SwissStop – Zu Besuch beim Bremsen Spezialist

Text Holger Schaarschmidt Bild Stefan Schopf
Firmenportrait

Brake Boost

Seit einigen Jahren verbindet uns eine gute Partnerschaft mit SwissStop, deren Labor-Prüfstand wir für unsere herstellerunabhängigen Bremsentests nutzen dürfen. Mit den aktuellsten Stoppern, Bremsscheiben und zahlreiche Belägen im Gepäck machen wir uns auf den Weg in den südlichsten Zipfel des Schweizer Kantons Tessin. Hier spricht man italienisch und radelt zur Feierabendrunde an den Lago di Como oder den Lago di Lugano.

Aus der AllMountain & Tour 2018

 
 

Christian Heule (43), der Strippenzieher hinter SwissStop, hat uns bei unserem heutigen Besuch zu einer kleinen Führung eingeladen. Er kann auf 14 Jahre Profikarriere im Rennrad- und CycloCross-Sport zurückblicken; zehn Jahre lang bestimmte er dabei die Top Ten mit. Die Erfahrungen, die er dabei sammeln konnte, qualifizieren ihn optimal für seine jetzige Position im Sales- und Customer-Service.

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Christian Heule

Bekannt ist der 1935 von der Familie Favini gegründete Mutterkonzern REX Articoli Tecnici mit aktuell 100 Mitarbeitern vor allem für die Herstellung technischer Gummiprodukte. Bis 1991 produzierte man für die Firma Weinmann, dem damaligen Weltmarktführer für Felgenbremsen, etwa 20 Millionen Bremsbeläge jährlich. Nach dem Konkurs von Weinmann wollte man die über 25-jährige Erfahrung weiter nutzen und gründete die Marke SwissStop, mit der man sich eine bessere Marktwahrnehmung versprach. Mit Erfolg, wie wir heute wissen. Etwa ein Viertel des Jahresumsatzes von rund 25 Millionen Euro wird durch die Produktion von Bremsbelägen erwirtschaftet, Tendenz steigend. Im Herbst 2017 entschieden sich die Verantwortlichen bei SwissStop allerdings zu einer Rückrufaktion für Exotherm-Bremsbeläge, die man zu diesem Zeitpunkt noch in Taiwan herstellen ließ. Der Hintergrund: Bei sehr hoher Temperaturentwicklung während des Bremsvorgangs bestand die Gefahr, dass sich die Bremsbeläge von ihrer Aluminiumträgerplatte lösen. Daraufhin entschied man sich, die gesamte Produktion nach Mendrisio zu verlagern, um so besser die hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards wahren zu können.

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Die Herstellung der Bremsbeläge erweist sich als ein überraschend aufwendiges Verfahren ...

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... das ich mir in unserer hochautomatisierten Produktionswelt wesentlich einfacher vorgestellt hätte.

Forschung und Entwicklung

Im Labor empfangen uns Bernardo Moltrasio (34), verantwortlich für Forschung und Entwicklung, und seine Assistentin Frederica (29). Bernardo ist der Kopf hinter aktuellen Neuentwicklungen, dem Produktionsablauf und dessen Organisation. Außerdem ist er Herr über die Prüfstände.
Das erste Bremsenmodell wird eingespannt und durchläuft den Testzyklus. Bremskraft und Bremsweg sowie die Temperaturentwicklung durch Reibung am Rotor werden abhängig von einer simulierten Handkraft ermittelt und dokumentiert. Wir unterhalten uns über Zusammensetzungen und Kriterien, die einen perfekten Bremsbelag ausmachen. Die Lohnkosten in der Schweiz sind derart hoch (die Produktion ist etwa vier- bis fünfmal so teuer wie in Fernost), dass die Rohstoffkosten im Vergleich nicht weiter ins Gewicht fallen. So werden hochwertigste Ausgangsmaterialien verwendet, mit denen die Bremseigenschaften bis ins Detail optimiert werden können. Für den neuen RS-Belag sind das beispielsweise überaus hitzebeständige Aramid-Fasern, Kupfer sowie Resin, ein Extrakt aus dehydriertem Naturharz, der als Haftvermittler dient. Außerdem finden funktionelle Füllstoffe und abrasive Bestandteile Anwendung, deren Zusammensetzung bzw. Mischungsverhältnis ein gut gehütetes Firmengeheimnis ist. Die Herstellung der Bremsbeläge erweist sich als ein überraschend aufwendiges Verfahren, das ich mir in unserer hochautomatisierten Produktionswelt wesentlich einfacher vorgestellt hätte.

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In einem Vorpressverfahren wird im nächsten Schritt das Belagsmaterial in Form gebracht, um es im nächsten Arbeitsgang mit der Trägerplatte zu verbinden.

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Die Pads werden von Hand aus der Presse genommen und in eine weitere, wesentlich massivere Hydraulikpresse eingelegt.

Die Fertigung

Christian führt uns durch die Fertigung. Wir betreten einen Arbeitsraum, der mehr an ein Labor als eine Produktionsstätte erinnert. Im ersten Arbeitsprozess werden hier die Bestandteile in einem klar definierten Mischungsverhältnis händisch abgewogen. Richtig gehört! Aufgrund der geringen Rieselfähigkeit ist dies für RS-Beläge tatsächlich (noch) nicht maschinell möglich.

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Aufsprühen des Klebers auf die Trägerplatte um sie schließlich mit dem Belagsmaterial zu vereinigen.

Die Trägerplatten sind dann bereits von Schmutz- und Ölresten gereinigt, was in einer Art sandgefüllten Waschmaschine erfolgte, sowie mit einem hochwärmefesten Kleber versehen worden. Bei hoher Temperatur und einem Pressdruck von 120 bar wird die Hochzeit zwischen Belag und Trägerplatte vollzogen. Grob an einen einsatzfähigen Belag erinnernd, werden die fertigen Rohlinge aus der Anlage genommen und in die nächste Produktionshalle gebracht.

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Die Luft ist geschwängert von schwerem Kautschuk- und Ölgeruch. Die meisten Arbeiter tragen Atemschutz.

Wir passieren die „Küche“ der Gummiherstellung. Die Fertigung von SwissStop und dem Mutterkonzern REX geschieht in den gleichen Produktionshallen. Direkt neben den quietschgelben Yellow King Felgenbremsbelägen entstehen Dichtungen und riesige schallabsorbierende Bahnübergänge. Auch unsere Diskbrake Pads werden hier weiterverarbeitet. Iwan, Chef der Produktion, nimmt uns mit zum nächsten Arbeitsschritt.

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Die Beläge müssen nun in einer Schleifmaschine ...

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auf ein exaktes Maß gebracht und mit der Fase zur Montageerleichterung versehen werden.

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In der Nachbarhalle werden die Rückseiten der Trägerplatten mit der typspezifischen Farbe lackiert.

Bevor die Beläge nun in die uns bekannten Blister verpackt werden, wird noch das Label auf die Rückseite gedruckt. Die Verpackung der Beläge erfolgt zu einem großen Teil in zwei nahegelegenen Behindertenwerkstätten, womit REX bzw. SwissStop seine soziale Verantwortung in der Region wahrnimmt.
In der Zwischenzeit haben alle Bremsen den Labortest durchlaufen und wir sehen einmal mehr, wie unterschiedlich die verschiedenen Bremsensysteme im Labortest abschneiden. Einen entscheidenden Anteil an den Ergebnissen haben die Belagsmischungen. Beläge von SwissStop waren heute nicht im Test, doch auf einen Praxistest der neuen RS-Beläge bin ich nach den interessanten Einblicken in die Entwicklung und Produktion sehr gespannt.

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