Zum ersten Mal war es bei mir vor fünf Jahren soweit, am Ende meines Praxissemesters beim world of mtb Magazin: Die ganze Redaktion inklusive Familienanhang versammelte sich am Flughafen München, um Ende November nochmal in die Sonne zu starten, biken zu gehen und zusammen Urlaub zu machen. Unser Reiseziel, von dem ich bis dahin nur alle schwärmen gehört hatte, war eine kleine Vulkaninsel im Atlantik: La Palma. Die nordwestlichste der sieben Kanarischen Inseln ist nicht nur die waldreichste (Wald nimmt rund 40 Prozent der Landesfläche ein), sondern auch die spaßigste, die man auf zwei Reifen erkunden kann.
Wiedersehen mit Freu(n)den
Anfang März 2017 bin ich schließlich wieder hier; es ist bereits mein insgesamt dritter Aufenthalt auf der Isla Verde. Diesmal begleitet mich unser Rennteam, bestehend aus Daniel, Sönke und Steffi. Wir wollen hier gemeinsam Tiefenmeter sammeln, epische Fotos machen und fit werden, bevor die Bike-Saison auf dem Kontinent überhaupt anfängt… Ein klassischer Arbeitseinsatz also – hätte doch deutlich schlimmer kommen können; wenn ich was „Anständiges“ gelernt hätte z.B. …
Nach einer kurzen Diskussion, wer jetzt wo schläft (mit dem Ergebnis, dass wir zum Biken und nicht zum Pennen gekommen sind)....
... stürmen wir die Werkstatt zum Bikes aufbauen, Fachsimpeln, Bier trinken und anschließenden schnellen Essen, bevor wir ins Bett fallen.
Zwischen Wanderschuhen und Fahrrad-Rucksäcken
Am Gate angekommen gibt es bereits einen ersten Eindruck von dem, was uns am Ziel erwartet: Das Handgepäck der Mitreisenden besteht zu 80% aus Trekkingbackpacks mit angebundenen Wanderschuhen und zu 5% aus Bike-Rucksäcken und Helmen. Keine Ahnung, was der Rest auf der Insel so vor hat? Vom Pauschaltourismus ist La Palma glücklicherweise verschont geblieben und so kommen die jährlich ca. 100.000 Gäste nicht, um, wie anderswo, aus Eimern zu saufen und am Strand zu braten, sondern um auf traumhaften Trails zu schwitzen. Fünf Stunden später stellen wir wieder die Sitze nach oben und unser Pilot erklärt entspannt, wie kurz die Landebahn ist; dass davor und danach nur der Atlantik kommt, Seitenwinde eher die Regel als die Ausnahme sind und nochmal Durchstarten schon mal passieren kann. Der schon etwas in die Jahre gekommene Wanderverein an Bord und die etwas jüngeren Biker lassen den zweisprachigen Monolog gelassen über sich ergehen. Es wird schnell deutlich, dass die 65.000 Deutschen, die es jedes Jahr hierher verschlägt, wohl, wie wir, Wiederholungstäter sind und die Insel einen so schnell nicht mehr loslässt.
Dieses Mal läuft alles glatt: Unser Vogel setzt sauber auf dem 2.200 Meter langen Asphaltstreifen auf und für den Piloten gibt es spontan Applaus – das hatte ich so auch schon länger nicht mehr.
Vollgepackt mit Rucksäcken, Taschen und unseren Bikes treffen wir auf Daniel und Sönke, die 20 Minuten vor uns aus Zürich angekommen sind.
Magic Bike La Palma
Mit einem alten Bekannten, unserm Shuttle-Fahrer Sergio, geht es nun schnell rüber auf die West-/Sonnenseite und zu Sigi und Tobi in die Bike-Station Magic Bike La Palma. Tobi hat uns am nächsten Morgen schon fest für den ersten Shuttle eingeplant und kurze Zeit später geht es mit Sergio rauf zum Refugio El Pilar auf 1.455 Metern, der Trails in alle Himmelsrichtungen und für jeden Gusto bietet. Als kleines Schmankerl zur Einstimmung schickt uns Tobi auf einen der vielen Local Trails, die von den Tour-Anbietern normalerweise nicht angesteuert werden. Nach ein paar gemütlichen Höhenmetern durch den Pinienwald geht es auch schon rein ins Vergnügen. Ist der Weg anfangs noch trocken und sandig, kommen wir bald in eine mit Moos und Flechten bewachsene Rinne, wo es durch die überhängenden Bäume gleich merklich kälter wird und es einige spontane Rutscheinlagen gibt. Unten angekommen rollen wir zur alten Passstraße, die vor dem Bau des hiesigen Tunnels Santa Cruz mit Los Llanos verband und die uns wieder zum Refugio bringt. Aus trainigstaktischen Gründen spiele ich dabei den unfitten Fotografen, der nach der Winterpause kaum den Berg hochkommt und lasse mich gleich mal schön von Sönke und Daniel schieben.
Den ersten richtigen Tag auf der Insel widmen wir der Erkundung, damit wir später beim Fotografieren gleich die Spots kennen und unsere La Palma-Küken Steffi und Sönke die Insel kennenlernen.
Vom Refugio treten wir anschließend die Trails in Richtung Reventon-Pass rauf, bis wir zu einer Schneise mit Strommasten im Wald gelangen. Fast in Falllinie talwärts zieht der Masten hier eine Rinne durch den tiefen Sand. Jetzt bloß nicht mit den Pedalen hängen bleiben; Bremse auf, ab nach unten und zurück in den Wald. Am Ende des Trail erwartet uns die Hexenebene: eine schwarze Wüste aus Vulkansand, eingerahmt von erloschenen Vulkankratern. Einige widerspenstige Kiefern trotzen der Einöde, deren dunkles Grün mit dem Schwarz des Sandes und dem blauen Himmel kontrastiert.
"Vom Pauschaltourismus ist La Palma glücklicherweise verschont geblieben und so kommen die jährlich ca. 100.000 Gäste nicht, um, wie anderswo, aus Eimern zu saufen und am Strand zu braten, sondern um auf traumhaften Trails zu schwitzen."
Unsere Erkundungsfahrt führt uns weiter Richtung Süden und bringt uns in ein 5.000 Hektar großes Gebiet, in dem 2016 ein Waldbrand wütete. Ein deutscher Aussteiger hatte ihn durch das Verbrennen von Klopapier ausgelöst. So traurig der verkohlte Anblick der Kiefern ist, so sieht man doch bereits wieder die ersten frischen Triebe und neben unserem Trail sprießt ein hüfthohes Meer aus Wildblumen.
Ansonsten zeigt sich La Palma hier erstmals von seiner wilden Seite: Messerscharfes Vulkangestein und ein verblockter Trail fordern unsere ganze Konzentration; stürzen will man hier auf keinen Fall. Zum Glück kommen wir unbeschadet und mit nur einem Cut im Reifen unten an. Nach einer kurzen Salami-Pause für die Gummipelle an Steffis Bike (für die Piloten gibt’s Bananen von der Insel) geht’s weiter zu Daniels Highlight: dem Bachbett in Jedey. Bekannt durch einige Videos von DH-Pro Jasper Jauch bahnt sich der Weg hier Richtung Meer; immer das Bachbett hinunter, das von einem erkalteten Lavastrom geformte wurde. Für Steffi und mich gibt’s dann auch recht bald ein paar Downhill-Kletterpassagen, während sich Daniel und Sönke über fast senkrechte Slickrocks freuen, die im tiefen, frisch vom letzten Regenfall aufgespülten Sand enden. Unten am Meer in Puerto Naos angekommen, organisiert uns Daniel schnell das nächste Shuttle. Nach einem Bocadillo (dem klassischen Sandwich, das man hier überall bekommt) und dem obligatorischen Cortado (einem kleinen Milchkaffee) geht es auch schon wieder nach oben zur nächsten Abfahrt und in Sigis verstecktes Paradies in der Altstadt von Los Llanos: Hinter einer mit kleinen, roten Bikern verzierten, ansonsten aber unauffälligen Fassade verbirgt sich ein in liebvoller Handarbeit errichtetes, gemütliches Guesthouse für 14 Trail-hungrige Biker – mit Außenduschen, Sauna und prächtigem Garten, der Schatten spendet.
"Messerscharfes Vulkangestein und ein verblockter Trail fordern unsere ganze Konzentration; stürzen will man hier auf keinen Fall. "
Für den nächsten Tag buchen wir statt Yoga und Massage doch wieder Bike-Vergnügen und so geht’s nach kurzer Shuttlefahrt und sechs Kilometern lockerem Treten rauf auf 1.470 Meter zum Reventon-Pass. Das Wetter spielt mit und wir genießen das Panorama, bevor wir den LP1 nach Santa Cruz entern. Über enge Felspassagen geht es im Zickzack unter dem Blätterdach des dichten Waldes hindurch nach unten, mit kurzen Fotostopps. Viel zu bald tauschen wir den Natur-Trail mit den engen Gassen von Santa Cruz und so geht es an den farbenfrohen Häusern und über Treppen Richtung Hafen, zu unserem Treffpunkt an einem kleinen Kiosk.
Abends zeigt sich dann in den Gassen der Altstadt eine weitere Besonderheit der Kanaren: in schwarzen Kleidern tanzende Einheimische, die feierlich eine Sardine beerdigen. Während dahoam das närrische Volk am Aschermittwoch die Partyhütte eingemottet hat, geht es hier noch feucht-fröhlich zur Sache. Sehr zum Missfallen von Daniel, verpassen wir wegen mir die Party in Santa Cruz, dafür geht es rauf auf den höchsten Punkt der Insel, zum Roque de los Muchachos. Tobi startet hier mit Freunden aus Freiburg noch eine ordentliche Tour auf den GR 131, auch bekannt als Roque Kante: 2.440 Tiefenmeter verteilt auf 17 km an der Abbruchkante der Caldera entlang. Für uns geht es in die andere Richtung, am Kraterrand entlang zum Pico de la Cruz auf 2.351 Metern, wo wir buchstäblich unsere Zelte aufschlagen und auch schon zwei Steinmäuerchen vorfinden, die Camper vor uns als Windschutz aufgeschichtet haben. Bei einer Flasche Wein von der Insel und einer ordentlichen Brotzeit mit Leckereien aus der Markthalle lassen wir den Blick über die Caldera schweifen und genießen die letzten Sonnenstrahlen
Für mich geht es jetzt aber nochmal rund: Kaum ist die Sonne im Meer versunken, zeigen sich auch schon die ersten Sterne. Während unter den wabernden Wolken der Karneval tobt, heißt es für mich alle paar Stunden nach der Kamera schauen und aus dem kuschligen Daunenschlafsack in die kalte und windige Nacht kriechen.
Lange vor Sonnenaufgang sind wir dann auch schon wieder auf den Beinen und staunen über das Naturschauspiel, das sich in der Dämmerung vor uns ausbreitet. Nach dem unvermeidbaren Fotoshooting auf den ersten paar hundert Metern Trail ist auch schon Tobi mit seiner Freundin Nina und den Freunden aus der Heimat da, die uns mit Frühstück und dem lang ersehnten Kaffee versorgen. Mit Kalorien und Koffein versorgt, geht es jetzt abwärts, also bis zum ersten von vielen Anstiegen, die uns auf dem GR 131 Richtung Süden erwarten.
"In schwarzen Kleidern tanzende Einheimische, die feierlich eine Sardine beerdigen. Während dahoam das närrische Volk am Aschermittwoch die Partyhütte eingemottet hat, geht es hier noch feucht-fröhlich zur Sache."
15 Kilo- und 1.100 Tiefenmeter folgen wir nun dem Trail, der sich bis zu den Salinen an der Südspitze der Insel zieht und rechts grandiose Ausblicke in die erloschene Caldera bietet. Links blickt man auf das türkisblaue Meer und Teneriffa. Auf halber Strecke machen wir Rast am Refugio Punta de Los Roques, einer einfachen Berghütte auf 2.040 Meter, in der man kostenlos übernachten kann, wenn man einen Schlafsack dabei hat. Von der Terrasse aus blicken wir nun schon auf die Welle aus Wolken, die von der nassen Ostseite der Insel über den Reventon-Pass auf die sonnenverwöhnte Westseite schwappt. Leicht dehydriert und übernächtigt träumen wir von eisgekühlter Cola und weichen Betten, bevor wir dann einige Meter tiefer auch schon in den Nebel eintauchen. Über einen alten Bekannten, den LP1, geht es über zahlreiche Kehren rechts runter Richtung El Paso und Los Llanos.
Tags darauf nehmen wir uns nun den Rest der Vulkanroute vor und umfahren den für die Wanderer reservierten Abschnitt auf der Ost-Piste, bevor wir wieder in den GR 131 einsteigen. Mit dem Klassiker, der über zahlreiche Vulkangipfel und schwarzen Lava-Sand führt und auch für Einsteiger gut machbar ist, verabschiedet sich dann Daniel auch schon wieder nach Hause.
Für Sönke, Steffi und mich geht es morgen nochmals los, in den Norden der Insel, wo uns rutschige Nadelteppiche und Farnwälder erwarten. Aber das seht ihr auf meinen Fotos sowieso besser als ich es je beschreiben könnte und so endet diese Reisestory im Ungewissen und nicht, wie sonst, klischeehaft am Flughafen.
Informationen
Beste Reisezeit
Ganzjährig
Bike-Verleih
Magic Bike La Palma
Fully für 6 Tage: 199€
Shuttle für 8 Personen
El Pilar: 55€
Roque de los Muchachos: 120€
Pakete
Tourenpaket mit täglichem Shuttle, Guide und Unterkunft in El Povenir ab 609€ pP
www.magic-bike-lapalma.com
Anreise
Direktflüge von München ab 300 Euro inkl. Bike-Transport