Flimser Bergwelt – Bikeurlaub zwischen Felsen

Text Stefan Baumgartner Bild Andreas Meyer
Reise

Der ideale Familienurlaub

Heimlich frage ich mich, warum immer Frauen als die typische E-Bike Zielgruppe dargestellt werden. Denn wenn ich ehrlich bin, ist meine Frau deutlich fitter als ich. „Wenn ich nur wollte, dann könnte ich auch“ ist zwar mein heimlicher Leitspruch aber Tables und Doubles sind dann doch schon fast 20 Jahre her. Zwischen Arbeit und Familie bringen schon Presscamps (die traditionell eher eine 80-20-Verteilung Essen/Sport aufweisen) einen deutlichen Ausschlag nach oben bei meiner Leistungskurve. So viel also zu meiner Fitness.

 
 

Zum Einstieg erst einmal alle auf den Pumptrack.

Neuerdings Kampf dem Bauchansatz

Die rare Freizeit, die bleibt, will ich nicht ohne meine Familie verbringen. Und doch während dem Familienurlaub nicht komplett auf mein Hobby verzichten. Meine Frau weigert sich, sich ausschließlich um unseren Sohn zu kümmern während ich biken bin. Zu Recht. Schließlich ist sie auch Bikerin. Stehen wir vor einer unlösbaren Aufgabe? Eigentlich nicht. Es muss lediglich die richtige Destination her. Auf Kinderhotels kann ich verzichten, mir schweben da Bilder von über den Tisch krabbelnden Kinder im Kopf umher. Ein großer Komplex voller Keime und sich überschlagender Stimmen. So stoßen wir auf Flims, das sein Angebot auf Familien mit dem Wunsch nach Aktivurlaub optimiert hat. Unsere Zeit ist knapp bemessen, so möchten wir im Urlaub auf Nummer sicher gehen und sind gespannt, ob Flims hält was es verspricht.

Wir erreichen das rocksresort in Laax am späten Nachmittag. Ich bin begeistert, nicht auf ein typisches Familienhotel zu stoßen, sondern eine Anlage mit ästhetischem Anspruch. Graubünden überrascht mich dahingehend immer wieder. Das rocksresort liegt direkt an der Talstation von Laax, ein idealer Ausgangspunkt um die Flimser Bergwelt zu erkunden. Doch soweit kommen wir vorerst gar nicht, sondern verbringen die Zeit äußerst sinnvoll auf dem Trampolin, mit Fußball und Basketball, dem Kettcar, auf der Slackline und dem Pumptrack. Der Sohnemann dreht erfreut die ersten Runden, bis er seinen early rider gegen den Spielplatz eintauscht. Das Abendessen verläuft glücklicherweise ohne über Tische krabbelnde Kinder. Madhuh ist glückselig schon am Tisch eingeschlafen.

Der nächste Morgen beginnt mit traumhaftem Sonnenschein, ideales Spätsommerwetter und fast schon ein wenig kitschig. Wir machen uns zur Bikemietstation auf. Neben Pedelecs können hier auch unkompliziert Anhänger gemietet werden und so verlassen wir kurze Zeit später den Verleih wieder mit einem neuen Trek Powerfly und einem Thule Chariot Kinderanhänger. Zurück am rocksresort empfängt uns Christian Thaller. Der junge Guide hat vor einigen Jahren mit Freunden die Emprova Bikeschool gegründet. „Emprova“ kommt aus dem Rätoromanischen und bedeutet so viel wie „Probier mal etwas Neues“. Wir halten uns an das Motto und in einem 1 ½ stündigen E-MTB und Anhänger Schnupperkurs bringt mir Christian die Gefährte noch etwas näher, als sie mir aus dem Alltag sowieso schon sind. Grundposition, Einstellungen, Anfahren am Berg, Bremsen, Kurventechnik und Schalten vermittelt er, während unser Vierjähriger vergnügt in der Skills Area übt. Mit einigen Tipps von Christian meistert er nach kurzer Zeit auch schon die erste Wippe. Mit stolzgeschwellter Brust steht er da. Der Papa. Ein seltsames Phänomen, dass Kinder bei anderen immer besser lernen als bei den Eltern. Das scheint wie in Beziehungen zu laufen.

Der Blick in die Ruinaulta ist immer wieder beeindruckend.

Nun aber genug des Trockentrainings. Schließlich sind wir nach Graubünden gekommen, um die Bergwelt zu erleben, die zuhause fehlt. Christian empfiehlt uns die Tour 245 nach Conn. Diese führt entlang der Rheinschlucht mit Blicken auf die umliegenden Bergflanken von Laaxer Stöckli und Fil de Cassons auf der einen, und saftige Almwiesen auf der anderen Seite. Doch bevor wir Conn erreichen, passieren wir den Caumasee. Das ideale Ebenbild eines Bergsees, türkisblau mit klarem Wasser. An seiner tiefsten Stelle misst der Caumasee 300 m. Er wird unterirdisch vom Schmelzwasser der umliegenden Gletscher gespeist und erwärmt sich im Sommer dann doch relativ schnell. Wir sind noch am Beginn unserer Tour und da Christian uns schon vom Crestasee vorgeschwärmt hat, lassen wir die Badehosen noch im Rucksack. An der Kante der Rheinschlucht angekommen erklimmen wir die Aussichtsplattform Il Spir. Von hier aus lässt sich für Schwindelfreie ein atemberaubender Blick in die Rheinschlucht genießen. Uns zieht es schon wieder Richtung Crestasee: Wasser übt einfach eine unwiderstehliche Anziehung auf Kinder aus. Hier gönnen nicht nur wir uns eine Pause, sondern auch der E-Bike Akku erhält einen Ladevorgang. Die E-Bike Ladestation am Crestasee wird von Energie aus örtlicher Wasserkraft gespeist, die Kabel kann man vor Ort ausleihen und der Ladevorgang ist kostenlos. Ein toller Service und während der Akku unserer Bikes lädt vergnügen wir uns im kristallklaren Wasser des Crestasees. Mit „wir“ meinen wir unsere Füße. Mittlerweile hat der ansonsten einigermaßen warme See nämlich deutlich abgekühlt. Zwischen unseren Füßen schwimmen Schwärme an Jungfischen, denen die natürliche Böschung das ideale Rückzugsgebiet ist. Die kleine Insel in der Mitte des Sees gibt den perfekten Postkartenhintergrund. Madhuh spielt mit den Kieselsteinen am und klettert auf sämtliche Felsen klettert, wir liegen einfach nur da und genießen den kostbaren Moment.

Mit E-Bike und Kinderanhänger sind auch längere Touren möglich.

Flims hat natürliche Gegebenheiten mit einer ansprechenden Infrastruktur verbunden. Nicht überladen, keine bunten Kinderparadiese, sondern Bündner Natur gepaart mit tollem Panorama und unauffälligem Service. Am Weg entlang der Rheinschlucht finden sich immer wieder Feuerstellen, die schon mit Holz präpariert sind. Entspannte Lagerfeuer und Grillabende über der Rheinschlucht sind also nicht nur möglich, sondern man wird herzlich dazu eingeladen. Eine Gastfreundschaft derer man sich in anderen Regionen rühmt, derer man aber dann doch oft nicht gerecht wird.

Ein Grund dafür ist sicherlich Marc Woodtli. Er entwickelt die touristische Infrastruktur in Flims. Wir treffen ihm beim traditionellen Almabtrieb in Bargis. Ein familiäres Zusammentreffen aus Bergbauern, Tourismusverantwortlichen, Gästen. Madhuh ist überwältigt vom Kopfputz der Kühe, auch wenn er ordentlich Respekt vor den Paarhufern an den Tag legt. Bei Risotto und einem Panaché, wie Radler in der Schweiz genannt wird, erzählt er, dass er mit seinen Töchtern ebenfalls alle Stationen mitgemacht hat, inklusive Kraxe, Anhänger und neuerdings Kinderrad. Gerade wegen seiner Kinder sei er so nah dran an den Bedürfnissen von Familien. Er spiegelt seine Vorstellungen stark und liegt damit in unseren Augen goldrichtig. Blicke ich mich um, dann sehen nicht nur wir das so, sondern auch jede Menge andere Biker, die hier ihren Familienurlaub verbringen. Oder sind es Bündner? Wer weiß das schon so genau, die Bikekultur ist hier ziemlich verwurzelt.

Mit der Kinderbetreuung vor Ort sind aber auch actionreichere Touren möglich.

Die sehr liebevolle und nicht überladene Produktentwicklung sieht man auch bei der Kinderbetreuung. Wo andere Regionen ihre Berge mit Plastikclowns dekorieren und die Kinder mit möglichst großem Tamtam bespaßen, sorgt hier Ami Sabi für Staunen bei den Kleinen. Ami Sabi ist Zauberer und Naturlehrer. Er sieht ungefähr so aus, wie man sich Mose vorstellen würde: gütiges, zerfurchtes Gesicht, langer Bart. Plus einem Kopfschmuck, mit allem daran, was man sich nur vorstellen kann: Federn, Geweih, Flechtwerk. Zähne und Steinplatten baumeln an langen Ketten um seinen Hals. Das erregt natürlich sofort die Aufmerksamkeit der Kinder. Gemeinsam mit ihnen entdeckt er kleine Schätze in der Natur, bringt ihnen die Umgebung näher und braucht nicht mehr als die vorhandene Flora und Fauna dazu. Dieser starke Naturbezug ist auch die Konstante, die wir aus unserem Aufenthalt in Flims Laax mitnehmen. Es braucht keine bunten Installationen, sondern ein einfaches Erleben.

Am nächsten Tag trennen sich Madhuhs und unsere Wege kurzzeitig. Wir möchten den bekannten Runca Trail fahren und so wird er den Vormittag in der Kinderbetreuung verbringen. Bei Kinderbetreuung schleicht sich elterntypisch sofort ein schlechtes Gewissen ein, doch Pavlina begrüßt uns so herzlich, dass wir unabhängig voneinander das beruhigende Gefühl verspüren, dass Madhuh in besten Händen ist. Auch ihre eigenen Kinder hat sie mitgebracht und so versinken alle zusammen schon bald im Spiel und Madhuh hat nicht mal mehr die Zeit, sich zu verabschieden.

Die Strecken sind in hervorragendem Zustand und mehr als spaßig.

So begebe ich mich in den Anstieg auf die Runcahöhe und von dort nach Startgels. Die Hütte bietet ein herrliches Panorama nach Süden auf Schlüechtli und Piz Riein. Die eigenen Akkus kann man hier mit Wildfleisch auftanken, doch ich gehe es lieber etwas leichter an. Schließlich möchte ich noch halbwegs agil sein, wenn ich den bekannten Runcatrail angehe. Der 6 km lange Flowtrail wir von einer Crew an Shapern in top Zustand gehalten. Durch Steilkurven, über Wellen und Sprünge bahnen wir uns unseren Weg gen Tal. Der Trail bietet je nach Geschwindigkeit Spaß für alle Könnensstufen. Es ist tatsächlich alles fahrbar, auch für Anfänger gibt es Chicken Ways und mit seinen 6 km Länge ergibt sich ein verhältnismäßig langes Abfahrtsvergnügen. Unten angekommen geht es zum Abschluss noch eine Runde über den Pumptrack, auch das funktioniert mit dem E-Bike besser als gedacht!

Alles hängt mit dem Wasser zusammen, selbst der Strom für die E-Bikes wird aus Wasserkraft gewonnen.

Nach dieser letzten Tour wird es Zeit für die Rückfahrt. Wir hatten eine wirklich gute Zeit hier in Flims Laax. Das Angebot für Familien ist unaufdringlich und inspirierend. Zu der Frage, die allen Lesern wahrscheinlich schon auf der Zunge brennt: Nein, es ist nicht günstig hier, aber das Preis/Leistungs-Verhältnis stimmt aus unserer Sicht. Gerade für Familien, die Natur, eine sehr gute Infrastruktur und sportliche Abwechslung genießen möchten. Und Paare, die mit gutem Gewissen einfach mal ein bisschen Auszeit für sich brauchen.

Selbst bei schlechtem Wetter ist mit der Freestyle Indoor Halle für Programm gesorgt. Die Kinder können sich auf dem Trampolin vergnügen, während man selbst den Frontflip ins Schaumstoffbad trainiert. Oder umgekehrt.
Einen Besuch möchten wir allen mitlesenden Produktmanagern anderer Regionen wärmstens ans Herz legen.

nach oben