Auf MTB Entdeckungstour in Lesotho

Text und Bild Hoshi Yoshida
Reise

Königreich im Himmel

Der Zustand einer Grenzstraße zwischen zwei Ländern sagt einiges über das gegenseitige Verhältnis aus. Im Fall von Südafrika und Lesotho würde das Wort „ausbaufähig“ ausreichend Spielraum lassen, um sowohl die abenteuerlichen unbefestigten Passstraßen als auch das ambivalente Abhängigkeitsverhältnis beider Länder zu beschreiben. Lesotho ist eine Enklave, ein Land, das vollständig von seinem Nachbarland Südafrika umschlossen ist. Das Streben des Volksstammes der Basothen nach Souveränität ließ einst das Königreich auf dem Dach der Drakensberge entstehen, und dennoch haben sie sich damit in eine absolute Abhängigkeit zu Südafrika manövriert.

Als europäischer Tourist wird man sich höchst selten nach Lesotho verirren, als Mountainbiker noch seltener. Und dennoch hält dieses Land, das im Human Development Index im unteren Sechstel rangiert einige Überraschungen bereit.

 

 
 

Die Straßen sind kein Reisegenuss, aber sie leisten ihren Dienst und bringen uns gemächlich an unser Ziel.

Traumreise

Anlass dieser Reise ist der MTB Weltcup in Pietermaritzburg, im Bundesstaat Kwazulu Natal in Südafrika. In nur zwei Stunden Autofahrt vom Austragungsort kann man die massiven Drakensberge erreichen. Wem beim Anblick dieser Gebirgskette die Demut aber auch die Abenteuerlust packt wird nun am Ort seiner kühnsten Träume angelangt sein.
Unsere Reise beginnt in Underberg, am Fuße der Drakensberge. Mike Schär, Weltcup Downhillfahrer in der Juniorenklasse muss erst einmal sein für den Flug in Kartons verpacktes Downhill Bike für den Pick-Up transportbereit montieren.
Die Antwort auf die Frage, was sich auf dem Dach der Drakensberge befindet wurde bereits vorweg genommen. Aber die Frage, wie man dort hinkommt sollte man besser in professionelle Hände geben. Jene, die wissen wie ein Untersetzungsgang im Geländewagen funktioniert, wie das Sperrdifferential eingelegt wird und wie man Trails, die hierzulande mit der Klassifizierung Rot bis Schwarz ausgewiesen werden würden mit einem Allrad-Pickup hochfährt.
Vorab sei noch als Tipp erwähnt, dass die Mitnahme von Enduro Bikes den Spaß verdoppelt hätte. Denn die als Bundesstraße gekennzeichneten Aufstiege haben es nicht nur fahrtechnisch für Allradfahrzeuge in sich, sondern wären konditionell wie fahrtechnisch eine Herausforderung für guttrainierte Endurofahrer.

Ab Underberg, der letzten auf Asphaltstraßen erreichbaren Stadt auf der südafrikanischen Seite fährt man in etwa drei Stunden auf unbefestigten, buckeligen und anschließend technisch sehr anspruchsvollen Bergstraßen zum Grenzposten oben auf dem Drakensberg. Der Anstieg allein ist so strapaziös, dass man beim Erreichen der Grenze einen Orden erwarten könnte. Stattdessen erwartet uns ein grimmiger Grenzbeamter, der – wahrscheinlich aus Freude endlich mal wieder Menschen zu sehen – seine Kontrolle doppelt so gründlich durchführt.

Kurvenfahren in Lesotho. Geht ziemlich gut und selbst die schlecht ausgebauten Straßen sorgen für Bikespaß.

Weder Straßen- noch Handynetz vorhanden

Die Einfahrt nach Lesotho ist die Fortsetzung des Truck-Trial Parcours zum Grenzposten. Steile Felsstufen die nur mit guter Linienwahl und viel Fußspitzengefühl im Bremspedal zu bewältigen sind. Nach dem Stacheldrahtzaun erwartet uns ein atemberaubender Anblick von Weite, Kargheit, Ursprünglichkeit und Menschenleere. Das Mobiltelefon, das bereits beim Aufstieg kaum noch Signale mehr empfing verstummt nun gänzlich. Zum ersten Mal verspüren wir, wie beunruhigend es für die heutigen ständig surfenden Menschen sein kann, wenn man einige Tage vom Internet und Mobilfunknetz abgeschnitten ist. Unser Schicksal scheint nun vollkommen in der Hand des Guides zu liegen. Er weiß zum Glück wo man das Fahrzeug betanken kann, wo man etwas Essbares bekommt und vor allem wo man noch schnell Kerzen besorgen kann, als wir die Stromversorgung in der Lodge nicht zum Laufen bringen.

Die Lodge ist ein ehemaliges Schulgebäude und Gemeindesaal, immerhin sehr geräumig und mit einer großen Küche ausgestattet. Offenbar gibt es eine Gasversorgung, so dass wir warmes Essen kochen können und eine fast kontinuierlich fließende Warmwasserversorgung haben. Wir merken plötzlich welche unbedeutenden Aktivitäten, wie das Duschen zu einem Tageshighlight werden können. Die Nachttemperaturen fallen auf winterliches Niveau. Ohne Elektrizität und ohne Heizung sind wir auf Kerzen und warme Decken angewiesen. Die anfängliche Beklemmung weicht aber schnell der Abenteuerlust, dem Genuss der Stille und der Einfachheit. Die Reisemüdigkeit lässt uns schnell Abschalten und wir genießen in Abwesenheit des Zivilisationslärms den längsten Schlaf seit langem.

Die ersten Sonnenstrahlen konturieren das atemberaubende Bergpanorama.

Lesotho ist ein Hochgebirgsland. 80% des gesamten Staatsgebietes liegt über 1.800m und nirgendwo kommt man unter die 1.000 m Marke. Der erste Eindruck ist karg, aber eigentlich ist Lesotho ein wasserreiches Land, in dem viele Flüsse ihren Ursprung nehmen, sich durch Südafrika schlängeln und dann ins Meer fließen.
Im nahegelegenen Sehlabathebe-Nationalpark finden wir filmkulissenreife Felsformationen aus vulkanischem Basalt und Sandstein. An einigen Felsen befinden sich Eingänge und Öffnungen, die darauf hindeuten, dass diese Höhlen einst bewohnt waren. Für Wandertouristen und Abenteurer wären sie auch heute noch nutzbare Unterkünfte.

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