Leukerbad im Wallis mehr als nur Wellnessort

Text Ann-Katrin Luh Bild Andreas Meyer
Reise

Schweiz - Wallis - Leukerbad
Auf den Spuren Thomas Cooks`

Es ist dunkel. So dunkel, dass man die eigene Hand vor Augen nicht sehen kann. Das Auto wackelt, der Motor ist aus, es ist laut. Nach 15 Minuten ein Lichtblick. Bevor unser kleines Abenteuer begann, wunderte ich mich, welches unbekannte Zeichen unser Navigationsgerät da wohl anzeigte. Ein waagrechter Streifen mit zwei Kreisen darunter. „Das wird wohl eine Bundesstraße sein“, spekulierte Korbi, einer meiner Mitfahrer. Nun, dieses seltsame Symbol soll auf keine Bundestraße hinweisen, sondern steht, wie wir nun gelernt haben, für einen Autozug. Wir zahlen 27.- Franken, passieren eine Schranke und warten aufgeregt wie Erstklässler an ihrem ersten Schultag auf den Transport durch den 14 km langen Lötschbergtunnel von Kandersteg nach Goppenstein. Dieser verbindet das Berner Oberland mit dem Rhonetal. Reisen mit dem gewissen Gefühl von Abenteuer, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

 
 

Früh am morgen ist man ganz allein am Berg, zumindestens fast. Die Tierwelt ist natürlich meist schon eher wach und auf den Beinen.

Zeitlos

Inmitten eines faszinierenden Bergpanoramas liegt auf 1.411 Meter der größte natürliche Thermalbadeort der Alpen – Leukerbad. Hier sprudeln täglich 3,9 Millionen Liter bis zu 51 Grad Celcius warmes Thermalwasser in die Becken der Thermen. „Es fasziniert die unendliche Schönheit, die farbenfrohen Blumenalmen, die heimische Tierwelt und das sanfte Gebimmel der weidenden Kühe. Aber vor allem ist die Überquerung des Gemmipasses bis auf 2.350 Meter Höhe eine echte Herausforderung, wobei die erlittenen Strapazen in den Thermalbädern schnell in Vergessenheit geraten und die Schmerzen gelindert werden", schwärmte schon Thomas Cook, ein britischer Tourismus-Pionier und Gründer des gleichnamigen Reiseunternehmens. Er besuchte bereits 1863 mit einer Reisegruppe Leukerbad.
Nach gut 700 km im Auto kommen uns die wohltuenden Kräfte des Thermalwassers gerade recht. So werfen wir uns, kaum in unseren Zimmern angekommen, in die hoteleigenen Bademäntel und genießen die exklusive Lage des Quellenhofs, welcher direkter Nachbar der Walliser Alpentherme & SPA Leukerbad ist. Auf 11.000 m2 gibt es alles, was das Herz begehrt. Durch die Wärmewirkung werden die Muskeln entspannt und wir fühlen uns fit für die kommenden Kilometer auf dem Bike.

Knapp über der Baumgrenze befindet sich noch ein kleiner Weiler mit historischen Gebäuden. Anschließend biegt der Trail in den Wald ein und schlängelt sich dort ins Tal.

Das Gute kommt zum Schluss

Der Wecker klingelt um fünf Uhr morgens. Beim Blick aus dem Fenster sind zum Glück nur ein paar vereinzelte Wölkchen am Himmel zu entdecken. Schlaftrunken und eingepackt wie Murmeltiere steigen wir ins Auto und machen uns auf den Weg in Richtung des Restaurants Rinderhütte an einer Bergstation der Torrent-Bahnen. Hier startet die ausgeschilderte Mountainbike Route Nummer 6 vom Restaurant Rinderhütte nach Leukerbad, die wir uns für den heutigen Morgen ausgesucht haben. Über einen scheinbar nie enden wollenden Singletrail, der sich kurvig und sandig an der Hangkante sandig erdig über der Baumgrenze entlangzieht, gelangen wir in den kleinen Weiler Oberu. Langsam wird es heller und ein grandioser Blick über das Rhonetal macht sich auf. Und dann dieser unbezahlbare Moment. Die Sonne blinzelt langsam über den Bergen hervor. Wir bleiben stehen und genießen diesen Anblick. Kurz darauf fahren wir in einen lichten Lärchenwald. Nach ein paar Kurven in Richtung Albinen eröffnet sich plötzlich eine und eine für mich noch nie gesehen Landschaft eröffnet sich. Hie und da ragen tote Bäume in die Höhe. Verkohlte Baumskulpturen verstreut über den Hängen. Ein spannendes wie mahnendes Gebiet. Am 13. August 2003 brannten hier 300 Hektar Wald oberhalb von Leuk, das Werk eines Brandstifters. Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Waldbrand ist buchstäblich Gras über die verkohlte Bergflanke gewachsen und zwar in einer Vielfalt, die deutlich größer ist als im früher. Wir staunen über die Regenerationskraft der Natur und rollen hinab Richtung Leukerbad.

Kurze Verschnaufpause und Streicheleinheit für Mensch und Tier bevor es wieder mit viel Airtime ins Tal geht.

Rennfieber

Mittags verlassen wir, ausnahmsweise nicht in Bikeklamotten, sondern mit Jeans und Shirt bekleidet, unser Hotel und marschieren Richtung Dorfmitte. Immer wieder entdecken wir die wunderschönen alten Häuser mit der typischen Baukultur der Walser. Mithilfe von Stelzen wurde das Korn im Speicher vor Bodenfeuchtigkeit geschützt. Um Ratten und Mäuse am Hochklettern zu hindern, wurden an den senkrechten Pfosten waagrechte Steinplatten aus Schiefer oder Granit eingebaut, die sogenannten Mäuseplatten oder Stadelbeine. Das Untergeschoss diente als Keller oder Lagerraum. Von weiten sind Lautsprecherdurchsagen zu vernehmen: Wir haben das große Glück, dass zur gleichen Zeit unseres dreitägigen Aufenthalts in der Schweiz das Perskindol Swiss Epic, ein Mountainbike Etappenrennen, stattfindet und Leukerbad das Tagesziel ist. In 5 Etappen fahren Profis und ambitionierte Freizeit-Mountainbiker in Zweierteams von Zermatt über Grächen, Leukerbad bis Verbier im Banne zahlreicher Viertausender und endloser flowiger Trails. So stehen wir gebannt am Zieleinlauf und warten auf unsere zwei ebenfalls teilnehmenden world of mtb-Teamfahrer Sönke und Daniel. Wir warten. Und warten. Und... Andis Handy klingelt. „Sag mal, wo seid ihr denn?“, frägt Daniel am Telefon, der zusammen mit seinem Teamkollegen Sönke bereits im Quellenhof auf uns wartet. Ausgelaugt, aber strahlend sitzen die beiden derzeit Führenden der Hobby-Klasse in der Empfangshalle und empfangen uns lautstark. Die Superlative gehen ihnen bei der Erzählung der vergangen Tage nicht aus. Sie sind begeistern von der Landschaft, überwältigt von den Strecken und stolz auf das illustre Fahrerfeld.

Der Flow-Trail hat uns sofort begeistert und dürfte viele Biker in seinen Bann ziehen.

Weitblick

Der Blick von Leukerbad zu den fast vertikalen Felswänden der Leeshörner und Plattenhörner ist absolut beeindruckend. Der Gemmipass trennt die beiden.

Die Herkunft des Namens Gemmi ist umstritten. Eine Deutung besagt, dass sich der Name wahrscheinlich aus dem lateinischen gemini, zu deutsch Zwilling ableitet, aufgrund des ähnlichen Aussehens der Berge Rinderhorn und Altels.
Von Leukerbad führt seit 1957 eine Luftseilbahn, genannt Gemmibahn, direkt auf die Passhöhe und ermöglicht einen Blick über den Daubensee. In der anderen Richtung zeigen sich die Walliser Hochalpen: die Mischabelgruppe, Monte Rosa, Weisshorn, und das weltbekannte Matterhorn in voller Pracht. Die Landschaft auf über 2.000 Metern ist rau und karg. Ein Gegensatz zu den farbenreichen Blumenwiesen rund um Leukerbad. Leider bleibt uns ein Besuch des Gemmipasses aufgrund des aufkommenden Föhns und des damit verbundenen starken Windes verwehrt.
Uns bleibt ein ganzer Abend zum Entspannen. Was für ein Glück, dass wir uns in einem weltbekannten Thermalbadeort befinden.

Altbewährt

Man muss es auch mal etwas langsam angehen lassen. So sitzen wir noch um halb neun gemütlich am Frühstückstisch und planen unsere heutige Tour. Rund 20 Touren bietet Leukerbad auf seiner Internetseite an. Innerhalb von einem Jahr haben die Organisatoren eine ausführliche Streckenkarte, sowie eine Beschilderung erarbeitet und sogleich in die Realität um gesetzt. Nicht nur hier lässt sich der Ausruf der Touristiker erkennen: „Biker – herzlich Willkommen!“
Wir starten an der Torrentalp und treten in Richtung eines kleinen Dorfes mit einer Handvoll Chalets. Diese Blockbauten haben einen ganz besonderen Charme. Ihr vorstehendes „Gwätt“, so werden die Eckverbindungen aus Holz genannt, und ihre aus Bruchstein gemauerten Hinterhäuser sind unverkennbar. Da sich das Holz noch lange nach dem Bau verzog, wurden vertikale Elemente möglichst klein gehalten. Dies ist der Grund für die kleinen Fenster der alten Walserhäuser. Weiter geht es auf einen schönen wurzeligen Singletrail. Teilweise hängen noch orange Fähnchen an den Zweigen, die den Fahrern der Swiss Epic den Streckenverlauf deuteten. Ein Blickfang sind die Lärchen, die immer wieder am Wegesrand auftauchen. Ein majestätischer Baum, der sich vor allem im Oktober durch seine goldgelbe Farbe in Mischwäldern hervorhebt. Wir schlängeln uns den Weg hinunter und landen an unserem Endpunkt, der Torrentbahn. Ein guter Ausgangspunkt um weitere Routen in Angriff zu nehmen.

Im letzten Licht erreichen wir das Tal.

Fließendes Vergnügen

Wieder starten wir an der Rinderhütte. Steigt man aus der Gondel aus, muss man nicht lang überlegen, in welcher Richtung sich der Einstieg zu einer ganz speziellen Strecke befindet. Mithilfe einer Reifenspur kann man den Flowtrail nicht verpassen. Der Flowspaß beginnt an der Rinderhütte und endet an der Torrentalp. Hier ist für jeden etwas geboten. Man kann gemütlich die 10 % Gefälle hinab rollen oder mit etwas Technik die Wellen des Trails ausnützen, an Geschwindigkeit zunehmen und schon ergeben sich kleine Schanzen, die zu Sprüngen einladen. Ein krönender Abschied für unseren Besuch in der Region Leuk.

Wissen

Leukerbad war 1889 das erste Dorf im Wallis mit eigenem Stromkraftwerk und elektrischer Beleuchtung.
Die Gebirgsmassive der Walliser Alpen im Süden und der Berner Alpen im Norden fangen einen Großteil der Niederschläge ab, die von Norden oder vom Mittelmeer her gegen die Alpen strömen. Das Wallis weist daher ein besonders trockenes Klima auf, das neben Reben auch Kakteen gedeihen lässt. Das Steppenklima ist auch der Grund für die vielen „Suonen“ und „Bissen“, Bewässerungskanäle, die das kostbare Nass von den Gebirgsbächen auf trockene Weiden und Wiesen transportieren.
Highlights
„Pfyfoltru“ bedeutet auf Walliserdeutsch Schmetterling und steht für den naturnahen Weinanbau in Varen, einer oberhalb der Dala-Schlucht liegenden Gemeinde im Bezirk Leuk. Gleichzeitig wird der dort produzierte Pinot Noir als Pfyfoltru bezeichnet.
Perfektes Mitbringsel, direkt von der Kellerei.

Vom 12. – 17.09.2016 findet wieder das Perskindol Swiss Epic statt! Zuvor, vom 05. – 07.08.2016 kann man sich beim Swiss Epic Trainingscamp schon mal die Trails rund um Leukerbad zu Gemüte führen. Schwerpunkt Ernährung.

Am 30.07.2016 ist Flowtrail Kids Bike-Day in Leukerbad.

Reisezeit

Mai – Oktober

GPS-Daten

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Kartenmaterial

Mountainbike-Karte bei Leukerbad Tourismus
Swiss Topo Crans - Montana

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