Wie schreibt man einen Bericht über ein Rennen in den Vogesen? Eigentlich klar: Man benutzt am besten sehr grosszügig Superlative zu Landschaft und Trails, relativiert seine persönliche Leistung in deutsche Massstäbe und versucht das Herzblut der Locals so gut es geht herüberzubringen. Ein Versuch:
Giromagny und sein Partyvolk
Die meisten Rennen in der schönsten (Superlativ!) Region jenseits des Rheins sind schon lange kein Geheimtipp mehr. Die Berichte lassen einem regelrecht das Wasser im Mund zusammen laufen und in ruhigen Momenten stellt man sich die Frage: Ist das wirklich so gut da drüben?
Die Überschrift für diese Wochende, und nebenbei auch der herrliche Sommerabend, lässt mich schon auf der Hinfahrt am Samstag frohlocken. Die Party steigt diesmal in Giromagny, das vermutlich winzigste Örtchen am südlichen Ende der Vogesen und damit direkt am Fuss einer der grössten Erhebungen ebendieser: dem Ballon d`Alsace. Also beste Voraussetzungen für die angesprochenen Superlativen!
Da meine üblichen Rennkollegen Jakob Breitwieser (der Herr Lehrer hat Sommerferien) und Felix Döring (Hüfte demoliert) leider diesmal ausfallen, muss ich mich mit meinem spärlichen Französisch alleine durchschlagen. Immerhin reicht es noch um mir als Zuschauer beim Pumptrackrace am Abend noch ein paar Bierchen zu ergattern und bei den Locals Tipps für die anstehende Übernachtung einzuholen.
Schlussendlich finde ich mich irgendwo am Berg (der Start zur ersten Stage befindet sich anscheinend auch hier oben) wieder und kann mit einigen anderen Rennfahrern und Rennfahrerinnen die kühle und ruhige Luft bis zum Morgengrauen geniessen.
Der Schlaf- und Parkplatz in den Bergen erweckt langsam zum Leben
Das Briefing in aller Herrgottsfrühe lockt knapp 400 Teilnehmer an, die anschliessend noch in einer Auberge zum „Petit dejeuner“ eingeladen sind. Das hebt bei dem ein oder anderen die Laune sichtlich und die Stimmung vor der erste Stage ist super.
Briefing
Start S1
Also gut, jetzt wird's ernst. Der Puls steigt, die Meute wird merklich nervöser. Auch ich lasse mich davon anstecken. Aber das ist auch ganz gut so - nicht jeden Tag (Sonntag) stehe ich um 7 auf um dann die erste Abfahrt des Tages mit der Uhr im Nacken zu bestreiten. Aber die Jungs vom Giromagny Enduro Team haben mitgedacht und der erste Trail ist ein Gedicht. Nicht oft benutze ich das dämliche f-Wort, aber hier passt es wirklich gut. Der weiche Boden gepaart mit mehr oder weniger sanften Turns laden zum Spielen und schneller fahren ein. Nach knapp 5 Minuten ist der Spass auf halber Höhe wohlgemerkt bereits wiedervorbei und es geht zwangsläufig den Berg wieder hinauf.
Mit einem angenehmen Gemisch aus Kaffee und Adrenalin im Blut, vergeht der Anstieg aber im Nu.
Stage 2 ist die grosse Schwester von der vorherigen Abfahrt, länger schwieriger und anstrengender. Genau richtig um das kurzlebige Turbo-Gemisch in den Adern zur Geltung kommen zu lassen. Mit Elan starte ich in die Abfahrt. Nach sanften Beginn sorgen einige Steilabfahrten dafür, dass sich die Zusammensetzung des Treibstoffs massiv in Richtung Adrenalin verschiebt. Zum Kaffeetrinken bleibt leider keine Zeit, daher muss mein Körper wohl oder übel das Beste aus der neuen Situation machen. Erst im Ziel überlege ich, ob es so schlau war das brutale Highspeedstück am Ende ohne beruhigende Streckenkenntnis runtergeschossen zu sein. Was mich dann beim Blick auf die Zeiten doch etwas beruhigt ist die Tatsache, dass die schnellen Jungs hier anscheinend nochmal gut doppelt so schnell fahren.
Jerome Clementz bei der Arbeit
An Stage 3 kann ich mich irgendwie nicht mehr erinnern, das liegt sicher nicht daran, dass der Trail scheisse war (Highfives gab es nach jeder Zieldurchfahrt) aber evtl. an meiner entleerten Trinkblase. Bei den doch schon recht warmen Temperaturen wird die nächste Liaison zu einer kleinen Strapaze. Irgendwann wecken mich ein paar frische Beats aus meiner Sch(w)eiss-Trance und ich überlege schon, ob ich statt weiter zu strampeln nicht besser diese Grillparty im Wald suche und nach etwas flüssigem Kalten frage. Ich komme nicht mehr zu Klärung dieser überlebensnotwendigen Entscheidung, den als ich um die Ecke biege erkenne ich die liebevoll eingerichtete Verpflegungstelle. Partybox und frische Waffeln mit Nutella inklusive.
Waffelmassenproduktion in Frankreich
So gestärkt geht es zusammen mit den Spitzenkandidaten der französischen Enduro Partei wieder bergan. Eine fiese Schiebepassage zwingt mich und zum Glück auch die fitten Jungs zum schieben. Dankend nehme ich Jeromes Aufmunterung, "We have to do this climb again", zur Kenntnis. Mein Adrenalinspiegel ist durch die regelmässige Aufstockung halbwegs konstant, was man vom Koffeinanteil nicht gerade behaupten kann. Ich bereue sogar ein klein wenig meine Espressosucht, die mich jetzt etwas in Bredouille bringt. Da ich im Wald weit und breit keinen Siebträger oder ähnliches (in meiner Situation würde ich sogar was aus Kapseln trinken) finden kann, muss ich wohl oder übel auf den nötigen Nachschub verzichten und mich mit dem etwas heiklen Adrenalin begnügen.
Koffein-Adrenalin-Quotient scheint okay zu sein
Rock Roll
Ein Glück, beginnt Stage 5 mit einem ziemlich männlichen Roll-down über einen gar nicht so nett aussehenden Felsen. Da ich dummerweise von den sehr netten Franzosen die Startnummer 7 erhalten habe (1 startet zuerst) kann ich natürlich nicht vor allen Leuten den verlockend aussehenden Chicken-Way ansteuern. Immerhin ist die Müdigkeit dadurch schon vor dem Start wie weggeblasen. Der Körper schaltet umgehend in den Überlebensmodus und lässt mich beim Einstieg in den Trail nicht im Stich. Die Motivation und Freude ist dadurch natürlich gross und jubelnd nehme ich den Rest der Stage in Angriff. Nochmal ein Feuerwerk der französischen Trailkunst - weicher Boden, Steindrops, enge Hohlwege und natürliche Anlieger. Offene Kurven, enges Geschlängel durch die Bäume, alles ist dabei - es ist wirklich ein Traum.
Auch wenn die Trails hier sicher nicht ohne sind, die Auswahl und Einschätzung des Machbaren sind für ein Blind Race fast optimal. Der Spass steht hier definitiv an oberster Stelle und auch weniger versierte Fahrer können hier ihr Limit austesten ohne den Heliflug schon vorab reservieren zu müssen. Von daher ein dickes Lob an die Veranstalter von meiner Seite!
Vincent Hault
Flat out
Ton in Ton - mein Lieblingsshirt von Vaude macht sich hier doch ganz gut :)
Sieht schnell aus!
Superlative reichen leider nicht um meine Erschöpfung nach dem Rennen zu beschreiben. Lediglich meine Garmin-Uhr piepst weiter fröhlich ihr "Höchstform"-Lied. Na schön wärs. Mir ist jetzt eher nach Bier und einer deftigen Mahlzeit. Das Bier ist herrlich, die Lasagne treibt der Hunger rein (ich war das Wochenende vorher in Finale und bin daher etwas verwöhnt) und für die Bespaßung bis zur Siegerehrung ist auch gesorgt. Die Sponsoren haben, wie es aussieht, für reichlich Geschenke gesorgt und so gibt es für grosse und kleine Biker und Bikerinnen ordentlich was zu angeln aus dem frisch befüllten Planschbecken.
Fazit:
Chapeau et vive la France!
20 Sekunden zeit zum Angeln
Guillaume Heinrich (Platz 5) und Pierre Flueckiger (Orga) geniessen die gute Stimmung
Master in Shape
Gesegnete Erde