Zwölf Uhr. Ein gewaltiger Glockenschlag erfüllt vibrierend den Gipfel des Kronplatzes. Die Menschen halten inne am 2.275 Meter hohen Gipfelplateau. Wie automatisiert führt der erste Schritt am Gipfel stets zur Friedensglocke Concordia 2000. Sie markiert den höchsten Punkt und ist dem Heiligen Sankt Bernhard gewidmet, dem Schutzpatron der Alpenbewohner und aller, die dem Bergsport huldigen.
Die Legende
Prima! Unserer Abfahrt über den legendären Herrnsteig steht sogar himmlischer Beistand zur Seite. Nur zu waghalsig sollte es nicht werden, meinte Papst Pius XI., als er die apostolische Botschaft zur Verehrung des Schutzheiligen verkündete. Also Contenance, liebe Biker! Nicht über eurem Limit fahren und die Protektoren angelegt! Der Herrnsteig verleitet zum Gasgeben, dazu, sich schier in einen Rausch der Sinne zu biken. Acht Kilometer und 1.300 Tiefenmeter – richtig gelesen! –, eintausenddreihundert Meter feinster Trail. Nicht ohne Grund ist der älteste angelegte Freeride-Trail der Alpen mittlerweile zur Legende avanciert. In schier endlosen Kurven schlängelt sich der angelegte Bike-Trail vom Gipfel bis zur Talstation in Reischach.
Wir machen uns bereit für die Abfahrt. Wie Kinder freuen wir uns, als wir neben einem der Bergrestaurants die riesigen Trampoline entdecken. Das macht wach vor der Abfahrt und ist dazu eine super Aufwärmung. Kaum entdeckt, springen und albern wir bereits auf dem Spielplatz herum. Im Hintergrund erheben sich schroff die Gipfel der Kreuzkofelgruppe. Der Piz da Peres ist zum Greifen nah, das Gebiet des Naturparks Fanes-Senes-Prags ist magisch.
Drei verschieden angelegte Trails mit ebenso vielen verschiedenen Charakteren befinden sich direkt am Erlebnisberg Kronplatz. Der Furcia-Trail führt super flowig zum Furkelpass in den ladinischen Teil Südtirols. Der Start befindet sich direkt am Messner Mountain Museum. Das Panorama ist überwältigend: Geislerspitzen, Peitlerkofel, Kreuzkofelgruppe bis hinüber zu den Gletschern der Marmolata – der heiße Tipp für den besten Sunset-Ride. Zur Aufwärmung vor einem Ritt auf dem Herrnsteig ist dieser Trail ebenfalls sehr zu empfehlen. Er ist leichter und mit seinen riesigen Anliegerkurven so flüssig fahrbar, dass man kaum in die Bremsen greifen muss. Ist dieser Trail zu schwierig? Dann ab auf den Gassl-Trail! Mit über acht Kilometern Länge und ganzen 1.160 Tiefenmetern ist er der längste Trail am Kronplatz. Sanfte Kurven und wenig Steilheit charakterisieren ihn und bieten ein tolles Warm-up für die nächste Steigerung.
Wer sich nun bereit fühlt für den Herrnsteig, kann sich auf etwas gefasst machen. Im oberen Teil macht er mit leichten Sprüngen, Anliegern und schnellen Querungen schon richtig Laune. Die Aussicht auf den Alpenhauptkamm im Norden und das breite, 1.300 Meter tiefer liegende Pustertal ist gigantisch! Sobald man den Wald erreicht, wird es verspielter. Kleine Sprünge, enger werdende Anlieger, Drops und Steilpassagen erinnern teilweise mehr an einen Naturtrail als an eine gebaute Freeride-Strecke. Trotzdem lässt die klassische Abfahrt noch viel Flow aufkommen! Die Varianten „Hans“ und „Franz“ geben der Abfahrtsgaudi erst die richtige Würze. Steile Kurven, Wurzelpassagen, ganze Reihen hintereinander liegender Drops und dann die eng stehenden Bäume – hier werden Freeride-Träume wahr!
Am Ende noch etwas Flow gefällig? Bei „Sigi“ surft man in herrlichen weiten Anliegerkurven zum Abfahrtsziel in Reischach hinab. Achterbahn-Feeling! An der Kronplatz 2000 angekommen, schlagen wir ab. Ein breites Grinsen zieht sich bis zu den Ohren. Auf zur Seilbahn – die nächste Abfahrt wartet! Seid ihr prinzipiell eigentlich auch gegen die Benutzung von Liften? Mein Tipp als einer, der zu stolz ist, den Lift zu benutzen: Die Stimmung am Gipfel ist zum Sonnenaufgang besonders schön und nur 1.300 Höhenmeter von Reischach entfernt. Danach ist die Seilbahn völlig okay fürs Gewissen.