Greyp – Konnektivität am E Mountainbike

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Vernetzte Bikes sind die Zukunft

Zukünftige Technologien spielen beim kroatischen Bikehersteller Greyp eine große Rolle. Im Gespräch mit Predrag Pejic, Head of Electrical Engineering.

 
 

Eine Fahrradpräsentation, die per YouTube in die ganze Welt übertragen wird – ähnlich der Präsentation eines neuen iPhones? Dass zukünftige Technologien beim kroatischen Bikehersteller Greyp eine große Rolle spielen, zeigte sich beim Launch des neuen „Greyp G6“-E Mountainbikes im vergangenen Frühjahr nicht nur am für einen Radhersteller ungewöhnlichen Livestreaming. Auch das Bike selbst punktet mit vielen digitalen und vernetzten Features, angefangen bei der integrierten eSIM Card über ein verbautes Kommunikationsmodul mit zahlreichen Sensoren bis hin zu zwei fest installierten Kameras. „Im Gegensatz zu traditionellen Bikeherstellern haben wir unser Bike nicht mit elektronischen Komponenten bestückt, sondern es um die Elektronik herum aufgebaut“, sagt Predrag Pejic, Head of Electrical Engineering bei Greyp, nicht umsonst. Mit dem Experten haben wir uns über die Ansätze von Greyp, die Features des G6 und die Frage unterhalten, wie das E Mountainbike der Zukunft aussehen könnte.

Greyp - Konnektivität am E Mountainbike Predrag Pejic

Predrag Pejic, Head of Electrical Engineering bei Greyp

Werner Müller-Schell: Predrag, wenn ihr davon sprecht, dass bei der Entwicklung des Greyp G6 die Elektronik im Mittelpunkt stand: Was meint ihr damit genau?

Predrag Pejic: Normalerweise wird ein E Bike um einen Motor herum designt und dann entsprechend mit Komponenten bestückt. Wir haben allerdings mit den elektronischen Funktionen des Rades und seinen konnektiven Features begonnen. Das heißt, dass der Elektromotor nur eines von vielen elektrischen Bauteilen war, die wir als Grundlage für das Raddesign genommen haben. Letztlich wurde alles so konstruiert, dass wir nicht von einem Mountainbike mit Elektromotor sprechen, sondern eher von einem komplett in eine elektronische Systemumgebung eingebetteten Bike. Das hat die Entwicklung sehr komplex gemacht. Für den User ermöglichen die zahlreichen konnektiven Features des G6 aber ein neues Level an Bikeerlebnis.

Werner Müller-Schell: Konnektivität ist ein großes Wort. Wenn ihr von konnektiven Features sprecht: Was bedeutet das konkret?

Predrag Pejic: Prinzipiell meinen wir damit die Kommunikationsfähigkeiten des Rades – sowohl mit dem User auf der einen als auch zwischen den einzelnen Komponenten auf der anderen Seite. Der Hauptaspekt am G6 ist sicherlich, dass das Smartphone das Hauptinterface ist, mit dem der Fahrer mit dem Rad kommuniziert. Es gibt also keinen Bordcomputer, sondern man hat per App die volle Kontrolle – auch wenn man nicht auf dem Rad sitzt. Im Gegensatz zu klassischen E Mountainbikes ist das G6 zudem von Natur aus mit zahlreichen Sensoren vollgepackt, die verschiedenste Daten aufzeichnen und diese dann weiterverarbeiten. Nur zwei Beispiele: Der Unterstützungsgrad des Motors passt sich in etwa der Herzfrequenz des Fahrers an. Und wenn man einen Unfall hat, wird das vom Rad selbstständig erkannt und es wird automatisch ein Notruf abgesetzt.

Werner Müller-Schell: Das heißt, das Rad ist auch ständig „online“?

Predrag Pejic: Genau. Das ins Cockpit integrierte Kommunikationsmodul [Central Intelligence Module, kurz CIM; Anm. d. Red.] ist für die Vernetzung der Sensoren mit dem Motor zuständig und dafür auch mit einer eSIM Card ausgestattet. Diese funktioniert in bis zu 140 Ländern auf der ganzen Welt, sodass die Daten so gut wie überall übertragen, gesammelt und ausgewertet werden können – und so das besondere Fahrerlebnis mit dem G6 ermöglicht werden kann. So etwas ist in der Fahrradbranche noch neu – nicht umsonst, haben wir auf der vergangenen Eurobike den Eurobike Award für unseren systemintegrativen Ansatz bekommen.

Greyp - Konnektivität am E Mountainbike G6

Im Gegensatz zu klassischen E Mountainbikes ist das G6 zudem von Natur aus mit zahlreichen Sensoren vollgepackt.

Greyp - Konnektivität am E Mountainbike G6 Detail

Der Hauptaspekt am G6 ist sicherlich, dass das Smartphone das Hauptinterface ist, mit dem der Fahrer mit dem Rad kommuniziert.

Werner Müller-Schell: Du sprichst es an: Ein Bike um Sensoren herum aufzubauen, ist ein relatives Novum in der Bikebranche. Wie seid ihr bei der Entwicklungsarbeit vorgegangen?

Predrag Pejic: Novum trifft es gut. Deshalb mussten wir auch von ganz vorne beginnen und alle Schritte von Grund auf neu denken – ein Prozess, der deshalb auch fast vier Jahre gedauert hat. Wir unterscheiden in unserer Entwicklungsarbeit vor allem drei Entwicklungsbereiche: die Entwicklung der Hardware und der elektronischen Bauteile – die Abteilung, in der ich arbeite. Ein weiteres Team kümmert sich um die Entwicklung und Vernetzung der benötigten Chips. Und ein drittes Team programmiert die Software, mit der der Biker letztlich mit dem Rad kommunizieren kann – also die App und Ähnliches. Nach und nach haben wir so die einzelnen Komponenten und Bauteile entwickelt und miteinander verknüpft.

Werner Müller-Schell: Greyp ist eng verwandt mit der Schwesterfirma Rimac Automobili, die durch ihre elektrischen Sportwagen auch die Automobilindustrie aufgewirbelt hat. Inwieweit konntet ihr von dem Know how aus dem Automobilbereich profitieren.

Predrag Pejic: Wir haben zwar die gleichen Wurzeln, arbeiten aber trotzdem getrennt. Das heißt, dass wir bei Greyp auch eigenständig entwickeln. Nichtsdestotrotz haben wir bei Greyp natürlich auf dem Know how von Rimac Automobili aufbauen können. Sehr ähnlich ist dabei unser Ansatz: Wir sind Experten, wenn es um Elektronik und Konnektivität geht – und übertragen unser Know how in die Bikewelt. Auch unser Geschäftsmodell ist ähnlich: Wir wollen mit unseren Produkten das technisch Mögliche zeigen, um so die Technologie voranzutreiben.

Werner Müller-Schell: Also seid ihr eher Technologie- als Bikehersteller?

Predrag Pejic: Letztlich natürlich beides, aber so falsch ist diese Wortwahl sicherlich nicht. [lacht] Dazu eine anschauliche Zahl: Von unseren knapp 70 Mitarbeitern sind mehr als die Hälfte im Bereich Forschung und Entwicklung (R&D) tätig – und davon wiederum ein Großteil im Bereich Programmierung und Software. Das ist für einen Fahrradhersteller sicherlich eine sehr ungewöhnliche Verteilung. Wir alle bei Greyp lieben Bikes, aber unser großer Schwerpunkt ist sicherlich die Technologie.

Werner Müller-Schell: Steuerung per App, ständige Verbindung mit dem Internet – welche weiteren Features gehören zum Bereich Konnektivität am E Mountainbike?

Predrag Pejic: Die Verbindung mit dem Internet ist der grundlegende Aspekt. Damit einher gehen aber unzählige Möglichkeiten. Unsere Sensoren sammeln Daten, über die man die Einstellungen des Rades an den Fahrstil anpassen kann – Herzfrequenz, Leistung, Geschwindigkeit und viele weitere. Über diese Daten kann man dann seine Rides und auch das Training steuern. Man kann sich über einen integrierten Competition Mode zudem virtuell mit anderen messen, das Bike kann Fahrten automatisch im Internet teilen und viele andere tolle Dinge machen. Außerdem ist das Rad mit zahlreichen digitalen Tools ausgestattet – etwa mit zwei Videokameras vorne am CIM und hinten an der Sattelstütze, mit denen man seine Rides direkt streamen kann.

Greyp - Konnektivität am E Mountainbike Ride

Werner Müller-Schell: Der Competition Mode und die Kameras sind vor allem spielerische Aspekte. Konnektivität kann aber auch die Sicherheit erhöhen. Eine Funktion des G6 ist etwa, dass man das Rad per GPS Sensor tracken kann. Welche Vorteile hat das?

Predrag Pejic: Das ist ganz klar ein sehr großer Sicherheitsfaktor. Per App kann man nämlich jederzeit sehen, wo sich das Bike gerade befindet – und es sogar per App aus der Ferne aktivieren oder deaktivieren. Uns selbst hat diese Möglichkeit schon wertvolle Dienste geleistet. Auf der vergangenen Eurobike wurde uns nämlich ein Bike gestohlen. Der Dieb war schlau und hat zuerst die komplette Kommunikationseinheit deaktiviert. Nach einiger Zeit wurde sie allerdings wieder aktiviert – in Serbien. Dank der GPS Sensoren und der am Bike integrierten Videokameras konnten wir nicht nur das Haus des Diebes genau lokalisieren, sondern wussten auch noch, in welchem Raum das Rad steht und wie dieser aussieht. Mit dieser Beschreibung in der Hand haben wir die serbische Polizei kontaktiert – und hatten letztlich unser Rad sehr bald wieder.

Werner Müller-Schell: Viele unserer Leser sind auch leidenschaftliche Schrauber. An heutigen Autos kann man aufgrund der vielen Chips und Sensoren immer weniger selbst reparieren. Zählt zum Bike Set up neben der Einstellung von Fahrwerk und Komponenten nun auch das digitale Set up?

Predrag Pejic: In gewisser Weise ist das so. Wobei sich das komplexer anhört, als es letztlich ist. Der Fahrer kann das Rad simpel per App steuern, und die Einstellungen sind alle sehr einfach zu tätigen. Letztlich erlauben die konnektiven Features dem Fahrer mehr Kontrolle – das mechanische Grundprinzip eines E Mountainbikes bleibt davon also unberührt.

Werner Müller-Schell: Die zahlreichen digitalen Komponenten haben allerdings auch ihren Preis. Das G6 beginnt mit einem Verkaufspreis von 6.499 Euro in der niedrigsten Ausstattungsvariante. Die Topvariante kommt auf 7.499 Euro. Stolze Summen …

Predrag Pejic: Das stimmt. Die Preise für gute E Mountainbikes sind aufgrund des Motors und des enthaltenen Engineerings ja schon von Natur aus relativ weit oben angesiedelt. Bei uns kommen eben noch verschiedene hochpreisige Sensoren hinzu – etwa für die Videokameras. Das summiert sich letztlich auf, wobei das positive Feedback unserer Kunden auch zeigt, dass der Preis für so ein High End Bike gerechtfertigt ist. Man muss aber auch klar sagen: Je mehr solche technologischen Grundausstattungen in den Massenmarkt Einzug halten, desto mehr werden auch die Preise fallen.

Werner Müller-Schell: Das heißt, konnektive Features wie am G6 könnten wir in Zukunft auch an günstigeren E Bikes sehen?

Predrag Pejic: Darauf arbeiten wir hin. Zum Beispiel befinden wir uns derzeit in vielversprechenden Gesprächen mit anderen Bikeherstellern, die an unseren Technologien interessiert sind. Wir können hier noch keine Details verraten, aber solche Partnerschaften könnten diesen Prozess sicherlich beschleunigen.

Werner Müller-Schell: Integrierte eSIM Karten, Videokameras am Bike, umfassende Konnektivität – bisher hört sich das noch sehr futuristisch an. Werden solche Features irgendwann einmal zum Standard eines E Mountainbikes gehören?

Predrag Pejic: Davon bin ich überzeugt. Und dass das keine Utopie ist, zeigt sich ja am Auto. Vor zehn Jahren waren LED Displays am Armaturenbrett nur etwas für die Luxuskategorie. Heute will jeder ein entsprechendes Display und konnektive Funktionen wie Apple Car Play haben, wenn er sich einen Neuwagen kauft. Beim Fahrrad wird sich das genauso entwickeln. Vernetzte Bikes sind die Zukunft.

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