Unscheinbar Gut das Saarland

Text und Bild Andreas Meyer
Reise

Wild, wild West
auf Tour um die Saarschleife

„Willkommen im wilden Westen“, lautet die Begrüßung von Axel, Roberta und Norbert, als ich nach einer Autofahrt quer durch die Republik im Saarland ankomme. Wild wird es für mich schon bei der Anreise, recht blauäugig vertraue ich auf das Navi meines Mietwagens, um mich mit fast leerem Tank im Saarland auf Zapfsäulensuche zu begeben. Als ich endlich nach einer kleinen Odyssee von einer hilfsbereiten Frau zur einzigen Tanke weit und breit gelotst werde, ist mir klar: „Viel ist hier nicht los…“. Was für Jugendliche auf dem Weg zur nächsten Disko zur Qual wird, verspricht für den Tourenbiker aber umso mehr Spaß. Unzählige Wege und Trails schlängeln sich durch Wälder und eine unverbaute Landschaft, vorbei an keltischen Ruinen, an Burgen und kleinen Dörfern.

 
 

Startpunkt unserer Tour und natürlich müssen alle Räder noch einmal akribisch vorbereitet werden.

Geister im Saarland

Nach einer Nacht im Parkhotel Weiskirchen und einem schnellen Frühstück mit Roberta und Axel vom Guidinganbieter atracktive, auf deren Einladung ich hier bin, machen wir uns auf nach Schmelz, zu unserem Guide Norbert. Direkt hinterm Haus des pensionierten Lehrers beginnt unsere Tour quer durch das Saarland.

Wir tauchen in den Saarländer Urwald ein, spuken soll es hier, sogar Geisterprozessionen will schon wer gesehen haben. Wir bleiben von Übersinnlichem verschont und genießen die Trails am Losheimer Bach.
Die sumpfige Landschaft hat aber noch mehr zu bieten als verwunschene Bäume und Bäche; bald erreichen wir den Rammenfels. Das Naturdenkmal ist ein beliebter Wallfahrtsort nicht nur für Biker auf der Durchreise, sondern vor allem für Marienverehrer.
Die Hügellandschaft bietet zwar wenig Höhenmeter, aber das stete Auf und Ab sorgt für Abwechslung und spaßige Trailabfahrten. Erster Fotostopp unseres internationalen Grüppchens: die Dellborner Mühle. Hier quartiert Axel auch öfters Gäste ein die bei ihm den Dreiländer Cross buchen und statt an Sauna und Swimmingpool lieber direkt in der Natur logieren. Dann braucht man nur noch über den Hof zu gehen, um mit der Tour zu starten. Während sich Norbert als Cowboy auf dem Schaukelpferd vergnügt, schieße ich ein paar Fotos des liebevoll gestaltet Innenhofes mit dem alten Mühlrad. Eine riesigen Eule, aus einem alten Baum geschnitzt, thront über uns und blickt uns nach, als wir weiterradeln.

Wellness will verdient sein

Nach den ersten paar Kilometern ist mir klar, dass die Unterbringung im Wellnesshotel eine gute Idee von Axel und Roberta war. Unser Local Norbert, der für die beiden hier guidet und sie mit dem Saarland in Berührung brachte, legt bei den ersten Anstiegen schon ein anständiges Tempo vor. Meine ersten Befürchtungen werden schnell bestätigt - wer viel in kurzer Zeit sehen will, muss leiden, zwei Tage Saarland sind leider viel zu kurz.

Norbert, der die zwölf Kilometer (die wir je nach Laune noch durch schöne Trails ausgebaut haben) 20 Jahre lang täglich bei Regen, Wind und Sonne mit dem Rad zurückgelegt hat, verfügt über eine Kondition, von der ich nur träumen kann. Sein 11 kg leichtes Liteville, das er sich zum 60. Geburtstag gegönnt hat – er wollte auch mal was Leichteres – hätte mir auch nichts genutzt. Norbert radelt munter jeden Anstieg hoch, um von oben Fotos für seinen Blog zu knipsen, den er in den nächsten Tagen wieder aktualisiert. Damit hat er schon viele Biker auf tolle Touren in seiner Heimat aufmerksam gemacht – und stellt auch die GPS Tracks dazu bereit. Von der bayrischen Liberalitas verwöhnt, im Grunde alles fahren zu dürfen, was einem vor die Stollen kommt, wird man hier mit dem leidigen Thema Trailsperrungen konfrontiert. Einige schnellere Downhiller haben an der Saarschleife wohl Konflikte provoziert, die es bis dahin eigentlich nicht gab. Respektvolles Miteinander vorausgesetzt, gibt es aber weder rechtlich noch in der Trailrealität Probleme.

Einfach mal locker bleiben.

Villeroy und Boch nach jeder Kurve

Inzwischen sind wir am Ende des Losheimer Bachs angekommen, dem gleichnamigen Stausee. Der ist ein wahrer Touristenmagnet des Saarlands, hervorragende Wasserqualität und viele Freizeitmöglichkeiten machen ihn vor allem für Familien attraktiv. Während andere plantschen gehen oder mit dem Segelboot fahren, zieht es uns in den Wald am Seeufer; über Wurzeln und durch enge Kurven geht es am Ufer entlang nach Britten.
Ein kleines Nest, typisch ist für das Saarland, wo man (gefühlt) nach jeder zweiten Kurve in einem anderen Dorf landet. Dazwischen Hügel und Wälder, aus denen gelegentlich Windräder in den blauen Himmel ragen.
Besonders sehenswert: der Britter Hof, eine der zahlreichen Immobilien der Familie Boch, die für ihr Porzellan weltberühmt ist und hier scheinbar an fast jeder Ecke ein „Häuschen“ aus Familienbesitz stehen hat.

Durchs urtümliche Hundscheider Bachtal geht es weiter Richtung Vogelfelsen. Hier öffnet sich der Wald, und ich erblicke zum ersten mal den Fluss, der dem Saarland seinen Namen gibt. Wir müssen leider mit der künstlichen Aussichtsplattform vorlieb nehmen, auf dem eigentlichen Vogelfelsen wird nämlich Turmfalkennachwuchs großgezogen, und wir stören da nur. Eine kleine Schleife macht die Saar hier bereits. Sie windet sich um Saarhölzbach, wo es für uns dann auf einer Holzbrücke über den Fluss geht. Hier finden sich auch schon die ersten Spuren des alljährlichen lokalen Radspektakels: des Saarschleifen Bike Marathons. Dieses Jahr war Norbert nicht dabei, aber irgendwann könnte ihn das Rennfieber schon wieder packen, wenn er älter ist, meint er. Mit seinen zwei Jungs, inzwischen selbst Familienväter, ist er hier früher öfters gestartet und hat ihnen die Liebe zum Biken mitgegeben.
Weiter geht es an der Saar entlang, vorbei an der Lutwinuskapelle (erbaut von Villeroy und Boch)
zum Schloss Saareck, einem Gästehaus von – wem wohl: V&B.

Saarschleife samt Edelbrand

Das Schloss wurde 1902/03 erbaut und diente als Familienwohnsitz, die Porzellanfabrik in Mettlach befindet sich direkt auf der gegenüberliegenden Flussseite. Dort liegt auch das Ziel unserer heutigen Tour, aber bevor wir uns an den Anlegekai der Touristendampfer setzten können, haben wir noch ein paar Kilometer vor uns. Oberhalb von Mettlach queren wir den Wellesbach, bevor wir zu einem der Highlights des Saarlands kommen: der berühmten Saarschleife, der auch der Marathon seinen Namen verdankt. In Cloef treffen wir erstmals wieder auf größere Gruppen, die wie wir den Blick auf den Fluss 180 m unterhalb des Aussichtspunkts genießen.
Hier lohnt es sich zu verweilen, wir beobachten kleine Schiffe und die Wolken, durch die immer mal wieder die Sonne bricht. Wer die Region gleich auch noch schmecken will, hat es nicht weit, im Laden hinter uns reihen sich unzählige Flaschen mit Schnäpsen, Likören und Säften aneinander. Ein Bauer aus der Nähe veredelt alles, was in seinem Garten wächst und gedeiht, zu Saft oder Klarem. Für uns heißt es aber erst mal Essen fassen, wir radeln weiter zum Cloef-Atrium, das ganz in der Nähe liegt und Start wie Zielbereich des Marathons ist. Auf Radler ist man hier also vorbereitet.

Gut gestärkt geht es durch das Steinbachtal, über zahlreiche Brücken und noch mehr Stufen runter ans Ufer der Saar.
Dort wartet bereits die einzige Fähre auf uns, für 2,50€ pro Person und Sportgerät geht es auf die andere Seite. Dort erwartet uns ein fantastischer Singletrail, der hoch zur Burg Montclair führt, die von der Saar umschlossen wird.

Nach den obligatorischen Fotos fahren wir über einen gemütlichen Trail zurück nach Mettlach.
Von hier aus könnten wir direkt nach Hause fahren, die 60 km heute reichen uns und besonders mir, also lassen wir uns von Norberts Frau Elisabeth abholen und schlecken während der Wartezeit Eis.
Zurück im Hotel, erkunde ich das Wellness-Angebot, das ich mir heute redlich verdient habe. Zum Schwimmen reicht es nicht mehr, im warmen Wasser dümpeln und kurz in die Sauna geht allerdings noch ganz gut.

‚Almtour’ im Hügelland

Die zweite Tour führt uns zu einem der Gipfel des Saarlandes, dem Schaumberg. 569 m sind nicht unbedingt beeindruckend, aber durch seine solitäre Lage sticht er deutlich aus der sonst eher flachen Umgebung heraus. Start ist das Hofgut Imsbach, das nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten und ein Restaurant, sondern auch einen Biohof bietet. Beim ersten Stopp im Schatten eines Windrades erzählt uns Norbert vom Schaumberger Hof, einem Drogentherapiezentrum, an dem wir gleich vorbeikommen. Hier war er oft mit Schulklassen, die aus dem Besuch hoffentlich gelernt haben.
Wir sind fast am Schaumbergturm angelangt, einem 36 m hohen Ungetüm aus Beton, das eine deutsch-französische Begegnungsstätte und ein Museum beherbergt.
Die Schaumbergalm lassen wir links liegen, widmen uns stattdessen der mitgebrachten Brotzeit, bevor es wieder ins Unterholz geht: Wir reißen uns los vom Blick ins Saarland, der bis nach Frankreich reicht, und stürzen auf den Trail nach unten. Beliebt ist er, wie wir an den kleinen gebauten Sprüngen merken, die für Airtime und viel Spaß sorgen.

Unten angekommen, geht es an die Rückfahrt, auf der wir nochmals die Wildnis zu spüren bekommen. Auf einem kurzem Waldstück brechen zwei Raubvögel aus dem Dickicht und fliegen uns voraus. Lange sehen wir sie noch am Saarländer Himmel kreisen, hinunterblicken auf der Suche nach Beute – und auf vier glückliche Biker.

Willkommene Abkühlung am Ende der Tour.

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