder“ hatte ich eine Sony FS700-Videokamera mit verschiedenen Objektiven: Rokinon-Weitwinkel, Tokina 11-16 mm, Zeiss 21 mm, Zeiss 50 mm und ein Sigma 70-200 mm. Mitgeschleppt habe ich auch Stativ, Glidecam, Kran, Sackkarre und eine selbstgebaute Seilkamera. So viel Ausrüstung kann ich nicht auf dem Rad transportieren! Für Videos, die fürs Netz sind, bin ich mit dem Rad unterwegs und nehme Kamera, Stativ und Glidecam mit.

world of mtb: Fährst du an den Locations auch selbst?

Scott Secco: In dem ganzen Jahr, wo ich an dem Film gearbeitet habe, habe ich fast nicht auf dem Rad gesessen. Ich hatte ein so straffes Programm – den ganzen Tag herumfahren, bauen (für einige Segmente haben wir geschaufelt ohne Ende), filmen und schneiden. Ich hätte auch gar nicht die Fähigkeiten, viele der Strecken zu fahren, die du im Film siehst – die Jumps und Stunts sind riesig! Ich bin aber in Retallack Lodge gefahren, wo wir den Part von Mike Kinrade gedreht haben, und das hat richtig Laune gemacht. Die Trails sind unglaublich, und das Fahren hat mir selten so viel Freude bereitet wie dort.

world of mtb: Wir in Europa staunen, was in Kanada alles gebaut wird. Wie schafft ihr das? Was für eine Trail-Kultur habt ihr dort?

Scott Secco: Wir haben eine fantastische Trail-Szene in Kanada, vor allem in British Columbia. Wir sind gesegnet mit Tausenden Hektar Wald, die nicht abgeholzt wurden, und Hunderten von Trails, die durch diese Wälder führen, die von Bergleuten, Wanderern oder Bikern gebaut wurden. Das Land in Kanada, das dem Staat gehört, nennt man Crown Land: Das ist öffentliches Eigentum, und jeder darf in die Wälder hinein. Viele Trails, die du im Film siehst, sind auf Crown Land gebaut und gar nicht genehmigt worden. Aber die Kommunen erkennen den Wert des MTB-Tourismus und investieren Geld in den Bau von Trails, um Leute von außerhalb der Stadt oder aus anderen Ländern anzulocken. Squamish und Kamloops profitieren schon davon.

world of mtb: Wie viele Trailbauer waren an dem Projekt beteiligt?

Scott Secco: Über 50 Leute haben bei den Arbeiten für den Film geholfen! Gebaut haben vor allem die Athleten selbst, aber glücklicherweise haben auch Freunde und Fahrer aus der Gegend mit angepackt, um die Trails für jedes Segment fertigzubekommen. Jeder Fahrer musste seine eigenen Stunts finden und bauen (außer Chris Kovarik, der ein Rennen in Whistler hatte). Um die Segmente von Brian Lopes und Geoff Gulevichs herzustellen, haben wir Jeremy Witek und Bill McLane engagiert, weil die beiden keine Zeit hatten. Viel beigetragen haben auch Patrick Podolski, Harry Marle und Ryan Banysch.

world of mtb: Ist es normal, dass die Leute Trails bauen, oder ist es nur eine kleine Gruppe von Leuten, die sich da engagiert?

Scott Secco: Das Bauen von Trails ist relativ verbreitet in British Columbia, aber es gibt nur wenige, die sich die Mühe machen, regelmäßig an den Trails zu arbeiten. Meistens eine sehr kleine und eingeschworene Gruppe, die die aktivsten Trail-Fahrer in ihrer Region sind. Im North Shore ist es Digger, in Nelson ist es Mark Holt, auf Vancouver Island ist es Riley McIntosh. Überall gibt es Helden wie diese Männer, die in den Wäldern arbeiten, damit andere ihren Spaß haben.

world of mtb: Welchen Einfluss haben diese Trailbauer auf die Entwicklung des MTB-Sports?

Scott Secco: Sie sind grundlegend für den Sport, ohne sie hätten wir keine Strecken, auf denen wir fahren können. Mit ihren Trails bestimmen sie, wie wir den Sport erleben. Neue Arten von Trails haben zu neuen Bikes geführt, und das hat Fahrern überall neue Möglichkeiten eröffnet. Es fing alles irgendwo an, mit einem Bike, einer Schaufel und einer Vision.

world of mtb: Was war der unvorhersehbarste Umstand?

Scott Secco: Das größte Problem beim Drehen jedes Films, und ganz besonders bei einem MTB-Film, ist das Wetter. Ich habe an sonnigen Tagen stundenlang auf Wolken gewartet (im Wald sollte man drehen, wenn es bewölkt oder neblig ist, denn schlechtes Wetter sorgt für die besten Bilder). Zweimal habe ich dabei die Kamera geschrottet: Einmal hat der Regen sie zerstört und einmal ist das Stativ umgefallen. Es gibt immer Momente, die du nicht planen kannst, du musst es einfach so nehmen, wie es kommt. Mittlerweile weiß ich, dass ich viel besser auf meine Kamera aufpassen muss.

world of mtb: Was war der unvergesslichste Moment (im positiven Sinn)?

Scott Secco: Der Höhepunkt des Films war, zu sehen, wie Athleten ihre Angst überwinden und nagelneue Stunts fahren. Ich habe Fahrer Tricks landen sehen, die sie nie zuvor gemacht haben, und das sind immer sehr schöne Momente. Egal, ob der Fahrer 12 oder 42 ist, es ist ein universelles Erfolgserlebnis nach diesen Augenblicken der Angst. Es ist toll anzuschauen.

world of mtb: Was war es für ein Gefühl, als du den Film das erste Mal auf einer großen Leinwand mit einem großen Publikum gesehen hast?

Scott Secco: Ich wollte einen Film machen, seit ich 2004 „The Collective“ gesehen habe, als ich zwölf Jahre alt war. Ich bin jetzt 23 und träume praktisch seit einem Jahrzehnt davon, meinen eigenen Bike-Film zu drehen. Die „Builder“-Premiere fand beim Sea Otter-Festival in diesem Jahr in Monterey in Kalifornien statt. Meine Eltern und meine Schwester waren von Kanada dorthin geflogen, um dabei zu sein. Es hat mich total nervös gemacht, den Film einem großen Publikum zu zeigen, weil du nie weißt, ob er ihnen gefällt. Ich habe mir den Film während des Schneidens Hunderte Male angeschaut, aber es war cool, die Reaktionen des Publikums auf die Fahrszenen im Film zu hören. Ich war überglücklich, als der Abspann lief und alle applaudierten. Dass meine Familie dabei war, hat es besonders speziell gemacht. Es war der schönste Tag in meinem Leben!

world of mtb: Wie ist das Feedback auf den Film?

Scott Secco: Ich bin überwältigt von den netten Worten, die ich von Freunden und Fremden gehört habe. Ich fühle mich geehrt, dass andere bereit waren, sich 50 Minuten meiner Arbeit anzuschauen, und es war toll, die Leute sagen zu hören, dass es ihnen gefällt. Wenn „Builder“ jemanden zum Fahren, Schaufeln oder Filmen inspirieren kann, bin ich zufrieden.

world of mtb: Welches Fazit ziehst du nach dem Projekt, und was kommt als nächstes?

Scott Secco: Als „Builder“ fertig war, war ich erschöpft, denn ich hatte den letzten Monat gedreht und geschnitten wie ein Verrückter und kaum geschlafen, um ihn rechtzeitig fertig zu bekommen. Als der Film schließlich rauskam, war ich froh, eine Pause zu machen und tatsächlich radfahren zu können! Es war ein super Gefühl, wieder draußen im Wald zu sein, und es hat mich daran erinnert, warum ich den Sport so liebe. Im Moment arbeite ich an ein paar Videos fürs Netz, und dann gehe ich im September wieder zur Uni, um meinen Abschluss als Drehbuchautor zu machen. Ich will auf jeden Fall noch einen Film machen, wenn ich mit der Schule fertig bin. Es wird keine Fortsetzung von „Builder“, aber ich hoffe, es wird cool. Danke für das Interview! Jetzt setzt euch aufs Rad.

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