Wer kennt die besten Trails des Wallis?

Text Anna Weiß Bild Andreas Meyer
Geschichten

Weder Strava noch komoot: sondern die Locals!

Ein super Deal für Kurzentschlossene: Der Indian Summer ist laut Aussagen der Locals die schönste Zeit im Wallis. Zu dieser Zeit stehen die Lärchen vor den scharfen Spitzen der Walliser 4.000er in Flammen, die in der glasklaren Luft noch mächtiger wirken als sonst. Noch bis 18. Oktober 2020 können spontane Biker*innen ein Top Angebot buchen: „Best of Valais with a guide“. Das world of mtb Team war im Sommer vor Ort, um das Angebot in der Feriendestination Grächen oberhalb des Mattertals zu testen…

 
 
Wer kennt die besten Trails des Wallis Odilo Imboden

Swiss Cycling Guide Odilo Imboden vom "ONE Bikes & Boards" Shop in Grächen erwartet uns schon.

Walliser Viertausender vs. Walliser Understatement

„Wir Walliser üben uns gern in Understatement“, lacht Berno Stoffel. „Da hat unsere Region auf engstem Raum extrem viel in petto – die höchsten Berge der Alpen, Trails mit Gletscherblick, Touren durch wilde, unerschlossene Täler oder die höchsten Rebberge Europas. Und was machen wir? Schauen voller Wehmut hinüber in das selbsternannte „Home of Trails“ nach Graubünden, anstatt uns auf unsere Stärken zu besinnen.“ Damit soll nun Schluss sein. Der Tourismusverantwortliche der Feriendestination Grächen erklärt uns beim hervorragenden „Homemade Iced Tea“ auf der Terrasse des Aktiv Hotel & Spa Hannigalp die Bike Strategie des Wallis. Ein Teil davon ist „Best of Valais with a guide“ – das Angebot, das world of mtb Testchef und Bike Guru Matthias und ich testen dürfen. 15 Walliser Regionen haben sich zusammen getan um gemeinsam mit den lokalen Bikeguides ein einfach zu buchendes Paket zu kreieren. Die Idee: Die Highlights der jeweiligen Region, serviert auf dem Silbertablett. Keine lange Recherche - Buchen mit einem Klick: das Amazon Design der Bikewelt. Nur halt im Gegensatz zum Konsumgüterriesen nicht contra, sondern “pro Local”. So einfach zu buchen wie genial – und so misstrauisch sind wir.

Wer kennt die besten Trails des Wallis 1

Mountainbike Guide Odilo Imboden ist gern mit Gästen unterwegs - noch lieber aber mit seiner Viszla Hündin Nera beim Bikebergsteigen.

Unser Swiss Cycling Guide stellt sich vor

Dem muss man vorausschicken: Bei Guides sind wir immer etwas skeptisch – alte Berufskrankheit. Schon oft haben wir dauersendende Entertainer, selbstverliebte Selbstdarsteller oder ziemlich verplante Gesellen erlebt. Unser Anspruch ist hoch. Doch schon als wir „unseren“ Walliser Guide via Facebook gestalked haben, konnten wir beruhigt aufatmen: Auf Bildern trägt er sein Pivot auf schroffe Berggipfel, fetzt mit seiner Vizla Hündin Nera über ausgesetzte Pfade oder verschneite Bergflanken und liebt an seiner Bike Region „die majestätischen Gipfel, epische Singletrails und die einsame Bergwelt.“ Zudem ist er einer von circa 450 vom Verband Swiss Cycling ausgebildeten Bike Guides. Als der 57-jährige dann zu uns stößt, verschlägt es uns für einen Augenblick den Atem. Jetzt ziehen die Grächener aber alle Register: Gandalf wird uns morgen guiden?! Nicht nur der exotisch klingende, althochdeutsche Name („der Reiche“), auch Odilos wallende graue Haarpracht erinnern uns an den Zauberer aus J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“. Für uns Mittelgebirgsbewohner zieht er bei der gemeinsamen Tourenplanung gleich ein paar Trümpfe aus dem Ärmel. Für die müssen wir allerdings früh aufstehen. Gerade noch reicht es für einen Apéro im Whirlpool. Barrhorn und die zwei Viertausender Bishorn und Weißhorn grüßen von der gegenüberliegenden Talseite.

Wer kennt die besten Trails des Wallis_Steinbock

Völlig relaxed trottet der junge Steinbock auf uns zu.

Wer kennt die besten Trails des Wallis_Steinboecke

Welch eine Steinbock Schönheit!

Gämsen und Steinböcke beobachten im Wallis

Lange vor Sonnenaufgang schälen wir uns aus den Betten. Die Seilbahn schenkt uns 1.000 Höhenmeter bis zur Bergstation Hannigalp, von wo es noch ein paar Höhenmeter bis zur Chleini Furgge zu treten sind. Odilo hatte uns bereits zum Frühstück ein paar Highlights versprochen. Eines davon nähert sich uns gerade im Zwielicht. Ein junger Steinbock! Da! Noch einer! Und Gämsen! In den felsdurchsetzten Osthängen des Wannihorns nehmen sie genau wie wir ihr struppiges Z’morgä ein – und wenig bis gar keine Notiz von uns. Sie halten es wohl mit Karl Valentin: Menschen – „Nicht mal ignorieren.“ Auf unserem Findling unter den Ausläufern des „Wannihoru“ sitzend und unseren Espresso genießend spannt sich der Blick, sofern die Wolken die Aussicht freigeben, über Simplonpass im Osten und über Nesthorn und Bietschhorn im Norden bis hin zum Schwarzhorn im Westen.

"Einvernehmlich frühstücken Steinböcke, Gämsen und wir nebeneinander."
Wer kennt die besten Trails des Wallis Bike Coffee

Ein Nobelpreis für die Suonen

Einmal mehr zeigt sich der Vorteil von #ridewithguide: keinerlei Verzögerung beim Suchen nach dem richtigen Weg! Einfach Bremsen auf und dem Local hinterher, der auch diejenigen Pfade kennt, die in keiner Karte verzeichnet sind. Über zahlreiche Wurzeln und Felsbrocken spielen wir durch einen lichten Arven Föhren Wald der laut Odilo „im Herbst nur so in Flammen steht“. Wie ein Flummi zieht Matthias an jedem Stein, jeder Wurzel ab. Die letzten Meter folgen wir der Original Strecke der Marathon WM entlang der Eggeri Suone. Als Suonen werden die historischen Wasserleitungen der Walliser bezeichnet. Bis zu 600 dieser durchschnittlich fünf bis 10 Kilometer langen Ingenieursmeisterleistungen finden sich noch im Wallis, sie gelten als Wahrzeichen des Kantons. Da die bis zu 4.600 Meter hohen Berge des Alpenhauptkamms nicht nur als Wasser- sondern auch Wetterscheide fungieren, regnet die feuchte Luft der Süd-/Südwestwinde sich überwiegend an den Bergen Oberitaliens ab.

Das Wallis hingegen ist überaus trocken. Viehhalter, Winzer, Obst- und Gemüsebauern sind deshalb seit Jahrhunderten auf diese, ursprünglich aus dem heutigen Iran stammende, Bewässerungstechnik angewiesen. Das Wasser wird in den Flüssen am Ende der Seitentäler abgezweigt und über die Wasserleiten – teilweise schwindelerregend in die Felshänge gemeißelt – bis zu den Weidegebieten geleitet. Für den Bau und Unterhalt der bis zu 28 Kilometer langen spektakulären Bauwerke schlossen sich die Gemeindebewohner in sogenannte Geteilschaften zusammen. Um die Wassernutzungsrechte in Form einer Allmende, also eines Gemeinguts, jenseits von Markt und Staat zu organisieren wandten die Menschen raffinierte Methoden an: Im Nachbardorf Törbel etwa durfte mit der Entnahme des Wassers begonnen werden, sobald die ersten Sonnenstrahlen auf das Weisshorn fielen. Als Gegenleistung für die Verrichtung von Unterhaltsarbeiten an einigen Tagen im Jahr hatte – und hat – jeder Anwohner Anrecht auf eine bestimmte Wassernutzung. In den 1980er Jahren traf eine amerikanische Forscherin in Törbel ein und forschte zu den Mechanismen dieser gemeinschaftlichen Organisationsform. 2009 wurde Elinor Ostrom für ihre Forschung zur Allmende als erster Frau der Welt der Nobelpreis der Wirtschaftswissenschaften zuerkannt. Notiz am Rande: Nur weil die Suonenwege relativ flach angelegt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie leicht zu befahren sind – besonders, wenn handhohe Wurzeln sich ihrer bemächtigt haben!

Wer kennt die besten Trails des Wallis Suonen Wege Laerchen

Typisch für das Wallis: Suonen Wege und spaßige, federleichte Trails durch Lärchenwälder

Wer kennt die besten Trails des Wallis Zmittag Café Hohtschuggen Suonenweg

"Wir hätten dann gern ein leichtes Frühstück!"

Wer kennt die besten Trails des Wallis Heida Wein

Ein Unikat wie Wirt Elmar: der Heida vom höchsten Weinberg Europas

Café Hohtschuggen – ein Unikat (wie der Wirt)

Wie ein Adlerhorst thront 900 Meter über dem Tal das Café Hohtschuggen auf einem Felsvorsprung. Kitschiger hätte es sich kein Marketingverantwortlicher ausdenken können, so stellt man sich die Schweiz spätestens seit Johanna Spyri vor. Elmar Brigger als Wirt ist dann noch das Tüpfelchen auf dem i. Mit röhrendem Bass serviert der Jäger und ehemalige Bergführer uns deftigen Bergkäse und hauchdünnes Walliser Trockenfleisch zum Frühstück und akzeptiert kein „Nein, wir müssen noch radfahren“ beim Heida. Der kräftige Savognin Blanc wird von über 600 Winzern genossenschaftlich in den Schiefersanden von Visperterminen kultiviert, Europas höchstem Weinberg, der direkt rechterhand von uns liegt. Über die offizielle Route „Grächener Loop“ kurbeln wir über mal breitere, mal schmalere Wege durch den Grächener Wald. Bei Titter gäbe es die Möglichkeit, auf einem abwechslungsreichen und flowigen Endurotrail hinab nach Kalpetran zu fahren. Wir beratschlagen kurz, und entscheiden uns dann doch für den Mattsand Enduro Trail, der Teil des legendären Etappenrennens „Swiss Epic“ war.

Wer kennt die besten Trails des Wallis Mattsand Enduro Swiss Epic

Abwechslungsreich: der Mattsand Enduro Trail, Teil des legendären Swiss Epic

Mattsand Enduro Trail – Swiss Epic

Von Grächen aus kurbeln wir also immer leicht ansteigend durch lichten Wald bis nach Schalbettu. Herrliche Blicke auf den Riedgletscher an der Nordseite der Mischabelgruppe begleiten uns, bevor der flowige Trail unsere Aufmerksamkeit fordert. Wir fliegen die Bergflanke nur so hinab und strapazieren bei den kurzen, heftigen Gegenanstiegen unsere Lungen. Das Weisshorn mit seinen drei scharfen Graten bewundern wir nur kurz, denn im Balmuwald startet dann die eigentliche Abfahrt: teilweise mit großen, losen Steinen, sandigem Untergrund und engen Kurven, dann wieder flüssig über Wiesenabschnitte. Mal zwängt sich der Weg durch die typischen Walserhäuser mit ihren talwärts gerichteten Mauerbauten und den zusammengesteckten Blockgehäuse aus von der Sonne geschwärztem Lärchenholz, mal überquert er Bäche und Weiden. Wir können es kaum glauben: Von unserem Trail zweigen wiederum Dutzende anderer kleiner Pfade ab. Ein Paradies für uns Mittelgebirgler aus dem Bayerischen Wald, zu deren traurigem Alltag es gehört, dass sämtliche kleinen Pfade irgendwann vom Harvester plattgewalzt werden ... Ausser Atem und Endorphin-gesättigt kommen wir schließlich auf der kleinen Weideterrasse von Mattsand an. In St. Niklaus weist Odilo uns auf das weltweit einzige Bergführermuseum hin, das im ältesten noch erhaltenen Gebäude des Nikolaitals untergebracht ist. Schließlich hat das Mattertal eine ganze Dynastie Abenteurer hervorgebracht, die die Alpingeschichte maßgeblich prägten: die Zaniglaser Bergführerpioniere, deren Erstbesteigungen über 150 Jahre hinweg weltweit für Furore sorgten. Bevor wir uns aber im Bistro des Alpes mit einem Aperol Spritz niederlassen, nimmt Odilo uns noch einmal unter seine Fittiche und zeigt uns weitere Highlight Trails, die er nicht genannt haben will. Ein weiterer Benefit von #ridewithguide? Man kommt auch zu den weißen Flecken auf Strava und Komoot. Cheers!

Information

Leistungen Best of Valais with a Guide:

2 ÜN/ F
1 Tag mit Mountainbike Guide

Tag 1: Ankunft in der Destination, Check-in
Tag 2: Individuelles Fahren oder Tag mit Mountainbike Guide
Tag 3: Individuelle Tour oder Tag mit Mountainbike Guide, Abreise
Preis: ab CHF 248.- pro Person

Gültig bis 18. Oktober 2020

Alle Informationen unter: www.wallis.ch/

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