Monatsfrau – Dani Hornsteiner

Text Judith Lell-Wagener Bild Privat
Monatsfrau

Eine Frau. Eine Mission.

Dani Hornsteiner beeindruckt und hinterlässt Spuren im Leben derer, die sie an- und begleitet: als Tourguide, als Bergretter, als Ausbilderin oder Yoga-Lehrerin. Seit vielen Jahren engagiert sie sich rund um das Thema Outdoor-Erste-Hilfe – seit gut einem Jahr nun hauptberuflich mit der eigenen Firma, deren unglaublicher Erfolg sie selbst noch etwas sprachlos macht. Sie ist ein Mensch mit Tiefgang … und einer Mission.

www.danihornsteiner.de

 

Aus der All Mountain & Tour Spezial 2019

 
 

Jule: Du bist ja nicht nur begeisterte Mountainbikerin, sondern ein Outdoor- und Bergmensch durch und durch. War das schon immer so?

Danki: Da muss ich lachen. Nein, das war nicht schon immer so. Ich bin in Istanbul geboren und habe dort 10 Jahre gelebt bevor es dann nach Libyen ging. Beides keine Orte mit viel Outdoorcharakter. Ich war bis 24 ein echtes Indoormädchen, habe viel gelesen, gestrickt, gehäkelt, gebastelt. Kann man sich heute gar nicht vorstellen! Ich habe aber immer schon viel Sport gemacht, erst bis 16 in der Bayernliga intensiv Handball gespielt. Dann Ultimate Frisbee angefangen und mit 17 in die deutschen Frisbee Ultimate Nationalmannschaft berufen, wo bis 34 mein leistungssportliches Leben stattfand. Mit 24 erst habe ich nicht nur das Mountainbiken angefangen, sondern auch das draußen in der Natur sein. Ich wurde damals von Freunden eingeladen 4 Tage mit zum Gran Canyon zu kommen, um dort zu wandern, im Canyon zu zelten und selber alles zu tragen, was wir für 4 Tage brauchen. Die Idee fand ich spannend, ich war aber nicht ansatzweise auf das Erlebnis vorbereitet, das mir bevorstand. Wenn man am South Rim des Canyons aus dem Auto steigt, ist nichts von dem Canyon zu sehen. Man muss noch einige Meter durch Nadelbäume laufen und auf einmal eröffnet sich ein Panorama, das so unfassbar schön ist, so gewaltig, dass es zumindest mir den Atem geraubt hat. Ich war sprachlos, ich war zu tiefst berührt, meine Seele hat den Atem angehalten, meine Welt hat sich für einen Moment aufgehört zu drehen. Ein Freund, Jessy - ein Indianer, setzte sich auf einen Felsvorsprung kurz unterhalb des Rims und begann seine Bambusflöte zu spielen. Das war pure Magie – das Panorama, die Klänge und Musik der Bambusflöte und sonst nichts als Stille. Ich kann kaum beschreiben, wie es mir da ging. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke – 22 Jahre später. Es war als hätte sich ein Tor in eine neue Welt geöffnet und ich wusste „mein Leben wird sich verändern“, „ich werde jede freie Minute hier draußen in der Natur sein“. Ich bin ehrlich erwacht aus meinem Dornröschenschlaf, ich wusste: „Jetzt beginnt mein echtes Leben.“ Und seitdem verbringe ich so viel Zeit wie möglich draußen in der Natur.

Jule: Was gibt dir das „draußen sein“? Welchen Stellenwert hat das heute für dich?

Danki: Draußen am Berg, in der Natur kann ich meinen und den Herzschlag der Welt in Einklang spüren. Hier bin glücklich nur im Sein, ohne etwas tun zu müssen. Ich kann einfach nur gehen oder biken oder sitzen und spüren, dass es genug ist. Meine Seele schlägt Purzelbäume. Ich spüre in der Stille, in der Schönheit, in den majestätischen Antlitzen der Berge, dass ich Teil von etwas viel Größerem bin. Es erfüllt mich mit Demut und Dankbarkeit, Freude und Zufriedenheit. Der Stellenwert hat sich nicht verändert. Die Natur ist mein Hafen, mein zu Hause, meine Heimat.

"Ich versuche mir treu zu bleiben, nicht so abhängig von Meinungen anderer und meine Bedürfnisse nicht hinter die von anderen zu stellen, meine eigene Wertigkeit nicht unter die anderer zu stellen."

Jule: Durch was wurde schließlich dein Interesse am Thema „Erste Hilfe“ geweckt? Und wie kam es dann zu deinem intensiven ehrenamtlichen Engagement bei der Bergwacht?

Dani: Ich war viel draußen unterwegs, inzwischen nicht nur wandernd, auch kletternd und bergsteigend, oft auch viele Tage allein auf Durchquerungen mit Zelt, Essen, Kompass, Karte. Irgendwann habe ich dann Freunde mitgenommen und so war der Gedanke bald naheliegend: „was mache ich eigentlich, wenn da draußen etwas passiert, weit weg von Hilfe, weit weg von Straßen? Ich habe überhaupt keine Ahnung.“ Damals Mitte der 90er waren Handys gerade im Kommen, zumindest hatten die meistens keines und das Handynetz war kaum existent. Mir oder anderen nicht helfen zu können aber solche Touren zu machen, passte für mich nicht zusammen. Und so habe ich bei der Bergwacht München einen 4-tägigen Erste Hilfe Extrem Kurs, damals am Brauneck bei Lenggries, gebucht. Und ich war soooo begeistert von der Medizin, von den technischen Tricks und von der Aufgabe der Bergwacht, dass ich gleich Anwärterin geworden bin und diese Begeisterung hält bis heute an. Ich bin begeistert von dem wofür die Bergwacht steht, für mich steht, dem Helfen und Retten von Personen, die am Berg in Not geraten sind und auch für die Gemeinschaft, das gemeinsame Anpacken, wenn man gebraucht wird, egal ob bei einer Vermisstensuche, bei einem großen Lawineneinsatz oder beim Unterstützen der Gemeinde beim Abschaufeln der mit meterhohem Schnee belasteten Dächer.

Jule: Wann und wie wurde dir klar, dass du aus diesem Engagement einen Beruf machen möchtest – der dich letztes Jahr schließlich sogar in die Selbständigkeit geführt hat?

Dani: Ehrlich gesagt, gab es da keinen Moment der Klarheit. Ich denke oft nicht darüber nach, „was kommt als nächstes?“. Ich mache die Dinge, die mir Freude bereiten. Irgendwie habe ich das unerschütterliche Vertrauen darin, dass alles gut wird, ich immer etwas zu essen habe werde und ein Dach über dem Kopf finden werde, wenn ich meinem Herzen folge. Und ich habe mir immer gesagt: „Wenn es nicht klappt, kann ich immer im Supermarkt an der Kasse arbeiten oder in der Bäckerei bedienen.“ Ich werde oft gefragt: „Hast du keine Angst im Alter nichts zu haben, dich nicht versorgen zu können?“ Irgendwie habe ich diese Angst nicht, mir fehlt der Sinn für dieses Sicherheitsnetz. Wahrscheinlich liebe ich die Freiheit tun zu können was ich will mehr als die gängige Angst vor der Not im Alter. Zur Frage selbst – ich gebe schon seit mehr als 10 Jahren alpine Erste-Hilfe-Kurse, habe einen Förderverein für die Bergwacht mit der Aufgabe alpine Erste-Hilfe-Kurse zu geben mitgegründet und war dort lange Geschäftsführerin. Das war alles ehrenamtlich und es wurde immer mehr, so habe ich den Posten abgegeben und mich ein Jahr später ganz aus dem Verein zurückgezogen. Da die meisten Kunden über mich zu dem Verein kamen, habe ich sie darüber informiert, dass ich aufhören werde. Und ich war berührt aber auch überrascht, dass einige gesagt haben, es ist ihnen egal was außen draufsteht, solange Dani Hornsteiner drinsteckt. Da habe ich das erste Mal darüber nachgedacht, selber eine Outdoor Erste Hilfe Firma zu gründen, das kam mir bis dahin nicht in den Sinn. Als ich mich dann dazu entschlossen habe, war die Idee, ich mache das für die Kunden, die ich habe, also ca. 20 Kurse im Jahr – quasi neben den anderen Jobs und Aufgaben, die ich hatte. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass diese kleine Firma in so kurzer Zeit so wachsen würde und so erfolgreich sein würde und dass ich mich entscheiden müsse, was ich weiter mache und was ich sein lasse. Und letztes Jahr war es dann soweit, meine halbe Angestelltenstelle zu kündigen. Sie war viel mehr als eine 50%-Stelle, ich habe ein 8-köpfiges Team bei einer Unternehmensberatung geleitet. Wie mit allem mit großem Einsatz, jede meiner Mitarbeiterinnen habe ich handgepickt, jede ist ein wunderbarer Mensch, sie vermisse ich sehr, aber der Job hat mich kaputt gemacht. Ich hätte so oder so aufhören müssen.

Jule: Dein Weg dorthin verlief alles anderes als geradlinig. Bist du je einem festen Plan gefolgt?

Dani: Ich hatte nie einen Plan. Manche Kinder wissen, was sie werden wollen, wenn sie groß sind, das ging mir nicht so. Ich hatte keine Ahnung, auch nach dem Abi nicht. Und so ging ich durch die Türen durch, die sich auftaten und mich interessierten, die ich spannend fand oder mich neugierig machten. Eines führte zum nächsten. Manchmal fragte ich mich wie so unterschiedliche Dinge, wie eine Banklehre, ein Anglistikstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Qualifikation oder ein Master of African Studies und ein Trainer B Hochtouren und Trainer C Skitouren, Rafting Guide oder Bergwanderführer zusammenpassen. Aber ich wusste, es wird sich fügen, ich werde es irgendwann verstehen und bis dahin würde ich mich freuen, so tolle Dinge tun zu können und das Leben genießen. Jetzt mit meiner Firma fallen alle Puzzlestücke perfekt zusammen. Ich brauche all diese Erfahrungen und auch das Wissen, um meine eigene Firma gut zu leiten. Ich brauche all das Bergwissen, um intensive Outdoor Erste-Hilfe-Kurse mit hoher Praxisrelevanz zu geben, all das BWL- Und Finanzwissen, um mein Unternehmen zu führen und all die zwischenmenschliche und führungstechnische Erfahrung, um eine gute Chefin und Verhandlungspartnerin zu sein.

Jule: Du bietest mit deiner Firma eine riesengroße Palette an Outdoor-Erste-Hilfe-Kursen an, die speziell für die verschiedensten Outdoor-Sportarten ausgearbeitet sind, und die meisten davon sind im Nu ausgebucht. Hast du einfach einen Nerv der Zeit getroffen – oder woher kommt dieses neue große Interesse an dem Thema bei Sportlern?

Dani: Spannende Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich kann sie nicht beantworten. Meine Arbeit für die DIMB hat bestimmt ordentlich dazu beigetragen, dass sich vor allem in der MTB-Szene die Information zu MTB-spezifischen Outdoor-Erste-Hilfe-Kursen so schnell verbreitet hat. Ich weiß nur, dass ich es ganz unabhängig von meinem Wirken wirklich gut finde, dass so viele Menschen - und das sind zu einem Großteil auch Führungskräfte am Berg, also z. B. MTB Guides, Bergführer, Kajak-Guides, Bergwanderführer – ihre Verantwortung erkennen und sich fortbilden, um am Berg, wo professionelle Hilfe lange dauern kann, sachgerechte und zielstrebige Erste Hilfe leisten zu können. Das ist toll! Ich selber stehe immer noch mit offenem Mund da, dass so viel Interesse besteht!

Jule: Das Feedback zu deinen Erste-Hilfe-Kursen ist sensationell und dein Kundenkreis wächst und wächst. Was denkst du selbst: Worauf fußt dieser Erfolg? Was macht dein Angebot so besonders?

Dani: Miraculix hat die Rezeptur seines Zaubertranks auch gehütet wie ein Schatz. 😊 Nein ernsthaft, ich glaube, es ist die Kombination aus der eigenen tiefen Begeisterung für das Thema, verbunden mit dem medizinischen Notfallwissen, erworben in eigener Praxisanwendung und der eigenen Führungspraxis von Menschen am Berg in den verschiedenen Disziplinen des Outdoorsports. Hinzu kommen didaktische Kompetenz und der Wunsch, den Teilnehmern einen megatollen Kurs mit viel Praxis, viel nachhaltigem Lernen und viel Spaß zu bieten. Wir Ausbilder haben selber richtig viel Spaß an den Kursen, das ist Grundvoraussetzung, um andere zu begeistern.

Jule: Was ist dir wichtig an und bei deinen Kursen? Was möchtest du den Teilnehmern in erster Linie mitgeben?

Dani: Das Wichtigste in den Kursen ist für mich, den Teilnehmern zu zeigen, dass es vor allem um unsere Menschlichkeit, unsere Wärme, unsere Herzenswärme und Empathie geht. Im für viele stressigen Alltag mit zum Teil harten Jobs tritt diese Seite in uns in den Hintergrund, weil wir oft das Gefühl haben oder suggeriert bekommen, dass sie eine Schwäche ist. Ich möchte zeigen und in den praxisnahen simulierten Fallbeispielen erlebbar machen, dass diese Herzenswärme und Zuneigung, diese Offenheit und Unvoreingenommenheit eine große Stärke und Kraft besitzt. Hier ist jemand verletzt, ist vom Bike gestürzt, hat Schmerzen, hat Angst, hat Sorgen, fühlt sich einsam. Allein dadurch, dass ein Ersthelfer sich zu dieser Person hinkniet, ihr die Hand auf die Schulter legt, ihr in die Augen schaut und mit offenem Herzen, Empathie und aufrichtigem Interesse sagt: „Ich bin jetzt da. Was ist denn passiert?“, geht für die verletzte Person die Sonne auf. Sie weiß jetzt: „Ich bin nicht mehr allein, mir wird geholfen, es wird sich um meine Schmerzen, meine Ängste, meine Sorgen gekümmert.“ Und wie phantastisch ist das, du hast noch nichts getan außer zu sagen „Ich bin jetzt da. Was ist denn passiert?“ und der verunfallten Person geht es schon viel besser. Ich helfe schon so lange Menschen, die sich verletzt haben oder akut erkrankt sind, aber das in deren Gesichtern zu sehen erfüllt mich jedes Mal wieder mit großer Demut und großer Freude. Ich bin überzeugt davon, wenn wir nur einen Teil von dem was wir zwischenmenschlich in diesen Outdoor-Erste-Hilfe-Kursen lernen mit ins echte Leben nehmen, dann wird unsere Welt heller leuchten.

"Ich glaube, es ist als Ersthelfer wichtig zu verstehen: Du kannst es nur besser machen! Jeder kann gute Erste Hilfe leisten, weil das „Helfen wollen“ in uns steckt."

Jule: Erste Hilfe steht oft in direktem Zusammenhang mit dem Thema „Angst“ und auch als Guide wird dir dieses Gefühlt nicht fremd sein. Wie kannst du deinen Teilnehmern hier weiterhelfen?

Dani: Mir ist es wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, ihnen zu helfen, mehr Sicherheit zu gewinnen und vor allem in sich selbst zu vertrauen, auf ihre eigene innere Stimme, ihr Bauchgefühl zu hören. Ich glaube es ist als Ersthelfer wichtig zu verstehen: Du kannst es nur besser machen! Du bist nicht schuld an dem Unfall, an den Schmerzen oder an der Örtlichkeit. Jeder kann gute Erste Hilfe leisten, auch ohne Kurs, weil das „Helfen wollen“ in uns steckt. Wenn jemandem kalt ist, wirst du ihm eine Jacke, etwas Wärmendes zu trinken geben. Wenn jemand Schmerzen hat, wirst du ihm gut zureden und ihn trösten. Wenn jemand stark blutet, wirst du irgendwie versuchen, die Blutung zu stoppen. Es ist ganz einfach und es steckt in uns. Folgst du deinem Bauchgefühl wirst du nichts tun, was die Situation des Verletzten verschlimmert. Handelst du immer nach bestem Wissen und Gewissen, dann tust du das Beste was du tun kannst, mehr kann keiner und darfst auch du nicht von dir verlangen. Angst haben ist völlig ok und auch ganz natürlich, keine Angst zu haben wäre waghalsig. Es ist die Frage wie gehst du mit der Angst um: lähmt sich dich oder fokussiert sie dich. Das üben wir z. B. in den Kursen: die mögliche Ohnmacht in kontrollierte Fokussierung zu verwandeln.

Jule: Gibt es noch Situationen, die dir in den Bergen oder/und beim Sport Angst machen? Falls ja, welche?

Dani: Ja natürlich. Da fallen mir einige ein. - Auf dem Gletscher oder Grat bei einem plötzlichen auftauchenden unvorhergesehenen Gewitter – gruselig. - Steinschlag oder Eisschlag – da ist Denken schwer möglich, man reagiert instinktiv - Beim Klettern 5 oder mehr Meter über dem letzten Haken stehen und keinen Griff mehr finden und die Waden fangen an zu zittern – da braucht es viel Durchatmen, Fokussieren und ins eigene Können vertrauen, zu wissen, mein Körper kann viel mehr, als ich denke und hält länger aus als ich ihm zutraue. Da hilft mir wirklich, den Sturz nicht als Gegner zu sehen, sondern ihn mental hinzunehmen und mich frei von ihm zu machen. Dann traue ich mich auch mehr und der Griff der gerade noch unmöglich zu halten schien, lässt sich doch irgendwie verwenden. Und wenn nicht, dann habe ich einen guten Kletterpartner, der mich hält.

Jule: Du hast als Bergwachtlerin und Rettungssanitäterin sicher selbst schon einige heftige Situationen erlebt. Wie gehst du damit um und wie verarbeitest du so etwas? Wo sind deine eigenen Grenzen der Belastbarkeit?

Dani: Was mir wirklich hilft ist zu wissen, dass ich es für die betroffene Person nur besser machen kann und dass ich für den Unfall nichts dafürkann. Der Unfall ist passiert. Meine Aufgabe ist es das Beste aus der Situation und für die Überlebenden zu machen. Ich weiß um die psychologischen Verarbeitungsmechanismen und beobachte mich ganz ehrlich und sachlich nach einem schweren Einsatz. Merkte ich, dass ich auch 2 Wochen nach dem Einsatz immer noch mit den Bildern im Kopf aufwache, den ganzen Tag den Film im Kopf habe und abends mit diesem ins Bett falle, dann würde ich mir Hilfe holen beim KID Berg (Kriseninterventionsdienst der Bergwacht). Das sind Bergwachtkollegen mit psychologischer Zusatzausbildung in Traumabewältigung, die bis zu 4 Wochen nach einem Ereignis für eine Akutbetreuung zur Verfügung stehen. Sie werden von uns bei einem Einsatz mit Schwerstverletzung oder mit Todesfolge immer mit alarmiert, um vor Ort für Anwesende, die den Unfall miterlebt haben oder Angehörigen zur Verfügung zu stehen. Sie sind dann auch bei unserem Bergwacht-Debriefing nach dem Einsatz dabei. Meine Grenzen der Belastbarkeit, ich gehe davon aus, ihr meint psychische Belastbarkeit, das kann ich nicht sagen. Ich war noch nicht dort – das liegt aber nicht daran, dass ich so ein Held bin, sondern dass ich weiß, ich habe den Unfall nicht verursacht und meine Anwesenheit hilft. Schwer verletzte Kinder finde ich jedoch schwierig, weil sie noch so jung sind, nicht immer verstehen, was mit ihnen passiert und weil sie noch ihr ganzes Leben vor sich haben, das ist ehrlich gesagt, nicht so einfach.

"Ich freue mich auf das, was vor mir liegt und bin selber gespannt, was das Leben noch an Überraschungen für mich bereithält."

Jule: Du leitest dein Unternehmen und übernimmst einen Großteil der Kurse dabei selbst; du engagierst dich nach wie vor bei der Bergwacht und bei der DIMB, bist Buchautorin, machst Filme, gibst Yoga-Kurse, führst als Guide Menschen in die Berge der Welt – wie bringst du das alles in einem einzigen „Jetzt und Hier“ unter?

Dani: inzwischen nur noch 2-3 Reisen mit 10 Tagen – 3 Wochen im Jahr. Und ja, manchmal ist es eine Herausforderung alles gut zu koordinieren und zwar so, dass ich noch Luft zum Atmen habe und mich auch weiterhin mit einer Latte Macchiato auf meiner Sonnenterasse und in den Garten setzen kann. Und wenn es Zeit wird etwas loszulassen, dann muss ich es loslassen. Und ja, das ist gar nicht einfach und dauert manchmal auch eine Weile, obwohl ich weiß, dass es mir anschließend besser gehen wird.

Jule: Sind deine Yoga-Kurse „einfach“ ein zweites Standbein und das Touren- und Guiding-Angebot dein drittes – oder gehört das alles irgendwie zusammen?

Dani: Gute Frage, darüber habe ich die letzten Monate nachgedacht. Und es gehört irgendwie zusammen. 😊 In allen drei Bereichen geht es um die Menschen. Jeder Mensch ist für mich spannend, egal was für ein Leben er oder sie führt. Es ist spannend, Menschen kennen zu lernen und die Welt aus ihren Augen zu sehen. Das öffnet mir neue Einsichten. Und ich habe mich lange gefragt, was ist mein Auftrag in meinem Leben. Ich hatte immer das Gefühl, ich bin hier, weil ich eine bestimmte Aufgabe habe. Zuweilen hat mich das ganz schön traurig gemacht, weil ich diese Aufgabe verzweifelt gesucht habe und das Gefühl hatte, ich finde sie nicht. Vielleicht habe ich auch darum unbewusst viel ausprobiert und war auf der Suche. Jetzt weiß ich was meine Aufgabe ist und es mag sich für jede, die das liest, kitschig anhören, aber ich habe beschlossen, mich deswegen nicht zu verstecken. Ich glaube meine Aufgabe ist, mehr Licht in die Welt zu bringen. Den Menschen zu zeigen, wie wunderbar jeder einzelne ist und wie kostbar jedes Leben ist, wie einzigartig. Ich habe in den letzten Jahren in vielen Begegnungen erfahren, dass das Verschenken der eigenen Herzenswärme und der aufrichtige empathische Umgang mit anderen Menschen und meiner Umwelt, das Leben bunt und leuchtend macht. Ich war selber hart, sehr ehrgeizig, stark leistungsorientiert, weil ich von zu Hause gelernt hatte, dass du was erreichen musst im Leben, wer sein, um Anerkennung zu bekommen und dennoch war ich nicht glücklich, nicht einmal zufrieden, habe mich in meiner eigenen Perfektion krank gearbeitet. Als ich über das Yoga vor 11 Jahren begonnen habe zu verstehen, dass ich wunderbar bin, genauso wie ich bin ohne all die Abzeichen, ohne die ganzen Errungenschaften, habe ich begonnen mich selber zu mögen und liebevoll mit mir umzugehen. Das hat mich weicher gemacht und mich meiner wahren Natur, meinem inneren Licht nähergebracht. Und ehrlich, das ist das Beste was mir passiert ist, mich selber richtig kennen zu lernen und dann meine ganz eigenen Flügel zu öffnen und zu fliegen. Es sind noch junge Flügel, habe noch viel zu lernen. Wir alle haben dieses Licht in uns. Stell dir vor, wie würde unsere Welt hier unten und aus dem Weltall aussehen, wenn wir alle dieses innere Licht in seiner ganzen Kraft nach außen strahlen lassen würden?

" Das Wichtigste in den Kursen ist für mich, den Teilnehmern zu zeigen, dass es vor allem um Menschlichkeit, Herzenswärme und Empathie geht."

Jule: Hast du eine Lieblingsregion, in die es dich immer wieder führt und / oder in die du andere immer wieder hinführen möchtest?

Dani: Die ganze Welt ist wunderschön. Jede Region, ihre Menschen, ihre Kultur, ihre Landschaft, ihre Gerüche, Geschmäcker, Geräusche, ist etwas ganz Eigenes, ganz besonderes. Ich entdecke gerne neue Gebiete, neue Länder. Wo ich aber jedes Jahr bin, weil ich es dort traumhaft schön finde, die Stille beim Rennradfahren oder beim Wandern in den Bergen mit meiner ganzen Seele genieße, die warmen Sonnenstrahlen im März/April und das türkisblaue Meer tief unter mir, die Leichtigkeit der Tage und Nächte, ist Mallorca. Eine absolute Trauminsel und so nah!

Jule: Du erzählst von diesem Urvertrauen, das dich durchs Leben leitet. Woher kommt diese Sicherheit, dieser Mut?

Dani: Ich weiß es nicht genau, wann mir das erste Mal aufgefallen ist, dass ich mich auf mich verlassen kann. Als Kind hatte ich es nicht leicht und musste irgendwie groß werden. Da habe ich so viel erlebt und so viel gesehen, dass mir früh klar war, ich muss mich selbst um mich sorgen, damit es mir gut geht. Zum Glück hatte ich meine ganz wunderbare Schwester immer bei mir, ohne sie wäre es sehr dunkel gewesen. Daraus ist dieses Urvertrauen denke ich entstanden, dass ich immer auf die Füße fallen werde, immer wieder aufstehen werde und immer wieder meinen Weg gehen werde. Ich selber finde es gar nicht so mutig, eine Angestelltenstelle zu kündigen oder in ein fremdes Land zu ziehen, eine Weile aus dem eigenen Auto zu leben oder etwas ganz Neues anzufangen. Ich kann zwar verstehen, dass es anderen so geht, aber ich hatte dieses Gefühl nie. Es ist spannend und aufregend, seinem Herzen zu folgen und zu schauen, wo es einen hinführt. Und was soll schon passieren? Wir in Deutschland haben den Luxus in einem Land zu leben, wo es genug zu essen gibt, ein Dach über dem Kopf, fließend Wasser, wie viele Menschen haben das nicht und führen dennoch ein zufriedenes und glückliches Leben.

Jule: Du hattest eine sehr bewegte Kindheit mit zahlreichen Umzügen, Auslandsaufenthalten mit durchaus auch kritischen politischen Erlebnissen. Inwiefern hat dich das geprägt – und beeinflusst es das, wofür und wie du dich heute (beruflich) engagierst?

Dani: Das hat mich natürlich sehr geprägt. Während ich die dauernde Umzieherei, die immer wieder fremden Menschen, neuen Schulen schrecklich fand, ich dadurch keine Chance hatte, Freunde zu finden, immer einsam war, vielleicht sogar kauzig, bin ich heute dankbar für diese Erfahrungen. Sie haben aus mir den Menschen gemacht, der ich heute bin und mich auf meinen Weg gebracht. Ich bin mir sicher, ich hätte mich selber sonst nicht gefunden. Wenn alles prima ist im Leben, gibt es vielleicht keine Sehnsucht, keinen Grund für eine Suche. Ich bin dankbar, dass ich mich auf die Suche nach mir selbst gemacht habe. Und das Kennenlernen ist ja noch nicht abgeschlossen, sondern bleibt ein fortwährender Prozess. Ich finde andere Menschen jeden Couleurs, andere Kulturen, Religionen, Sprachen, Essen total spannend und freue mich, wenn ich Menschen auf der Straße, beim Einkaufen, in den Kursen, in meinem Leben begegne, die ganz anders sind oder aussehen als ich. Am liebsten würde ich sie alle ansprechen und mir ihre Lebensgeschichte erzählen lassen. Freiheit ist mir extrem wichtig. Das kommt bestimmt auch aus meiner Kindheit, wo ich keinen Einfluss auf die Geschehnisse hatte. Jedes Wesen hat das Recht in Freiheit zu leben und für jeden ist Freiheit etwas anderes. Für mich ist Freiheit, mein Leben ganz selbständig gestalten zu können. Und ich habe unendlich großes Glück mit meinem Mann jemanden gefunden zu haben, der nicht nur ein ganz außergewöhnlich wundervoller Mensch ist, sondern der die Freiheit genauso liebt wie ich. Und so können wir uns gegenseitig uns selbst sein lassen und wir machen neben den vielen gemeinsamen Touren auch Touren jeder für sich ganz allein ohne dass der andere es einem nicht gönnt oder sich verlassen fühlt. Offenheit, Neugierde, Flexibilität, gerne Zeit mit mir selber zu verbringen, die Stille zu lieben zeugen bestimmt aus meiner Kindheit.

Jule: Du erlebst gerade einen unglaublichen Aufwind – wie empfindest du das und wie gehst du damit um?

Dani: Ich bin selbst ziemlich geflasht, dass die Nachfrage nach meinen Outdoo-EH-Kursen so groß ist. Ich freue mich sehr darüber und bin gespannt was die nächsten Jahre bringen. Wichtig ist mir, dass mein Unternehmen natürlich wachsen kann, da muss ich achtsam sein, nicht zu schnell zu groß zu werden. Die Qualität soll ihr hohes Niveau halten, lieber ich kann einmal keinen Kurs annehmen, anstatt ihn nicht mit der Qualität liefern zu können, die ich möchte. Auch die technische Infrastruktur muss mitwachsen. Das braucht seine Zeit. Die erlaube ich mir auch zu nehmen.

Jule: Hast du ein Lebensmotto? Und wie integrierst du das in deinen Alltag?

Dani: Ja habe ich. „Meinem Herzen folgen“. In meinem Alltag versuche ich nicht so stark meinen Verstand die Entscheidungen treffen zu lassen, dieser hat oft Zweifel oder Ängste, sondern auf mein Herz zu hören. Es kennt Zweifel und Ängste nicht, es liebt einfach und zwar jetzt, nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. Zwei Dinge helfen mir dabei: 1. stehe ich vor einer Entscheidung, schaue ich mir die möglichen Wege an und frage mich: entscheide ich mich für A, weil ich das wirklich will, Zuversicht verspüre, in Liebe zu dieser Entscheidung bin oder eher weil ich Angst vor etwas habe. Wird mir klar, ich treffe die Entscheidung A aus Angst (z.B. keine guten Verdienstmöglichkeiten, kein Verständnis von Partner, mangelnde Anerkennung durch die Umgebung), und würde ohne Berücksichtigung der Angst viel lieber Entscheidung B wählen, habe ich meine Antwort. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Entscheidungen aus Angst mich im Kreis führen und ich immer wieder am gleichen Punkt ankomme, wo ich mich wieder entscheiden muss und zwar so lange bis ich mich aus Zuversicht und Liebe für eine Richtung entscheide. Dann geht es weiter. 2. Ich versuche mir treu zu bleiben, nicht so abhängig von Meinungen anderer und meine Bedürfnisse nicht hinter die von anderen zu stellen, meine eigene Wertigkeit nicht unter die anderer zu stellen.

Jule: Du sagst: „Ich bin auf dem richtigen Weg, aber noch nicht ganz angekommen“. Hast du bereits einen konkreten Traum, eine Vision für das „Weiter“?

Dani: Nein, habe ich nicht. Ich spüre aber, dass mein Weg noch weit ist. Ich freue mich auf das, was vor mir liegt und bin selber gespannt, was das Leben noch an Überraschungen für mich bereithält.

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