Theodor Christomannos hat dem einst eher armen Welschnofen im Eggental endgültig eine Zeitenwende verpasst. Sein Plan: Sommerfrische auf Kaiserinnenart. Sisi war hier. Und angeblich Karl May. Sigmund Freud wohl ohne seine Gänse, Winston Churchill, auch hier dem Sport völlig abgeneigt. Rund um das Grand Hotel am Karerpass in Südtirol entstanden Hunderte Kilometer an Wegen und Pfaden, denn wandeln sollte und wollte man die feine Gesellschaft lassen. Heute die Grundlage für ein einmaliges Mountainbike Revier.
Der Bürgermeister als Bike-Verfechter
Dolomitenglühen
Es ist dieser eine Moment. Wenn der Tag langsam geht. Die Farben wärmer und wärmer werden. „Rosadira“ nennen sie dies hier. Das berühmte Dolomitenglühen kann keiner besser als der Rosengarten, der hier als Wahrzeichen über der Region Dolomiten Eggental thront. Schräg gegenüber und nicht minder eindrucksvoll: Latemar. Das Meer von Milch. Das bleiche Gegenstück also. Dazwischen ein noch unentdecktes Bikeparadies. Mit einer frisch bemalten Tabacco-Karte, einer Vielzahl Tipps von einem der Aktivposten der Mountainbikeentwicklung in der Region machen wir uns auf den Weg.
Am Fuße des Rosengarten
Beziehungsweise erst einmal ganz gemütlich nach oben. Die Welschnofener Gondel bringt uns aufs Hochplateau, direkt am Fuße des Rosengartens. Wir schauen uns heute gleich eine ganze Handvoll Trailtouren an, die wir direkt von der Bergstation aus angehen. Links herum über den Nigerpass, rechts herum über überraschend anspruchsvolle Passagen, vorbei an Almen und Berggasthöfen. Am Ende jedes Trails stehen wir wieder an der Talstation der Bergbahn.
Das Eggental: Eine Mountainbike-Heimat
„Und? Geht’s noch auf Tour heute?“ Der freundliche Mann stellt sich später als der Herr Bürgermeister heraus. Ein Bürgermeister, den wir uns am liebsten für drei Jahre in unsere oberbayerische Verstocktheit ausleihen würden, er lehnt aber mit Verweis auf die Schönheit seiner Heimat dankend ab. Sie stehen hier hinter dem Plan, die Region als Mountainbike-Destination zu entwickeln. Ein aktiver Ski-Weltcupläufer ist die treibende Kraft hinter dem Bau des erst jüngst eingeweihten „Carezza-Trails“, dem wirklich spaßigen Flow-Trail direkt unter der Seilbahn. „Wir müssen gemeinsam an den Lösungen arbeiten, Verbote bringen da nichts.“ Und so erzählt man sich, dass der Herr Bürgermeister gar selbst aufs Bike stieg, seine Wege abfuhr und vereinzelt aufgehängte Bikeverbotsschilder eigenhändig abmontierte.
Latemar Umrundung
Krönender Abschluss unserer Tage im Eggental ist die Latemar-Umrundung. Wir queren im warmen Vormittagslicht hinüber an den Karerpass und über technisch feine Trails ins Fassatal. Die Enduro-Variante der Tour um den Latemar lässt uns oberhalb von Moena (Tipp: Hier ist eine Polizeischule angesiedelt und die Attraktivität italienischer Politessen in Ausbildung lässt einen das fast tägliche Verkehrschaos in einem ganz anderen Licht sehen) einen Abstecher zum Lusia-Pass machen. Hier führt ein Trail in die absolute Einsamkeit und in der Folge wieder zurück ins Fassatal. Zwei Sessellifte später kurbeln wir vorbei an den Orten Eggen und Obereggen direkt zu dem bekanntesten Pfützerl Bergsee, das die Region zu bieten hat. Im tiefgrünen Wasser des Karer Sees spiegelt sich noch einmal das Latemar-Massiv.
Ich sitze nach Tagen in diesem für mich bis dato völlig weißen Fleck BikeLandKarte vor dem Ladritscherhof und weiß: In diesem Moment hab ich auch kulinarisch meinen Lieblingsort gefunden. Hausgemachtes, eine Aussicht zum Niederknien und zum Abschluss im Sonnenuntergang ein Sorbet von Waldbeeren. Gegenüber die Latemar-Gruppe. In diesem Moment erglüht sie tiefrot, nur wenige Minuten lang. Auch das Milchmeer kann also Rosadira.