Jan Zander im Kreuzverhör – Per Bike seine Brötchen verdienen

Interview Norman Bielig Bild Paul Masukowitz
Geschichten

Aus dem Leben eines Bikeguides

Nein, ganz so einfach ist es nicht. Eher vielgestaltig ist das Betätigungsfeld von Trailtech Gründer Jan Zander aus dem Harz. Filmen, guiden, Fahrtechnik vermitteln und nebenbei noch jede Menge Lobbyarbeit für den Sport und die Region. Jan Zander ist ein wahrer Biketausendsassa und erzählt uns was einen guten Guide ausmacht, warum wir alle ganz dringend den Harz auf unsere Reise-To-Do setzen sollten und wie er Trailsperrungen im Nationalpark durch Engagement verhindern konnte.

 

 
 

world of mtb: 1. Hallo Jan, stell dich doch bitte kurz vor.

Jan Zander: Hallo, mein Name ist Jan Zander, Geschäftsführer von TRAILTECH Mountainbiking aus dem Harz. Nach meinem Studium der Sportwissenschaften habe ich mich 2005 selbstständig gemacht und bin mit meiner Firma mittlerweile die größte Mountainbike-Schule Norddeutschlands bzw. auch der größte Tourenanbieter und MTB-Veranstalter im Harz. Neben meinem Hauptgeschäft, der Fahrtechnikkurse und Touren in der Region, arbeite ich für die Firma Nicolai im Bereich Promo/Marketing und produziere regelmäßig kurze Videos und Filme für die unterschiedlichsten Auftraggeber, vornehmlich für den Web-Einsatz.

world of mtb: Du stehst auf mehreren Standbeinen. Ist das eine Notwendigkeit, magst du die Abwechslung, oder beides?

Jan Zander: Letztlich haben sich einige Standbeine oder Jobs von ganz alleine ergeben bzw. hatte ich Freude daran und habe diese dann weiter ausgebaut. In dem Bereich, in dem ich tätig bin, lassen sich z.B. das Mountainbiken und das Filmgeschäft prima verbinden. Jeder Film, den ich für einen Auftraggeber im Harz produziere, ist letztlich auch eine Werbung für die Region, in der ich kommerziell unterwegs bin und daher auch für TRAILTECH Mountainbiking. Eigentlich könnte ich mittlerweile alleine vom Mountainbike-Geschäft und der Bike-Schule leben, aber es macht mir Spaß neue Projekte anzugehen und ist natürlich auch eine Abwechslung vom klassischen Joballtag. Zudem bin ich ein Mensch, der sich immer auch eine Option B und C offenhalten will und wenn ich breit aufgestellt bin, kann ich im Fall der Fälle einfach meinen Job oder Schwerpunkt wechseln, bzw. auch mehr oder weniger Zeit und Energie in entsprechende Projekte/Aufgaben investieren.

world of mtb: Du guidest vor allem im Harz – was macht den Reiz der Region aus und wer sind deine Gäste?

Jan Zander: Die Harz-Region hat mich schon immer begeistert. Klar, weite Wälder und Täler hat man anderorts sicher auch. Doch die Abgeschiedenheit, das Raue und Wilde, das z.T. noch komplett unerschlossen wirkt, und vor allem die abwechslungsreiche Landschaft und Natur faszinieren mich und meine Freunde immer wieder aufs Neue. Auf einer Tagestour kann man so durch die unterschiedlichsten Regionen kommen, hat alle Arten von Trails, viele Felsen, eine Menge Wasser, und Gegenden, wo man keinen Menschen trifft. Es wird nie langweilig. Wir haben auch fünf schöne Bike-Parks und es ist für jeden Geschmack und jede MTB-Spielart etwas dabei. Selbst in Ecken, wo wir regelmäßig fahren, findet man immer wieder neue Wege, alte Trails oder schöne Fotospots. Da kommt der Explorer in mir zum Vorschein… Unsere Gäste schätzen, denke ich, zum einen auch genau das am Harz und buchen uns natürlich als Locals, die genau wissen, wie sie Ihre Kundschaft glücklich machen können. Neben der reinen Kenntnis von schönen Trails und Touren wissen wir auch genau, wann man wo am besten fährt, welche Region im Harz für eine bestimmte Zielgruppe ideal ist, wo man das beste Nachtleben hat, oder einfach seine Ruhe abseits der Touristenspots genießen kann. Die meisten unserer Kunden kommen aus dem gesamten Norden und Osten, von der Küste bis hinter Berlin. Auch aus dem Ruhrgebiet haben wir immer mehr Teilnehmer, und einige aus dem Süden. Letztlich viele, für die der Harz die ersten richtigen Berge sind. Eine weitere große Gruppe sind Biker aus Dänemark und dank einer sehr gut laufenden Kooperation mit einem hiesigen Anbieter ist das „Dänengeschäft“ ein wichtiger Teil unseres Geschäfts geworden.

world of mtb: Gibt es Touren oder Veranstaltungen, die du nicht guiden würdest und, wenn ja, warum?

Jan Zander: Naja, ich denke wir würden mit keinerlei extremistischen oder unsympathischen Organisationen usw. ein Event durchführen, allerdings sind wir bisher auch noch nie in die Verlegenheit gekommen. Auf das reine Guiding bezogen muss man allerdings auch Kompromisse eingehen. Gerade auf Nationalparkgebiet gelten besondere Regeln, es handelt sich ja hierbei um ein Schutzgebiet. Dort lehnen wir prinzipiell Nightrides oder Ähnliches ab und würden auch nicht mit einer Großgruppe an z.B. Feiertagen in bestimmte Bereiche fahren oder entsprechende Touren guiden. Und natürlich gibt es auch Trails und Bereiche, die ich nicht unbedingt „öffentlich“ machen würde. Klar, in der heutigen Zeit von Strava, GPSIES und Co. gibt es sowieso nur noch wenig Unbekanntes, doch man muss ja diesen Prozess nicht noch künstlich fördern und kann so auch Einfluss auf diese Entwicklung nehmen. Und Hiddentracks oder Trails von Locals sind sowieso ein Tabu.

world of mtb: Im Harz gibt es auch einen relativ großen Nationalpark. Ist das ein Problem für euch beim Biken bzw. beim Guiden?

Jan Zander: Eigentlich nicht. Es gibt zwar zum Teil Wegesperrungen für Mountainbiker, die halten sich aber glücklicherweise in Grenzen. Der Nationalpark Harz ist einer der liberalsten in Deutschland und man kann die meisten der Wege, auch Trails, weiterhin mit dem Bike nutzen und fahren. Letztlich muss die Nationalparkverwaltung immer einen Spagat zwischen Naturschutz/Gebietsberuhigung und Tourismus machen. Das Wort „sanfter Tourismus“ wird in diesem Zusammenhang gerne verwendet. Und gerade in einer wirtschaftlich und touristisch zwar stark wachsenden, aber immer noch schwachen Region kann man nicht mit der Brechstange arbeiten. Wir haben das Gefühl, dass auch von Seiten der Politik, der Regionalentwicklung usw. schon Einfluss genommen wird und Interesse da ist, keinen Nationalpark zu erschaffen, der den Menschen komplett raushält und in einigen Bereichen zu stark auf die Bremse tritt. Die Region lebt von den Touristen, und Mountainbiker sind ein wichtiger, immer größer werdender Teil davon geworden. Wir arbeiten sogar mit der Nationalparkverwaltung zusammen und engagieren uns im Bereich Wegemanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung zum Thema. Sogar der Harzklub als größter Wanderverband ist da mit im Boot und die Stimmung ist aktuell sogar recht positiv. Man muss miteinander reden.

world of mtb: Wie wird Mountainbiken allgemein in der Region angenommen? Gibt es da von offizieller Seite Unterstützung?

Jan Zander: Im Harz geht es touristisch stark aufwärts. An vielen Orten wird investiert, auch sinnvoll investiert; die Leute machen sich Gedanken und es vollzieht sich auch gerade eine Art Generationswechsel. Mountainbiking im Harz boomt ebenso und die Möglichkeiten durch neue ausgeschilderte Touren, Bike-Parks, Trail-Center, Bike-Schulen, Bike-Verleihe usw. werden in diesem Bereich auch mehr. Von Seiten des Tourismus‘ hat man, denke ich, den Wert des Mountainbikers für die Region erkannt. Doch eine Unterstützung im eigentlichen Sinne gibt es eigentlich weniger, und wenn, dann beschränkt sich diese auf Kooperationen mit Hotels, Bike-Parks, Bike-Händlern; auf Erwähnungen über Social-Media-Kanäle von Tourismusregionen usw. Da muss man schon – auch im Bezug auf TRAILTECH – selber aktiv werden und manche Entwicklungen anschieben.

world of mtb: Siehst du aktuell problematische Entwicklungen im Guiding?

Jan Zander: Eine schwierige Frage und ich bräuchte da konkretere Fragen über bestimmte Prozesse und Entwicklungen auf diesem Gebiet. Letztlich wollen viele Mountainbiker Touren guiden oder bieten nebenberuflich diesen Service an. Auch Touren und GPS-Tracks werden heutzutage wie damals die Napster-MP3s gehandelt und alles ist irgendwie sofort verfügbar. Das geht natürlich auf die Qualität und in einigen Bereichen hat es sogar negativen Einfluss auf die allgemeine MTB-Entwicklung oder Stimmung gegenüber Mountainbikern in einer Region, und sei es durch Unkenntnis, wie man sich in bestimmten Bereichen oder Zeiten in der Natur, auf Nationalparkgebiet oder Ähnlichem verhalten sollte. Wie man mit bestimmten Personen, Entscheidungsträgern usw. kommuniziert. Wie man die Medien nutzt, um positiven Einfluss auf bestimmte Prozesse in dem Bereich nehmen zu können. Sicherheitsrelevante Aspekte, von perfekter Ortskenntnis über Erste-Hilfe-Ausbildungen usw. Guiding ist viel mehr als nur das „Weg kennen und vorneweg fahren“ und beinhaltet, finde ich, auch die ganze Arbeit, Vorbereitung, Nachbereitung, Werbung usw. Das ist, wenn man es richtig anpackt, schon teilweise ein Fulltimejob.

world of mtb: Du bist sehr stark auf den Harz fixiert mit dem Guiding. Treibt es dich nicht auch in andere Regionen?

Jan Zander: Beruflich habe ich mich von Anfang an auf den Harz konzentriert, da es zum einen eine perfekte Region ist, um mein Geschäft aufzubauen: Der Tourismus boomt, Mountainbiking boomt, die Kontakte zur Szene, der Verwaltung usw. sind vorhanden und die Möglichkeiten sind enorm. Zum anderen kann ich mich mit TRAILTECH so komplett auf eine Sache konzentrieren und eine Marke aufbauen. TRAITECH ist Harz. Harz ist TRAILTECH. Durch diese Spezialisierung ist man der Experte auf diesem Gebiet; die Wege sind kurz, die Werbung äußerst effektiv, Synergie-Effekte sind in vielen Bereichen möglich. Durch z.B. Bike-Parks, Tour-Guiding, E-MTB Touren usw. ist die Zielgruppe größer und man ist nicht so stark von Trends abhängig. So lange es weiter so steil voran geht – so wie es aussieht – werden wir unser Geschäft weiter in der Region ausbauen und immer neue Ideen und Konzepte verwirklichen. Zum Teil fahren wir aber auch für privat gebuchte Kurse und Events mit unseren Trainern und Guides in andere Ecken des Landes, z.B. in die Harburger Berge in Hamburg und ab und an bieten wir dort ebenfalls Kurse an. Das ist dann aber eher Marketing und Werbung, um sich vielleicht noch eine neue Option offenzuhalten. Klar macht es Spaß, auch in anderen Regionen und Ländern zu biken. Ich persönlich genieße das dann auch immer und freue mich natürlich auch über die „Urlaubstage“.

world of mtb: Das Filmen ist ja mittlerweile mehr als nur Hobby. Gerade die Videos mit Jasper Jauch erfreuen sich großer Beliebtheit. Funktioniert das mittlerweile als gutes Zubrot?

Jan Zander: Ja natürlich. Was als Hobby angefangen hat ist mittlerweile ein fester Bestandteil meines Geschäfts und es macht mir einen Heidenspaß, die Kamera auszupacken und drauflos zu filmen. Besonders die Aufträge, die jetzt nicht direkt etwas mit Mountainbiken zu tun haben, machen Spaß. Ich denke, durch die ganze Entwicklung des Internets, des Marketings und auch der immer besser werdenden Ausrüstung in diesem Bereich, kann man heute mit gut gemachten und schnell produzierten Weg-Clips kostengünstig eine Menge Leute erreichen. Bewegte Bilder werden immer wichtiger, auch für uns im MTB-Geschäft. Lustigerweise haben einfach produzierte Videos manchmal eine größere Reichweite und einen stärkeren Effekt, als aufwändig inszenierte und teure Filmproduktionen. Man muss sich halt nur überlegen, was man macht und was die Zielgruppe ist. Dass ist schon eine Kunst und erfordert etwas Erfahrung und Gespür.

world of mtb: Von wem lässt du dich hinsichtlich Bike-Videos inspirieren und was war das letzte wirklich gute, das du gesehen hast?

Jan Zander: Ich habe da keine konkreten Filme oder Videos im Kopf. Meist sprechen einen kurze Szenen oder Ideen an, man hört einen Song und hat einen Einfall für ein Drehbuch, kommt an einen coolen Platz im Harz und lässt sich inspirieren, oder man ist eben in der Stimmung und motiviert, ein vielleicht ruhiges oder auch aggressives Video zu schneiden. Hammer finde ich nach wie vor ältere Skateboard- oder BMX-Videos. Stimmungstechnisch super, sehr kreativ und mit viel Lebensfreude und Spaß produziert.

world of mtb: Mittlerweile arbeitest du auch mit Nicolai zusammen. Wie kam es dazu?

Jan Zander: Ich kannte die Crew von Nicolai schon länger und durch die räumliche Nähe und den Kontakt zu den Teamfahrern usw. ist dann mehr draus geworden. Es macht Spaß, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die Visionen haben, authentisch sind und man das Gefühl hat, dass beide Seiten profitieren. Das stelle ich mir unter einer produktiven Zusammenarbeit vor und ich habe auch nicht das Gefühl, mit Nicolai in einem klassischen Arbeitsverhältnis zu stehen, sondern eben in einer Zusammenarbeit.

world of mtb: Was habt ihr in den nächsten Jahren noch gemeinsam vor?

Jan Zander: Es gibt einige Projekte und Ideen, wie man z.B. Testbikes effektiver einsetzt, Videos und Fotos produziert oder auch unsere Produkte besser verknüpfen kann. Viele Saschen entstehen aber auch erst mit der Zeit, denke ich.

world of mtb: Was ist deine Lieblingstour im Harz?

Jan Zander: Das kann ich tatsächlich nicht sagen und an einer Tour festmachen. Wie schon angesprochen, fasziniert mich vor allem die abwechslungsreiche Natur und Landschaft der Region und ich finde, es gibt einfach zu viele schöne Ecken. Die weiten Wälder und tiefen Täler, die Abgeschiedenheit im Südharz, der felsige Ostharz oder auch ab und an die Brockenregion. Schwer, sich da festzulegen. Doch vielleicht ist es eine ausgedehnte Brockenumrundung, bei der man mit rund 90 km/h durch super viele schöne Ecken im Harz fahren kann.

world of mtb: Welches Getränk sollte man unbedingt probieren?

Jan Zander: Lustige Frage. Schierker Feuerstein?! Harzer Grubenlicht?! Oder Wasser aus der Eckertalsperre oder dem Dammgraben…

world of mtb: Was gibt es abseits vom Biken Wissenswertes zum Harz?

Jan Zander: Einfach mal vorbeischauen. Oft bin ich auch nur mit meinen Hunden unterwegs, beim Wandern, oder schaue mir kleine Städte am Harzrand an. Die kulturelle Vielfalt ist auch durch die drei Bundesländer interessant und man lernt eine Menge nette Leute und schöne Ecken kennen. Im Harz sollte man offen für alles sein und auch mit allem rechnen. ;)

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