Die Bikeszene in Stuttgart ist quicklebendig – trotz der baden-württembergischen Zwei Meter Regel. Diese zwei Pole miteinander zu verbinden und der ebenso großen wie bisher losen Community eine gemeinschaftliche Dynamik zu geben, das hat sich der frisch gegründete Verein „Mountainbike Stuttgart e.V.“ auf die Fahnen geschrieben. Als engagierte Treiber mit dabei: Conny Bucher und Steffi Oechsle. Viel mehr als nur Quote, verleihen sie dem sechsköpfigen Vereinsvorstand die explizit gewünschte weibliche Stimme und zugleich geballte Kommunikations Expertise. In ihrer Tandem Rolle ergänzen sie sich dabei hervorragend.
Vereinsvorstände des "Mountainbike Stuttgart e.V." im Interview
Judith Lell-Wagener: Ihr seid beide Gründungsmitglieder des neuen Vereins Mountainbike Stuttgart e.V. und wart schon ganz früh mit im Boot, als die Idee geboren und dann zum Leben erweckt wurde. Erzählt doch mal, wie das lief und wir ihr an Bord kamt!
: Conny: Ein Freund von mir hatte mich abends spontan zu einem Treffen mitgenommen. Ich meine, es waren etwa acht bis zehn Männer, ich die einzige weibliche Person. Ich wurde sehr schnell mitgerissen von der Energie. Die Jungs hatten sich schon längere Zeit mit der Legalisierung der Mountainbike Trails in und um Stuttgart beschäftigt und tatkräftig dafür eingesetzt. Der Stuttgarter Kessel brodelte also bereits. Steffi: Ich bin über meinen Arbeitgeber, Bosch eBike, auf die Truppe gestoßen. Bosch ist sehr interessiert daran, dass Mountainbiken in einem legalen Rahmen stattfinden kann, und so haben sich die Wege mit einigen der Vereinsmitglieder gekreuzt, die die Diskussion zur Zwei Meter Regel mit politischen Entscheiden bereits gesucht hatten.
Judith Lell-Wagener: War euch sofort klar: „Da bin ich in ‚leitender Position‘ mit dabei“ – oder musstet ihr erst noch überzeugt werden?
: Steffi: Wir hatten beide sofort Lust darauf, uns einzubringen, allerdings ohne den Gedanken an eine leitende Funktion. Als sich die Möglichkeit abzeichnete, mussten wir ein paar Nächte darüber schlafen. Conny: Ausschlaggebend war dann, dass wir uns einen Posten und eine Aufgabe teilen können.
"Was die Zusammenarbeit vereinfacht, ist, dass wir beide einen hohen Anspruch an uns selbst haben und beide perfektionistisch veranlagt sind."Steffi Oechsle
Conny Bucher teilt sich mit...
Judith Lell-Wagener: Was benötigt man, um einen Sportverein zu gründen – formell, aber auch an persönlichem Engagement, Streitkultur, Idealismus …? Und wie erlebt ihr das bei euch im Gründungsteam?
: Conny: Formell bedarf es einer bestimmten Anzahl von Gründungsmitgliedern, eines Bankkontos, Besuchen beim Notar, beim Registergericht und so weiter. Vor allem aber ist ganz viel persönliches Engagement wichtig – hauptsächlich in der Gründungsphase. Dabei muss man natürlich Konsens mit den anderen Vorstandsmitgliedern finden, was bisher aber immer sehr gut geklappt hat. Wir beide sind Bauchmenschen und wollen unsere Ideen eher früher als später umgesetzt sehen. Da fühlt sich die Diskussion vielleicht manchmal zäh an. Aber das gemeinsame Ziel steht im Vordergrund.
Judith Lell-Wagener: Gutes Stichwort: Ziele. Welche verfolgt euer Verein – und welche ihr persönlich mit dem Verein?
: Conny: Unser Hauptziel ist es, die bestehenden Trails zu legalisieren. Wir haben hier eine tolle Lage und es gibt bereits viele Wege, die man super miteinander verbinden kann, um ausgedehnte MTB Runden zu fahren, was aber wegen der Zwei Meter Regel illegal ist. Des Weiteren möchten wir gerne die große Mountainbike Community, die es in Stuttgart gibt, stärker miteinander verbinden. Wir hoffen darauf, durch eine starke Präsenz auch mehr gegenüber der Stadtverwaltung bewegen zu können. Auch Bikerinnen möchten wir ganz persönlich verstärkt ansprechen. Wir haben einige weibliche „Fahrradfreaks“ im Freundeskreis, und es ist unglaublich, wie sich das noch viel weiter entwickelt hat in den letzten Jahren. Das Selbstbewusstsein der Frauen ist um einiges gestiegen. Und dabei wollen wir natürlich auch unterstützen, sei es durch Ausfahrten nur für Mädels, Schrauberkurse und so weiter. Da haben wir viele Ideen.
Judith Lell-Wagener: Habt ihr euch bereits zuvor politisch und gesellschaftlich engagiert, oder bewegt ihr euch aktuell auf ganz neuem Terrain?
: Steffi: Es ist für uns beide die erste Aufgabe in dieser Richtung. Als Marketing Managerin bei Bosch eBike bin ich allerdings inhaltlich sehr vertraut mit dem Bikethema von der Industrieseite und auch mit Trailkonzepten, da ich unter anderem die Tourismuspartner betreue. Und in der Form eines Vereins ist es mir aus einer anderen Perspektive bekannt: Mein Papa war Vorsitzender meines damaligen Sportvereins. Conny: Ich engagiere mich immer wieder bei gemeinnützigen oder sportlichen Aktionen und führe ein Designbüro mit zwei Kolleginnen. Da muss ich manchmal natürlich auch die Führungsrolle einnehmen. Ich schätze, das ist hilfreich.
... Steffi Oechsle den Post der Vereinskommunikation im "Mountainbike Stuttgart e.V."
Judith Lell-Wagener: Wie fühlt ihr euch aktuell mit eurem neuen Ehrenamt? Was macht euch am meisten Freude, was fordert euch eventuell?
: Conny: Für so einen Verein benötigt man, wie gesagt, sehr viel Engagement und Zeit, und das alles neben der üblichen Arbeit. Das fordert definitiv, ist aber aufgrund der Leidenschaft fürs Mountainbiken und dem Herzblut für Stuttgart zu verkraften. Uns hat die schnell wachsende Mitgliederzahl überrascht und sehr gefreut. Besonders gefreut haben wir uns über unsere Freunde und Bekannte, die in den Verein eingetreten sind. Auch wir als Team müssen noch richtig zusammenwachsen, da gehören mehr Leute dazu als nur der Vorstand. Wir haben bereits viele Aktive und sind gespannt, wer sich zukünftig noch einbringt.
Judith Lell-Wagener: Conny, du hast es bereits erwähnt: Ihr teilt euch als Tandemteam den dritten Vorstandsposten, was ja doch etwas ungewöhnlich ist, oder? Warum ist das so und wie sieht das in der Praxis dann aus?
: Conny: Unter anderem aus Zeitgründen haben wir uns entschieden, den Posten gemeinsam zu übernehmen. Dafür mussten wir schon auch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten, aber nachdem der Wunsch nach weiblicher Verstärkung im Vorstand doch groß war, ließen sich die anderen darauf ein. Und jetzt haben sie die geballte Ladung Frauenpower. Wir sind Experten in unterschiedlichen Bereichen und ergänzen uns damit auch prima. Wir beide einigen uns einfach vorher, was Entscheidungen angeht, und geben dann eine gemeinsame Stimme ab.
Judith Lell-Wagener: Warum habt ihr euch gerade die Vereinskommunikation als euren Aufgabenbereich herausgesucht?
: Steffi: Bei uns beiden spielt Kommunikation im Job eine sehr wichtige Rolle. Ideen und Konzepte in ansprechender Form an den Mann oder die Frau zu bekommen, macht uns Freude – am allermeisten natürlich, wenn es Dinge sind, für die wir brennen. Das trifft für die Ziele des Vereins selbstverständlich zu.
Die große Mountainbike Community, die es in Stuttgart gibt, stärker zu vernetzen und ihr eine Stimme zu geben ist das Ziel des "Mountainbike Stuttgart e.V."
Judith Lell-Wagener: Wart ihr eigentlich schon vor der Vereinsgründung Freundinnen oder habt ihr euch erst durch die Vereinsplanung kennengelernt?
: Steffi: Wir haben uns schon lange vor den ersten Vereinsplanungen auf dem Mountainbike kennengelernt. Wir fahren hier ja häufig in Gruppen, und oft bringt jemand Bekannte und Freunde zu den Runden mit. Und da Frauen dabei doch leider meistens immer noch in der Unterzahl sind, ist man natürlich besonders neugierig auf andere Mädels. Unsere Gemeinsamkeiten waren dann ein guter Startpunkt für viele weitere gemeinsame Fahrten und andere Aktivitäten.
Judith Lell-Wagener: Was verbindet euch als Team? Und wo seid ihr eventuell ganz unterschiedlich?
: Steffi: In erster Linie verbindet uns unsere Freundschaft auf und neben dem Mountainbike. Dabei teilen wir auch die ein oder andere Angst, zum Beispiel vor ausgesetzten Trails, versuchen uns aber gegenseitig zu motivieren und auch das zu überwinden. Mit Perspektive auf den Verein verfolgen wir die gleiche Idee: Teil der MTB Community in Stuttgart zu sein und diese aktiv mitzugestalten. Was die Zusammenarbeit sicher vereinfacht, ist, dass wir beide einen hohen Anspruch an uns selbst haben und auch beide perfektionistisch veranlagt sind.
Judith Lell-Wagener: Ihr beide führt eure Bikes gerne in etwas raueres, technisch anspruchsvolles Gelände. Sprecht ihr mit eurem Verein ebenfalls vorwiegend Trail- und Enduro Liebhaber an oder seid ihr offen für alle MTB Disziplinen und Leistungsstufen?
: Steffi: Unser Vereinshauptziel liegt ja darin, die bestehenden Trails rund um Stuttgart zu legalisieren. Vom Charakter her sind das facettenreiche All Mountain- und Enduro Trails. Diese Trails verbinden uns Stuttgarter, daher wird sich der Schwerpunkt auch danach ausrichten. Wirft man einen Blick auf unsere 25 Gründungsmitglieder, finden sich da bereits unterschiedlichste Vorlieben und Hintergründe: von Cross Country über Enduro bis Downhill; vom reinen Hobbyfahrer bis zum Semiprofi. Mountainbiken hat einfach unglaublich viele Facetten, und wir sind neugierig auf alle. Das äußert sich auch bei uns persönlich: Conny ist letztes Jahr zum Beispiel bei ein paar Cross Country- und Spaß Cyclocross Rennen mitgefahren, weil sie es mal testen wollte. Ansonsten fahren wir beide auch gerne mal Rennrad oder unsere Dirtbikes auf dem Pumptrack. Wir denken, die Mischung macht’s!