Gasteiner Tal – Erst die Alm, dann die Wellness

Text Hanna Röther Bild David Schultheiss
Reise

Zwischen den unterschiedlichsten Welten liegen manchmal nur wenige Kilometer Luftlinie.

 

Ich lasse mich im heißen Thermalwasser der Gasteiner Alpentherme treiben, der Wasserdampf steigt um uns herum in den trüben Himmel eines verregneten Sommertages empor. Im Gesicht prickelt die kalte Luft auf der Haut. Mehrere Saunagänge liegen bereits hinter uns. Vom Kräuter- bis zum Bieraufguss haben wir unsere vom Biken und Reisen ausgezehrten Körper verwöhnt, aus unterschiedlichen Heilquellen getrunken, in Wasserbetten gedöst. Hier im Außenbereich der Therme tauchen wir nun in das berühmte Gasteiner Thermalwasser ein, das durch seinen Anteil an Radon, einem Edelgas, besonders gesundheitsfördernd sein soll. Bereits seit dem Mittelalter schätzen Menschen die wohltuende Wirkung des Wassers, erste Zeugnisse über seinen medizinischen Nutzen stammen aus dem Jahr 1350. Seitdem haben viele Adlige, Gelehrte und Künstler lange Reisen auf sich genommen, um in dem Wunderwasser zu baden. Während früher das Wasser in großen Bottichen auf Pferdekutschen zu den Unterkünften gebracht wurde, haben wir es heute einfacher und können unseren Wellness-Tag in der großzügigen, modernen Anlage verbringen. Hier sind Spaßbad mit Rutschen (Freefall-Rutsche mit Zeitmessung inklusive!), Saunalandschaft und Thermalbad vereint, doch das Highlight ist das Becken mit heißem Wasser im Freien. Hier lässt es sich tiefenentspannt auf das Gasteiner Bergpanorama blicken, das in Wolken gehüllt daran erinnert, dass auch alles ganz anders sein kann.

 
 

Nieselregen und Kälte

Zehn Stunden früher am Tag. Kalter Nieselregen schlägt uns ins Gesicht. Die Fingerspitzen sind bereits zu Eisklumpen gefroren. Die Kälte nagt sich langsam aber stetig in die tieferen Lagen unserer Funktionsbekleidung vor. Doch das Schlimmste ist nicht das Frieren, sondern der Frust darüber, dass unser eiserner Optimismus so gnadenlos enttäuscht wurde. Trotz schlechter Wetterprognosen brachen wir um fünf Uhr morgens auf, in der Hoffnung, auf dem Gipfel des Wetterkreuzes wenigstens ein paar Sonnenaufgangsstrahlen und damit gute Fotos einfangen zu können. Da stehen wir nun, durchgefroren im Regen auf dem Gipfel. Geknickt treten wir die Abfahrt an. Während ich noch über die unmenschliche Uhrzeit fluche, bei der wir eigentlich noch gemütlich im Bett hätten liegen können, taucht hinter der nächsten Kurve die Biberalm auf und lockt uns mit einem Dach zum Unterstellen an. Es ist kurz nach sechs und Biker sind wahrscheinlich das Letzte, womit die Almleute gerechnet hätten. Wir dagegen sind überrascht über den Betrieb, der hier bereits herrscht. Senner und Wirt sind hochmunter und zeigen uns die Käsekammer, in der die kostbaren Laibe, Früchte schweißtreibender Plackerei, vor sich hin reifen. Gegen ihre harte Arbeit sieht unser frühmorgendliches Fotoshooting auf einmal ganz schön weich aus. Auch wenn der technische Fortschritt manche Arbeitsschritte auf der Alm vereinfacht hat – vieles wird hier noch wie vor Jahrhunderten verrichtet. Besonders auf den sogenannten Käse- oder Senneralmen, auf denen die Milch der dort gehaltenen Kühe direkt weiterverarbeitet wird, ist der Arbeitsaufwand für ihre Betreiber enorm. Zweimal am Tag Melken, die Butter- und Käseproduktion in Handarbeit, die Pflege des Viehs und alle weiteren Arbeiten um das Haus füllen den Tag restlos aus. Auf einmal ist die Kälte gar nicht mehr so unerträglich und die Müdigkeit halb so wild – angespornt von so viel Tatkraft wird die Abfahrt doch noch zu einem Highlight.

Der Bikeladen der Eckschlagers umfasst historische Zeugnisse.

In Bike-Gastein

Die Biberalm ist, allerdings zu humaneren Uhrzeiten, auch das Ziel einer Tour, die Andrea Eckschlager ihren Gästen bietet. Die sportliche junge Frau empfängt uns im Bike-Gastein, dem Fahrradladen, den ihr Vater bereits seit 1975 betreibt. Neben Verkauf und Reparatur halten die beiden auch eine große Leihbikeflotte bereit, vom Trekking- bis zum E-Bike ist alles dabei. Andrea war schon auf der halben Welt biken, neben einer Karriere als Snowboarderin hat sie auch Guiding-Erfahrungen auf La Palma gesammelt – dennoch hat es sie nun zurück ins Gasteiner Tal und den Laden ihres Vaters verschlagen, um die gesammelten Erfahrungen in der Heimat umzusetzen. Hier bietet sie nun ein umfangreiches Touren- und Fahrtechnikprogramm an. Für Einsteiger gibt es Trekkingtouren, für die Geübten eine Bike- and Hike-Kombination, bei der beim Erklimmen des höchsten Grasbergs Europas, dem Gamskarkogel, 2.000 Höhenmeter überwunden werden. Unterwegs kann auf einer Hütte übernachtet werden, „bei traumhaften Sonnenauf- und Untergängen“, schwärmt Andrea.

Zwei Welten im Salzburger Land

Doch der Regen nimmt heute kein Ende, und so verschlägt es uns schließlich in die besagte Alpentherme. Am späten Nachmittag liegen wir in dicke Frotteebademäntel gehüllt auf den Liegestühlen vor der großen Fensterfront. Wieder gibt ein Loch in den Wolken den Blick auf die Talwände des Gasteiner Tals frei, kleine Punkte, möglicherweise Almhütten, lassen sich ausmachen. Bereits um 1700 v. Chr., so haben Ausgrabungen im Dachsteingebirge ergeben, siedelten Menschen im Salzburger Land in die Höhen über und betrieben Almwirtschaft. Die Gasteiner Quelle ist bereits im XIII. Jahrhundert in einem Minnelied dokumentiert. Beide Welten existieren schon seit Jahrhunderten auf engstem Raum nebeneinander, und doch gab es mit Sicherheit wenig Berührungspunkte. Wie viele der malochenden Almleute kamen wohl in den Genuss, in die heiße Quelle im Tal zu springen? Ein Hoch auf die heutige Zeit, in der sich beide Welten für uns Biker so fabelhaft ergänzen.

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