Bike Hochzeitsreise Teil II

Text Frank & Monika Eggert Bild diverse
Geschichten

Rennkommunikation…

In Vorbereitung auf unser erstes Etappenrennen als Zweier-Mixed-Team im Himalaya stehen wir plötzlich vor dem Problem, dass wir kommunikationsmäßig leider nicht kompatibel sind. Diese Erkenntnis kam für uns beide überraschend, waren wir doch bereits seit über neun Jahren ein Paar. Nun sind wir schon so viele Touren, CTFs, RTFs und Stundenrennen gemeinsam gefahren, aber noch nie mussten wir zwanghaft und engstens zusammenbleiben.

Aus der Ausgabe 11.16

 
 

Bei unseren ersten Versuchen, in einem Rennen auf Gedeih und Verderb eng zusammen zu bleiben, fielen zwischendurch schon mal Sprüche wie: „Mach mich jetzt bloß nicht blöd an!“ oder „Lass mich jetzt einfach in Ruhe!“ oder „Wenn du nicht mehr kannst sag nicht ‚kürzer‘ sondern bleib einfach an meinem Hinterrad!“…Hä? Was war da plötzlich los?
Noch ein Beispiel aus einem Marathon, den wir zusammen bestritten:
Wir brettern am Anschlag durch die Wälder. Das Rennen läuft super, von hinten vernehme ich stückchenweise Monis leise Stimme; „Fr..k ha.t du ge..hen da w.r ein Sch..d nach r.ch.s?“
Ich rufe: „Was?“
Moni diesmal mit einer etwas festeren, aber noch immer auf Harmonie bedachten, freundlichen Stimme: „H..t du das S…ld gese..n, wir hät..n nach re..ts gemu..t!“
Mann, Mann, Mann, denk ich mir. Kann die Madam nicht mal deutlicher und lauter reden? Ich drehe mich auf dem Bike kurz um und brülle: „WAS IST LOS?!?!!?“
Moni, nun mit lauter und plötzlich eingeschnappter Stimmlage: „Brüll mich nicht so an!“
Ich koche innerlich, und rufe: „Ich brülle nicht, ich bin sachlich LAUT! Was wolltest du?“
Moni: „WAS?“
Ich: „Vergess es!“
Moni: „Bist du dir sicher?“
Ich: „Mit was denn?“
Moni: „Mit dem Weg!“
Ich: „Ja, warum denn nicht?“
Moni: „Was?“
Ich, volle Lautstärke: „Warum sollte ich mir nicht sicher sein?“
Moni in ihrer besten Besserwisserstimmlage: „Weil du an dem Schild mit dem Pfeil nach rechts vorbei gefahren bist!“
Ich gehe in die Eisen: „Vielleicht bin ich vorbeigefahren weil du mich vollgetextet hast und ich dadurch abgelenkt war? Schon mal darüber nachgedacht?“

Moni
Gefrustet darüber, dass wir, die auf dem Rad als Team eigentlich supergut harmonieren, uns plötzlich anzicken, beschloss Frank mal wieder die Hardcorevariante. Er meldete uns zur Beskidy Trophy an, mit dem Ziel, dass wir bis auf die Sekunde genau zusammen ins Ziel fahren. Theorie trifft auf Praxis, Praxis trifft auf Entwicklung, Entwicklung trifft auf Erfolg - so einfach der Masterplan. Welch schonungsloser Seelenstreaptease hinter diesem kleinen Fahrplan stand, war mir allerdings dann doch nicht bewusst…

Frank
Hin und wieder muss man Berufliches ins Private adaptieren. Also wurden im Hinterstübchen die Grundpositionen der Sach- und Beziehungsebene ausgekramt. Beziehungsdefinitionen helfen dabei, Ursachen für Fehlinterpretationen in der Kommunikation zu erkennen und zu entkräften. Man muss sich darüber klar werden, dass der Partner die Kommunikationsreize aus dem nichtsprachlichen Bereich nicht wahrnehmen kann, wenn er hinter einem fährt und einem auf den Rücken schaut, ebenso geht es auch dem Vorausfahrenden. Es fehlen also Mimik, Gestik, Blickkontakt und vieles mehr. So kann ein sonst normaler Tonfall plötzlich als laut und aggressiv wahrgenommen werden, vor allem wenn man am körperlichen Leistungslimit fährt.
Wichtiger ist aber zu erkennen, dass man zusammen im Team fährt. Dies zu akzeptieren ist die absolute Grundvoraussetzung; nur so kann man zur Beziehungsebene „Ich okay, du okay“ kommen. Dahinter steckt die Erkenntnis: Egal was passiert, keiner macht es mit Absicht und wir müssen das Problem gemeinsam lösen – zu unserem gemeinsamen Wohl, um gemeinsam unser Ziel zu erreichen.

Das fordernde Gelände und die Belastung bei der Beskidy Trophy erfordern eine gute Kommunikation

Die Stimmung während des Rennens war grandios, ebenso wie der Austausch

"Schade, dass Kommunikation nicht immer so einfach sein kann. Unser neues Zauberwort war `Kukuu`"

Moni
Kurz vor der Beskidy kommt ein Paket mit vielen unterschiedlichen Pfeifen bei uns an. Ich frage Frank was das soll. Er meint nur: Notfallkommunikation.
Bei der Anfahrt nach Polen geht dann die gegenseitige Fragerunde los. Was hast du damals gefühlt, warum hast du so reagiert, wieso hat dich das genervt, wie hättest du gerne, dass ich reagiere, warum, warum, wieso, warum, warum, … Viele Antworten, viele neue Ansichten und die Erkenntnis: auch wenn man (frau) es nicht wahrhaben will, selten ist an einem persönlichen Unwohlsein der Teampartner alleine der Verursacher. Ich empfinde kurze Kommandos als unhöflich, Frank als zweckmäßig. „Mach mal bitte vorne kürzer“, empfindet Frank als unnötig lange Kommunikation in einem Rennen, er sagt, „kürzer“ sei Aussage genug. Nachdem wir nun unsere jeweilige Gefühlslage bei einem solch einfachen Kommando geklärt haben, fällt uns einiges einfacher. Aber man muss sich auch einig sein: dies oder jenes gilt nur während eines Wettkampfes.

Frank
Wir stehen also im Startblock in Istebna (Polen), jeder ausgestattet mit einer 125 Db-Notfallkommunikations-Verständigungs-Pfeife und sind bereit, die ersten 69 Kilometer mit 2.550 Höhenmetern zu rocken. Doch schnell zeigt sich: Theorie und Praxis sind zwei unterschiedliche Angelegenheiten. Bei Anstiegen oder auf einfachen Geraden mit nur wenigen Leuten um uns, da klappt es eigentlich gut. Aber auf den Trails und Abfahrten oder in den ersten Kilometern mitten im Fahrerfeld können wir uns nicht richtig verständigen. Und sich nach seinem Hintermann umdrehen kann hier schlimme Folgen haben. Wir beschließen, wie in „Die Götter müssen verrückt sein“ statt mit Kommandos und Worten mit „Lauten“ zu kommunizieren.

"urz vor der Beskidy kommt ein Paket mit unterschiedlichen Pfeifen bei uns an. Frank meint nur: Notfallkommunikation."

Moni
Schade, dass Kommunikation nicht immer so simpel funktionieren kann! Unser neues Zauberwort bzw. unser neuer Zauberlaut war „Kukuu“. Kukuu stand plötzlich für alles: für „schneller“, für „kürzer“, für „bin dran“, für „bin da“, für „da sind zwei Fahrer zwischen uns“. Wir lachen und haben Spaß mit unserem neuen Zauberwort und ruckzuck ist die erste Etappe vorbei. Im Ziel steht eine Gruppe Fahrer, die oft in unserer Nähe war und als wir vorbei fahren, hören wir nur „Kukuu, Kukuu!“.

Frank
Tag zwei, Tag der Königsetappe, Tag des ultimativen Crosstriathlons: fahren, schieben, tragen, fluchen, tragen, fahren, schieben (fluchen haben wir hier mal nicht als Disziplin gewertet), und das über 84 Kilometer mit 2.775 Höhenmetern.
Über Nacht haben wir unser Kukuuuisch weiter verfeinert. So hat in einer Abfahrt der Hintermann mit einem „Kukuuu“ zu antworten wenn der Vordermann „Kukuuu“ ruft. Sollte sich ein Fahrer zwischen uns drängeln, so hat der Hintermann entsprechend zu reagieren und mit einem „Kukuuu kukuuu“ mitzuteilen: „Achtung, zwischen uns ist ein Fahrer.“ Der Vordermann wiederum bestätigt dies mit einem „Kukuuu“. Und nun schließt die Augen und stellt euch mal eine schwere steinige brachiale Abfahrt vor. Ihr fahrt von hinten auf ein Pärchen auf und überholt die Frau und sofort setzt um euch herum ein „Kukuuu kukuuu“ „Kukuuu“ ein. Jetzt wisst ihr ungefähr, wie sich die Fahrer um uns herum gefühlt haben.

Aufgabe gemeistert und nun sind wir bereit für die Herausforderung im Himalaya.

Moni
Etappe drei: 69 km und 2.534 Höhenmeter. Im Höhenprofil ist nur ein echter Berg erkennbar. Den Ritt über dessen Höhenkamm verbuchten wir im Vorfeld unter dem Motto „Mal schauen, wo wir dann Mittagessen gehen.“ Unsere Kommunikation funktionierte immer besser und verfeinerte sich wie von allein. Fotostopps und ausgedehnten Pausen an den Verpflegungsständen, an denen Frank anscheinend versuchte, sein Startgeld wieder reinzufuttern, rundeten unser Erlebnis ab und ließen so manchen Fahrer kopfschüttelnd oder grinsend an uns vorbei fahren.

Frank
Etappe drei und Mittagessen, haha. Bei Kilometer 34 waren wir schon nach zwei Stunden oben auf dem vermeintlichen Berg. Es sollte weitere zwei Stunden dauern, bis wir bei Kilometer 48 in eine Melone beißen durften und weitere zwei Stunden, um in den Genuss der Zielbrötchen zu kommen. Kukuus waren keine nötig, so wie wir über die Strecke krochen, bei 30 Grad.

Moni
Obwohl wir auch Tag 4 absolut gemütlich angingen, forderten die 72 Kilometer mit 3.034 Höhenmetern einfach alles von mir. Frank war super drauf und ich musste erstmals „kürzer“ rufen und Frank bestätigte sofort mit einem „kukuu“!

Frank
Wir haben auch die letzte Etappe zusammen verbracht, ohne Streit, ohne Diskussion und wir sind niemals mit mehr als einer Sekunde Abstand durch eine Zeitkontrolle gefahren und im Ziel nach 4 Tagen sind wir fast bis auf die Hundertstelsekunde zeitgleich.
Unsere Leidensgenossen in unserer Beskidy-WG samt Megabetreuerin Kathrin haben dieses Event zu etwas werden lassen, für das es keine Worte gibt. Wir werden im Alltag noch lange vom Abenteuer „Beskidy Trophy“ zehren können.
Nun fühlen wir uns bereit, unsere neue Weltsprache Kukuuisch nach Indien zu exportieren. Bleibt mir nur noch Moni zu beichten, dass ich noch nie mit einem Flugzeug geflogen bin…

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