Biken in Schottland -Wenn auch der Staat mithilft

Text & Bild Norman Bielig
Geschichten

Graeme McLean im interview

Wieso hat Schottland so viele tolle MTB-Angebote, warum so aktive Vereine und warum eine so tolle Community. Eine einfache Antwort würde Graeme McLean lauten. Er ist der Verantwortliche hinter Developing Mountainbiking in Scotland. Wir haben uns mit ihm zu Organisationsformen, Chancen und Risiken unterhalten.

 
 

Norman Bielig: Könntest du dich bitte kurz vorstellen.

Graeme McLean: Hey, ich bin Graeme McLean und der Verantwortliche für Developing Mountainbiking in Scotland.

Norman Bielig: Was ist Developing Mountainbiking in Scotland?

Graeme McLean: Es ist ein partnerschaftliches Projekt der schottischen Regierung zur Förderung des Mountainbike Sports in Schottland. Wenn ich von Partnerschaft spreche, meine ich, dass wir in Schottland ein nationales Gremium haben, in dem alle Organisationen sitzen, die am Mountainbike Sport beteiligt sind, sowohl in Bezug auf Rennsport, Breitensport, Unternehmensentwicklung, Tourismus und Gesundheitsförderung, ebenso die Tourismusverbände, die Forstkommission und das Sportamt. Wir haben eine nationale Strategie zur Förderung des Mountainbikesports entwickelt und arbeiten mit diesen ganzen Partnern an deren Umsetzung.

Norman Bielig: Was war für euch der Startpunkt zu dieser Entwicklung, und aus welchen Gedanken heraus kam es dazu?

Graeme McLean: Mountainbiken nahm in Schottland relativ schnell Fahrt auf. Wir liebten dieses Sportgerät, das uns Gary Fisher brachte und als outdooraffine Nation mit einem sehr freizügigen Zugang zur Natur entwickelte sich Mountainbiken rasch in Schottland. Die Forstverwaltung war hier recht früh aufgeschlossen positiv lenkend mitzuarbeiten und schaffte wirklich nachhaltig angelegte MTB-Trails. Trails, die Mountainbikern den Einstieg in den Sport erleichterten, die ihr Fahrkönnen langsam steigerte und die im Unterhalt und der Einbettung in die Natur nachhaltig waren. 2001 gab es eine starke wirtschaftliche Krise in Schottland, auf Grund der Maul-Klauen-Seuche. Es wurde erkannt, dass Tourismus eine Möglichkeit war dieser Krise zu begegnen und die Forstverwaltung beantragte bei der EU Förderungen um ein Netzwerk aus Trailcentern zu kreieren, die 7stanes. Der Erfolg dieser Center beflügelte ähnliche Entwicklungen in anderen Teilen Schottlands. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine nachhaltige Strategie für diese Entwicklungen. 2007 kam es dann zu größeren Problemen und Konfrontationen von verschiedenen Seiten. Es schien alles recht verfahren zu sein, Trailpflege war ein Problem, Kommunikation zwischen verschiedenen Organisationen mehr als schwierig und so wurde 2009 die nationale Strategie zur Entwicklung des MTB-Sports erarbeitet. 2010 wurde Developing Mountainbiking in Scotland dann formal gegründet um die Umsetzung dieser Strategie zu überwachen und vor allem konstruktiv zu begleiten.

Norman Bielig: Wie lief der Prozess von allen beteiligten Organisationen, Vereinen und Ministerien akzeptiert zu werden? Ich kann mir das durchaus schwer vorstellen, da es hier ja auch immer um das Mandat geht.

Graeme McLean: Ich denke, dass wir immer noch in diesem Prozess stecken und das dieser auch nicht aufhören wird. Einerseits hat es uns natürlich geholfen als Regierungsorganisation eingesetzt worden zu sein, so dass wir ein klares politisches Mandat hatten, andererseits ist es vor allem die anhaltende Projektentwicklung die unsere Akzeptanz fördert. Mit jedem Projekt, das wir begleiten, mit jeder Vernetzung die wir herstellen und Grundlagenstudie, die wir erstellen wird unsere Rolle klarer, und vor allem unsere Arbeit. Aber klar, gerade die MTB-Szene hat uns am Anfang kritisch beäugt, in meinen Augen zurecht. Wir mussten uns unseren Stand durch Engagement auf regionaler und lokaler Ebene erarbeiten. Organisationen waren kritisch, sie fragten was genau wir umgesetzt haben, und da muss ich sagen „nichts“. Wir setzen keine Projekte um, sondern wir begleiten regionale und lokale Initiativen. Wir kommen nicht von außen und sagen den Leuten was sie tun sollen. Diese Initiativen wenden sich an uns, wir beraten sie dann, stellen wichtige Kontakte her und helfen mit Fallbeispielen aus anderen Regionen. Für uns war es von Anfang an klar, dass wir nicht wenige Projekte umsetzen wollen, sondern vielen Initiativen dabei helfen wollen zahlreiche Projekte umzusetzen. Das erschien uns einfach effektiver, auch wenn wir in Bezug auf Akzeptanz von außen oftmals nicht mit dem Erfolg eines Projektes in Verbindung gebracht werden. Nach mittlerweile sieben Jahren gibt uns dieses Vorgehen aber recht. Man muss dabei auch bedenken, dass jedes Projekt ca. vier Jahre in der Umsetzung benötigt, manche weniger, manche mehr. Wir hatten 2009/2010 noch keine aktiven Projekte, so dass 2014 erst die ersten Umsetzungen kamen.

Norman Bielig: Das heisst im Moment kommen diese lokalen Initiativen auf euch zu?

Graeme McLean: Genau, sie melden sich bei mir mit ihren Anliegen und ich versuche sie bei der Umsetzung zu unterstützen. Mittlerweile haben wir eine große Sammlung an Informationen auf unserer Website, gerade weil die Zeit, die ich in jedes einzelne Projekt investieren kann begrenzt ist. Wir vernetzen die Initiatoren und zeigen ihnen Wege auf. Ich bin aber auch immer noch sehr viel aktiv unterwegs. Das Ziel ist aber klar dabei zu helfen die Arbeit selbständig zu machen, daran wachsen auch die lokalen Communitys.

Norman Bielig: Aktuell sind auch einige Hochschule involviert. Gab es diese Kooperationen von Anfang an oder hat sich das erst entwickelt?

Graeme McLean: Nein, diese Kooperationen waren noch nicht einmal in der nationalen Strategie vorgesehen. Wir haben an einem Punkt gemerkt, dass es uns an Grundlagenstudien und Analysetools mangelt. Wir brauchten Zahlen, Daten, Fakten für die Bewusstseinsbildung und als Evaluation für die Projekte. Wir haben das zwar gemerkt, hatten aber noch keine Möglichkeit einer Kooperation gefunden. Der Startpunkt war dann eher ein wirtschaftliches Interesse. Der schottische Unternehmerverband wollte sich in Bezug auf Beratung und Produktentwicklung integrieren, Gründerhilfen leisten und stellten uns dafür die Kontakte her. Der Start der Hochschulzusammenarbeit war als tatsächlich die konkrete Produktentwicklung und Unternehmensberatung, also das was Danny jetzt noch betreut. Mittlerweile gibt es Hochschulstudien zur mentalen Gesundheit und Analysen zu anderen Dingen. Hier hat sich mittlerweile wirklich ein tolles Engagement der Hochschulen entwickelt.

Norman Bielig: Was würdest du sagen habt ihr bislang erreicht?

Graeme McLean: Wenn wir ehrlich sind, dann haben wir die Ziele der ersten nationalen Strategie nicht erreicht. Die Ziele waren extrem ambitioniert, wir wollten zum Beispiel 25 % Wachstum im MTB-Tourismus über fünf Jahre. Das war einfach nicht realistisch. Wir wollten die Beteiligung an MTB-Projekten steigern, ebenso am Mountainbiken als Sport.

Norman Bielig: Da du gerade von Steigerungsraten sprachst, wie messt ihr denn diese Steigerungen und an Hand welcher Indikatoren?

Graeme McLean: Wir messen hier verschiedene Dinge. Wir schauen uns die Besucherzahlen der Trailcenter an, über Parkplatztickets, über Wegenutzung und dann auch über Hochrechnungen. Wir schauen uns dazu noch an, wieviele Menschen in anderen Umgebungen fahren über diverse Apps, abr auch Zählungen. Diese Punkte, verbunden mit Hochrechnungen geben uns einen groben Überblick über die Besucherzahlen.

Norman Bielig: Wir haben hier in den letzten Tagen eine unglaubliche Community gesehen. Gerade bei den Awards haben sich alle Gruppen füreinander gefreut, es wurde gefeiert und sich ausgetauscht. Wie schätzt du euren Beitrag zur Bildung dieser Community ein?

Graeme McLean: Ich glaube, dass wir schon immer eine sehr starke Bike-Community in Schottland hatten. Was wir aktuell sehen ist die steigende Wahrnehmung, dass die Entwicklungen und Prozesse, die gerade in Gang sind und in Gang gesetzt werden sollen, nur gemeinsam erreicht werden können. Dass es auf allen Ebenen eine Zusammenarbeit braucht. Was wir dazu gebracht haben sind zusätzliche Partner in dieser Community, wie Forstverwaltung, Regierungsorganisationen, Bike-Business,... Aber wie gesagt, die Bike-Community war in Schottland schon immer sehr stark.

Norman Bielig: Was werden dann die nächsten Schritte sein, die ihr unternehmt?

Graeme McLean: Als Nächstes werden wir die nationale Strategie auffrischen und Ende des Jahres veröffentlichen. Wir müssen weiter an der Qualität unserer Infrastruktur arbeiten, wir brauchen weiterhin tolle internationale Events, wir müssen diese Events und andere Punkte nutzen um Besucher für Schottland zu gewinnen, müssen die Bike-Industrie bei ihren Entwicklungen unterstützen und sowohl touristische, wie auch andere Produkte entwickeln. Darüberhinaus werden wir vor allem an Partizipationsprogrammen arbeiten, wir werden Schulprogramme ausweiten, verstärkt daran arbeiten Frauen, Kinder und Familien in den MTB-Sport zu bekommen und natürlich werden wir auch weiterhin Sportler unterstützen, die Rennen fahren möchten und sich dort verbessern.

Norman Bielig: Und was magst du persönlich am Mountainbiken in Schottland?

Graeme McLean: Persönlich liebe ich das Abenteuer, das ich hier haben kann. Ich liebe es Neues zu entdecken und einfach raus gehen zu können und kleine Abenteuer zu erleben. Natürlich bin ich froh über die Trailcenter, gerade an Schlechtwettertagen oder mit der Familie sind diese super, gut gepflegt und einfach zugänglich. Aber das Abenteuer und die große Weite sind bedeutende Faktoren in Schottland, die ich einfach liebe. Ich habe einfach die Möglichkeit rauszugehen und die Weite zu erkunden, mich eigenverantwortlich mit meinem Handeln und der Natur auseinanderzusetzen. Responsible Access.

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