Monatsfrau – Greta Weithaler

Text Judith Lell-Wagener Bild Jannis Dietrich
Kurvenreich

E Bike Botschafterin statt Cross Country Rennen

Noch vor wenigen Jahren gilt Greta Weithaler als neuer, verheißungsvoller Stern am Cross Country Weltcup Himmel. Doch der Leistungssport zehrt die junge Südtirolerin auf, sie schlittert in eine Depression, hängt 2015 ihre Karriere und damit erst einmal auch das Rad an den Nagel. Bis sie das E Biken entdeckt – und mit ihm ein neues Leben auf dem Bike. Sie wird E Bike Botschafterin und macht es sich zur Aufgabe, die neue, entspannte Freude und den Fahrspaß, den sie mit dem E MTB verbindet, auch für andere erlebbar zu machen. Ansteckend und überzeugend wirkt dabei nicht nur ihr Lachen, sondern auch die natürliche Selbstverständlichkeit, mit der sie den Sport betreibt und nach außen vertritt.

 
 
"Persönlich denke ich, dass die Zeit, in der das E MTB ein umstrittenes Thema war, so langsam rum ist - zum Glück."

Judith Lell-Wagener: Greta, gleich zu Beginn mal eine provokante Frage: Du bist jung, mehr als fit, fahrtechnisch stark – wieso fährst du ein E Mountainbike?

Greta Weithaler: Provokante Antwort zurück: Warum nicht? :-)

Judith Lell-Wagener: E Mountainbiken ist nach wie vor ein umstrittenes Thema. Wie war das bei dir? Musstest du auch erst einmal überzeugt werden, oder bist du gleich mit voller Begeisterung eingestiegen?

Greta Weithaler: Persönlich denke ich, dass die Zeit, in der das E MTB ein umstrittenes Thema war, so langsam rum ist – zum Glück. Einerseits konnte ich die anfängliche allgemeine Abneigung verstehen, denn das ist halt nun mal typisch „Spezies Mensch“. Andererseits war ich selbst sofort Feuer und Flamme, etwas Neues auszuprobieren. Es hat sofort Spaß gemacht, und was kann falsch daran sein, Spaß zu haben?

Judith Lell-Wagener: Was macht das E Mountainbiken für dich aus, was fasziniert dich daran?

Greta Weithaler: Am Ende ist es die Leichtigkeit, die es meiner Art von Mountainbiken gibt. Ich kann das E MTB als Aufstiegshilfe benutzen, um so viele Abfahrten und Trails zu kombinieren, oder ich kann eine Tour durch Trails im Uphill komplett neu gestalten. Gruppen unterschiedlicher Fitness­levels können gemeinsam fahren, ich zum Beispiel kann mit meiner Mama zusammen Mountainbiken und wir beide kommen auf unsere Kosten. Wie cool ist das denn? Auch jetzt, mit einer leichten Verletzung am Fuß, kann ich das E Bike als Wiedereinstieg nutzen.

Judith Lell-Wagener: Was ist für dich der größte Unterschied zum motorfreien Mountainbiken? Was hat sich für dich persönlich dadurch am stärksten verändert?

Greta Weithaler: E Mountainbiken und Mountainbiken ohne Motor sind für mich zwei verschiedene Sportarten und ergänzen sich bestens! Der größte Unterschied: ein Motor. [lacht] Und dieser Motor ermöglicht eben eine neue Art des Mountainbikens, vor allem auf technischen Uphill Passagen, wo eine komplett neue Fahrtechnik dazukommt. Mir hat das E Bike den Spaß am „normalen“ Biken wiedergebracht, nachdem ich eine längere mentale Pause eingelegt hatte. Ich konnte aufs Bike steigen, ohne Druck, ohne Hemmschwelle. Das war viel wert.

Mit sich selbst im Reinen: Das Biken hat Greta auch beim Umgang mit ihrer Depression, über die sie ganz offen spricht, geholfen.

Judith Lell-Wagener: Eco- oder Turbo Modus? Wie viel Lust am Schnellfahren steckt noch in dir, wenn du privat mit dem E Bike unterwegs bist?

Greta Weithaler: Immer eine der höchsten Stufen. Im Notfall eine zweite Batterie. Ich bin gerne schnell unterwegs und teste auch gerne meine Grenzen aus. Aber inzwischen ist es mir viel wichtiger, mit welchen Menschen ich unterwegs bin, dass wir eine gute Zeit und Spaß haben. Ob man dann schnell oder gemütlich unterwegs ist, spielt gar keine Rolle. Hauptsache jeder ist happy.

Judith Lell-Wagener: Du bist im „Team der Bosch Uphill Flow Enthusiasts“ und damit als E Bike Ambassadorin tätig. Wie kam das, und was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Greta Weithaler: Es war kurz nachdem ich aufgehört hatte, Wettkämpfe zu fahren, und dem Mountainbiken komplett den Rücken zugedreht hatte, als Bosch bei mir angefragt hat, ob ich denn nicht als Ambassadorin tätig sein will. Damit war ich eine der Ersten, die auf dem E Mountainbike unterwegs war – damals noch von so einigen Athleten belächelt. Inzwischen arbeite ich mit mehreren Sponsoren zusammen, bin bei verschiedenen Events und Projekten dabei, mache wieder bei dem ein oder anderen Wettkampf mit und darf neben dem Marketing auch mit dem Entwicklungsteam bei Bosch E Bike Systems zusammenarbeiten. Auch hinter der Kamera hat sich inzwischen mehr getan: So darf ich heuer nicht nur für Ghost Bikes fahren, sondern auch das Ghost Factory Racing Team medial an den Weltcups unterstützen. Darauf freue ich mich schon sehr!

Judith Lell-Wagener: Ist das dein aktueller Beruf oder „nur“ ein Hobby?

Greta Weithaler: Man glaubt es kaum, aber ich kann von dem, was ich gerade mache, leben. Es fühlt sich nicht immer wie ein richtiger Beruf an, aber dann stellt sich die Frage, was denn ein „richtiger“ Beruf schon ist. Ich sehe noch sehr viel Potenzial in dem, was ich mache, und freue mich, mich jeden Tag neu erfinden zu können.

Monatsfrau Greta Weithaler

Eine gute Zeit und Spaß zu haben, ist Greta mittlerweile wichtiger als Geschwindigkeit.

Judith Lell-Wagener: Welche Rolle spielt das hohe Gewicht – gerade beim (technischen) Bergabfahren? Wie erlebst du das auf Touren?

Greta Weithaler: Das ist definitiv ein Thema, denn ein E Bike ist nun mal schwerer als ein normales Bike, das gebe ich auch allen mit, mit denen ich auf Tour gehe. Das Feedback am Ende des Trails fällt dann doch meist positiver aus als am Anfang gedacht, denn das Mehrgewicht gibt mehr Traktion auf den Boden und so mehr Sicherheit, und auch in technischen Abfahrten lässt es sich leichter bewegen als erwartet, durch die inzwischen sehr ansprechenden Mittelmotor Geome­trien. Letztere zählt am Ende mehr als das Gewicht.

Judith Lell-Wagener: Vermittelst du auf deinen Touren auch eine spezielle E Bike Fahrtechnik?

Greta Weithaler: Ja, dadurch dass wir jetzt einen Motor am Bike haben, muss man wissen, wie man diese Mehrkraft auf den Boden bringt und im Idealfall für sich selbst nutzt. Während sich im Downhill nicht so viel ändert, ist im Uphill alles neu, und wie viele Ahs und Ohs und Freudenquietscher wir auf so einer Tour erleben, ist immer wieder schön. Nur um einen kurzen Einblick zu geben: Man bleibt im Uphill sitzen, versenkt seinen Sattel ganz leicht und meistert durch ständiges Treten und richtiges Pedalmanagement so viel mehr, als man eigentlich erwarten würde. Und auf einmal sind Stufen und andere technische Passagen kein notwendiges Übel mehr, sondern machen richtig Spaß!

Judith Lell-Wagener: Was möchtest du deinen Teilnehmer/-innen auf Tour mitgeben? Was ist dir besonders wichtig?

Greta Weithaler: Das Wichtigste ist der Spaß am Biken, und genau den will ich den Teilnehmern vermitteln, egal welches Level, ob fortgeschritten oder Neueinsteiger. Ich will aufzeigen, dass vieles nur über den Kopf abläuft und man sich Grenzen meist nur da oben setzt. So vieles ist vom wahren Leben aufs Biken umzusetzen und umgekehrt, und so passiert es oft, dass ich von den Teilnehmern gleich viel lerne wie sie von mir.

Mit dem E MTB im hochalpinen Gelände.

Judith Lell-Wagener: E-Biken wirkt ja nicht nur auf die Akteure, sondern auch auf die Umwelt. Wie erlebst du die Situation vor Ort: Welche Auswirkungen hat der E Bike Boom auf deine Heimat, den Vinschgau?

Greta Weithaler: Generell kann ich sagen: Je mehr Menschen mountainbiken und je mehr Menschen sich in der freien Natur bewegen, umso besser. Da leistet das E MTB sicher seinen Beitrag, weil es eben den Einstieg ins Mountainbiken erleichtert. Vor allem im Vinschgau ist im Sommer sehr viel los auf den Trails, und durch die wenigen Liftanlagen ist es der perfekte Spot zum E Biken. Und klar, wenn viele Mountainbiker auf den Trails unterwegs sind, dann trifft man immer wieder mal welche, mit denen man nicht einer Meinung ist, deren Verhalten man nicht teilen kann. Und ja, darunter sind auch E Biker. Aber wie ich schon sagte, das hängt nicht mit der Art des Fahrrads zusammen, sondern mit dem Menschen, der draufsitzt.

Judith Lell-Wagener: Thema „Naturverträglichkeit“: Siehst und ziehst du irgendwo persönliche Grenzen rund ums E Mountainbiken?

Greta Weithaler: Ja, ich sehe deutliche Grenzen bezüglich der Naturverträglichkeit, aber die haben nichts mit der Art des Bikes zu tun, sondern mit dem Benutzer. Also sollte jeder eine gewisse Trail Etikette an den Tag legen, auf den erlaubten Wegen bleiben, sich anständig verhalten. Rein von der physikalischen Auswirkung auf den Untergrund macht es keinen Unterschied, ob man mit einem E Bike oder einem normalen Bike unterwegs ist. Besonders an die E Biker gerichtet ist aber die Bitte, nicht auf ausgeschriebenen Downhill Trails berghoch zu fahren beziehungsweise sich auch auf stark frequentierten Trails an die Richtung zu halten.

"Ich will meinen Kursteilnehmern aufzeigen, dass vieles nur über den Kopf abläuft und man sich Grenzen meistens nur da oben setzt."

Judith Lell-Wagener: Du hattest am Ende deiner Leistungssportkarriere manch dunkle Gedanken rund ums Biken. Wie ist das heute und auch im Rückblick? Hast du deinen Frieden damit gemacht?

Greta Weithaler: Ich denke, ich hatte weniger dunkle Gedanken rund ums Biken, sondern mehr um mich selbst und mein Leben; ich steckte also in einer ernst zu nehmenden Depression. Ich weiß nicht, ob man je aus einer Depression wieder herauskommt, aber auf alle Fälle bekommt man durch eine gute Therapie ein komplett neues Körperbewusstsein und Gefühl für sich selbst. Und Fahrrad fahren, Sport und Freunde haben da auf alle Fälle geholfen. Dass ich damals mit dem Wettkampfsport aufgehört habe, damit habe ich meinen Frieden gemacht und auch mit mir selbst. Dafür sind heute jeden Tag neue Challenges zu meistern, die manchmal einfacher und manchmal schwieriger sind.

Judith Lell-Wagener: Kannst du die Faszination der neuen Renndisziplin „E XCO“ nachvollziehen? Und könntest du dir vorstellen, hier wieder aktiv zu werden?

Greta Weithaler: Ich verstehe die Faszination voll und ganz und habe auch einige Freunde, die das professionell angehen. Nur ohne mich. Ich bin gerne die, die als Support am Streckenrand steht. Ich habe den Rennsport hinter mir gelassen. Ich mache gerne noch ab und zu ein Enduro Rennen oder stehe bei der E MTB Challenge an der Startlinie, aber professionelle Rennen bzw. die, wo es ernst wird: nein danke.

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