GT Factory Racing Pilot Martin Maes ist gerade mal 22 Jahre alt – und fährt in diesem Jahr bereits zum siebten Mal bei den Enduro World Series mit. Mit einem klaren Ziel: den Titel. Wir haben mit dem sympathischen Überflieger, der letztes Jahr zudem mit seinem Überraschungssieg beim Downhill-Worldcup in La Bresse Geschichte schrieb, über Enduro-Rennen gesprochen.
Die "Erfolgsformel" von Martin Maes
Bild Boris Beyer
"Weltmeister zu werden ist offensichtlich kein riesiges Ziel für mich. Ich mache das jetzt seit einigen Jahren und jetzt ist es einfach an der Zeit, den Titel zu bekommen."Martin Maes
Mirjam : Martin, deine Saison hätte nicht besser starten können. Das ist deine siebte EWS-Saison, richtig?
Martin : Ja, das war ein großartiger Saison-Start. Ich bin überwältigt und mega motiviert für die restliche Saison. Ich war das erste Mal 2013 dabei, und seither habe ich keine Saison ausgelassen. Ich habe viel dabei gelernt, viele Fehler gemacht, bin gestürzt und habe mich verletzt. Ich habe das Gefühl, dass ich in der aktuellen Saison endlich mein ganzes Potenzial auf den Trails ausspielen kann. Ich habe auch viel mehr Selbstvertrauen. Ich habe das eine Ziel: Weltmeister zu werden. Es ist offensichtlich kein riesiges Ziel für mich. Ich mache das jetzt seit einigen Jahren und jetzt ist es einfach an der Zeit, den Titel zu bekommen. Ich hatte ihn schon mal bei den Junioren, aber das ist nicht das Gleiche. Ich bin sehr motiviert und sehr auf den Titel fokussiert und wenn es 2019 nicht klappt, dann 2020 oder 2021.
Mirjam : Letztes Jahr war dein Plan, die ersten beiden Rennen der EWS und des Downhill Worldcups mitzufahren und dann zu entscheiden, wie es weitergeht. Hast du deine Entscheidung schon getroffen?
Martin : Ja, der Plan hat sich etwas verändert. Ich spreche morgen mit GT und da entscheiden wir es. Ich denke, die Saison fing so gut an, da wäre es nicht so schlau, das Extra-Risiko einer Verletzung beim Downhill in Kauf zu nehmen. Wenn ich mich verletze, ist meine EWS-Saison quasi vorbei. Es ist fast unmöglich, beides auf hohem Niveau zu machen. Ich bin noch ziemlich frisch, aber du verlierst deinen Elan schnell, wenn du Rennen unterschätzt. Wie schon gesagt, ich bin ein bisschen schlauer und mental stärker geworden. Aber ich möchte nicht zu begeistert sein und zu viel machen – und dann alles verlieren.
"Sei du selbst und fahre so, wie du kannst. Es gibt nichts anderes, was du tun kannst als schnell zu fahren und Spass zu haben."Martin Maes
Mirjam: Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Wie bist du zum Biken gekommen?
Martin: Mein Dad war früher selbst professioneller Rennfahrer. Ich habe ihm immer zugeschaut und alles, was ich wollte, war, so wie er zu biken. Meine Eltern haben uns immer total unterstützt, uns die Möglichkeit gegeben, zu biken, erst an Rennen in Belgien teilzunehmen, später in Europa. Und dann wurde ich 2012 bei Atherton Racing aufgenommen. Ich war 15 und in Italien bei einem Rennen, Trophy of the Nations, und wurde Fünfter, direkt hinter Dan Atherton. Und nach dem Rennen kam er zu mir und wir redeten ein bisschen. Damals war mein Englisch nicht mal gut genug für eine halbwegs vernünftige Unterhaltung. Also haben wir nur ein paar Worte gewechselt – und ich fühlte mich großartig (lacht). Ich war immer ein großer Fan von ihm und das war echt intensiv… ja, das ist so in etwa, wie alles anfing.
Mirjam: Wir diskutieren oft über den Charakter von Enduro-Rennen. Von der EWS heißt es immer wieder, dass sie zunehmend schwerer werde. Was denkst du?
Martin: Hm, in den ersten beiden Jahren, 2013, 2014, versuchte der Sport irgendwie seinen eigenen Weg zu finden. Da gab es einige sehr kurze Trails, aber in einem anderen Land, zum Beispiel in Frankreich, dann wieder sehr lange, extrem fordernde Strecken... da kam man an den Punkt, an dem man nicht mehr fahren wollte, weil es einfach zu hart war. Wir hatten das Gefühl, dass wir mehr körperliche Kraft als Technik brauchen. Ich denke, dass der Sport weder einfacher noch härter geworden ist, sondern genau die richtige Menge an Herausforderungen bietet, die wir brauchen, um uns als Enduro-Fahrer zu definieren. Ich galube nicht, dass es noch schwieriger wird, weil man daran denken muss, dass es etwa 400 bis 500 Fahrer gibt, die auf Zeit fahren – und diese Leute arbeiten fünf Tage die Woche. Die EWS-Organisatoren müssen da echt eine gute Balance finden, um alle glücklich zu machen.
Mirjam: Worin liegt für dich die Essenz des Enduro-Fahrens? Worum geht es?
Martin: Beim Enduro-Biken geht es um... puh, schwierige Frage... Ich würde sagen, die Fähigkeit, mit dem Bike schnell in einem Gelände zu fahren, das man nicht unbedingt kennt. Und in dem die Bedingungen stark wechseln können.
Mirjam: Und wie passt du dich in kurzer Zeit an die wechselnden Bedingungen an?
Martin: Ich denke, dadurch, dass ich in Belgien lebe, habe ich gelernt, viel im Nassen und im Schlamm zu fahren. Und ich glaube, wenn man in der Lage ist, bei harten Bedingungen zu fahren, dann kann man in allen möglichen Geländesituationen fahren.
Mirjam: Wie trainierst du für die unterschiedlichen Rennen, Enduro und Downhill?
Martin: Die meisten Leute denken ja, in Belgien sei es bloß flach. Ich ermutige alle Menschen, mal nach Belgien zu fahren und sich selbst ein Bild zu machen. Es ist etwas schwieriger, für Downhill-Rennen zu trainieren, da wir keine sehr langen, ruppigen Strecken haben, auf denen man ein Downhill-Bike voll ausnutzen könnte. Aber wie es aussieht, brauche ich eigentlich nicht viel Zeit auf einem Downhill-Bike, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Und da es gerade nicht mein Hauptziel ist, Downhill zu fahren, mache ich mir da keine allzu großen Sorgen.
Mirjam: Wie gehst du damit um, wenn dir eine Strecke gar nicht liegt?
Martin: Es kommt ziemlich selten vor, dass ich eine Strecke nicht mag. Ich fahre einfach viel zu gerne Mountainbike. Wie auch immer die Strecke oder das Gelände – ich bin happy. Auch wenn es am Ende des Tages nicht meine Lieblingsstrecke war, wir biken... als Job! Ich finde, es könnte nicht besser sein. Ich bin immer extrem positiv und das ist auch ein Schlüssel zum Erfolg – positiv und glücklich zu sein.
Die ersten beiden Rennen der Enduro World Series 2019 in Rotorua, Neuseeland, und Tasmanien, Australien, konnte Martin Maes bereits für sich entscheiden. Bild Enduro World Series
Ob er dieses Jahr den ersehnten Gesamtsieg holen wird? Die nächsten Rennen finden in Europa statt, bevor es über Kanada und die USA zum Finale nach Zermatt in die Schweiz geht. Bild Sven Martin
Letztes Jahr schrieb Martin Maes mit seinem Überraschungssieg beim UCI Downhill World Cup in La Bresse, Frankreich, ein Stück Bike-Geschichte.
Wenig später verpasste er bei der Downhill-Weltmeisterschaft in Lenzerheide, Schweiz, ganz knapp den ersten Platz – nur Loïc Bruni war schneller.
Mirjam : Gibt’s denn Momente der Angst in einem Rennen oder im Zusammenhang damit?
Martin : Oh ja, es gibt zumindest immer wieder Momente, in denen man an sich selbst zweifelt. Habe ich genug getan? Bin ich wirklich bereit, um auf höchstem Niveau zu konkurrieren? Und auch am Renntag hat man echt das Gefühl, dass man hart arbeitet, denn es gibt viel mehr Druck, als die meisten Leute sehen. Du hast die Sponsoren, die Marken, die ziemlich viel in dich investieren und du willst einfach alles geben, um das zurückzugeben, was der Sponsor dir gibt. Ich fahre seit über sieben Jahren für GT und es fühlt sich wie eine Familie an und ich möchte einfach, dass sie am Ende des Tages glücklich sind.
Mirjam : Was machst du kurz vor dem Rennen?
Martin : Ich bin da mit den Jahren besser geworden… Es gab Zeiten, wo ich ein paar Nächte vor dem Rennen nicht schlafen konnte. Ich habe mich sehr gestresst. Schlussendlich sage ich mir vor dem Rennen und vor der Startlinie: Du hast einen gewissen Ruhm erlangt, aber am Ende des Tages fährst du einfach Fahrrad. Und du hast genug trainiert. Und du hast die Fähigkeiten, das zu tun. Und Stress und nicht schlafen helfen nicht. Sei du selbst und fahre so, wie du kannst. Es gibt nichts anderes, was du tun kannst, als schnell zu fahren und Spaß zu haben.
Mirjam : Was würdest du Neulingen für die EWS oder ein anders Enduro-Rennen raten?
Martin : Tue das, was du immer getan hast. Fahre nur aus Spaß, sei klug, fahre nicht, wenn du krank bist. Aber vor allem: Genieße es und denke nicht zu viel nach! Setz dich nicht zu sehr unter Druck. Wenn es nicht dein Ding ist, Rennen zu fahren, wirst du nicht gut darin sein. Vertraue einfach darauf, was du tust, deinem Kopf, deinen Fähigkeiten und sei einfach happy und viele Dinge kommen von alleine.
Mirjam : Wie erholst du dich zwischen den Rennen?
Martin : Wenn du unterwegs warst, bist du extrem müde, besonders nach einer so langen Reise, wie jetzt nach Neuseeland und Tasmanien. Du kommst nach Hause und der Druck lässt nach. Es dauert einige Tage, bis du dich erholt hast. Ich verbringe sehr gerne viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden und mache verschiedene andere Sportarten. Ich bin überzeugt, wenn du in der Lage sein willst, schnell zu biken, musst du auch mental glücklich sein. Ich laufe viel, fahre viel Motocross. Ich versuche, mein Enduro-Bike zwischen den Rennen in der Garage zu lassen. Wenn ich dann beim Rennen bin, bin ich erholt und freue mich darauf, wieder Enduro zu fahren.
Mirjam : Und zu guter Letzt: Welchen Trail in Belgien sollte man unbedingt gefahren sein? Hast du eine Empfehlung?
Martin : Ja, natürlich! In Chaudfontaine, das ist gerade mal zehn Minuten von meinem Haus entfernt, gibt’s ein paar Downhill-Strecken, die sind sehr felsig und steil. Die Trails sind nicht sehr lang, aber lang genug, um zu trainieren und viel Spaß zu haben. Das ist nicht weit von Lüttich. Da gibt’s viel. Ein großes Waldgebiet mit vielen guten Trails – so viele, dass ich dir nicht alle aufzählen kann.
Das müssen wir uns wohl selbst mal anschauen! Danke dir für deine Zeit, Martin!