Michael Staab – „Out of the dark“

Text Johannes Haidn Bild Archiv Michael Staab
Interview

Im Interview mit Michael Staab

In dieser Serie erzählen Personen aus der Bikebranche, die nicht im Rampenlicht stehen, über ihre Arbeit.

Aus der Ausgabe 04.16

 
 

Michael „Staabi“ Staab (45), angestellt seit 1990 bei Canyon Bicycles GmbH, ehemals „Rad Sport Arnold“. Er ist Senior Product Manager und verantwortlich für die Mountainbikes bis 120 Millimeter Federweg, also Race- und Tourenbikes.

world of mtb: Warum fährst du Mountainbike?

Michael Staab: Weil es schlicht unglaublich Spaß macht. Die Leidenschaft Mountainbike, die ich Mitte der 80er entdeckt habe, lässt mich nicht mehr los. „Trainieren“ tue ich dabei aber schon lange nicht mehr. Wenn ich besser und fitter werde, weil ich mehr bike, dann ist das ein willkommener Effekt, aber nicht der Grund, warum ich auf dem Rad sitze. Ich fahre, weil es so großartig ist, mit einem Mountainbike auf den Trails unterwegs zu sein.

world of mtb: Wo fährst du am liebsten?

Michael Staab: Am liebsten natürliche Singletrails, weniger gerne gebaute Strecken. Gerne Stolperbike-ähnliches Gefrickele mit Hinterrad umsetzen usw. Aber nur, wenn die Konsequenz aus einem Fahrfehler nicht heißt, dass ich dann sterben muss – schließlich habe ich Familie …

world of mtb: Für wen entwickelst du Bikes?

Michael Staab: Die Zielgruppe ist natürlich je nach Kategorie unterschiedlich. Wir haben unser Produktmanagement-Team so aufgestellt, dass die jeweiligen Produktmanager recht archetypisch für die Zielgruppe sind, sich aber auch gut eindenken können in eventuell vom eigenen Geschmack abweichende Kundenwünsche. Ich persönlich bin für Mountainbikes bis 120 Millimeter Federweg verantwortlich.

world of mtb: Ein kurzer Einblick in deinen Arbeitsalltag bzw. dein Jahr.

Michael Staab: Viel vor dem Rechner mit Excel, aber auch unterwegs auf tollen Trails in Europa und auch in den USA. Peak Season, in der die Bikes für das nächste Modelljahr konkret spezifiziert und verabschiedet werden, ist im Winter. Im Sommer ist es etwas ruhiger bzw. es bleibt mehr Zeit für andere Aufgaben. Das Ziel meiner Arbeit ist natürlich, dass am Ende ein fertiges und erfolgreiches Bike dabei rauskommt. Wie da die Abläufe sind, möchte ich euch an dieser Stelle kurz erläutern: Die ersten Schritte Die Entwicklung eines neuen Bikes ist bei Canyon immer Teamwork zwischen dem Designer (Formgebung, nicht Grafik), dem Ingenieur, dem Grafiker und dem Produktmanager – also bei MTB-Modellen bis 120 Millimeter Federweg mir. Ich habe dann die Aufgabe, alle Ideen aufzunehmen, zu bewerten und die strategische Ausrichtung vorzunehmen. Das gilt überhaupt erstmal vor Projektstart für die übergeordnete Modellpolitik, wenn es zum Beispiel heißt: „Wir benötigen für dieses Bike einen Nachfolger“, oder: „Wir möchten dieses Segment besetzen“, oder „Wir haben eine ganz neue Idee für ein Bike, das ist der Zielpreis und das Zielgewicht“. Und das gilt auch für die Formgebung, wenn es heißt: „Okay, von den beiden Designvorschlägen nehmen wir den linken“, oder, die Grafik: „Wir nehmen das Rad in Neongelb mit pinken Sternen“, und dann natürlich die konkrete Modellpalette mit Verkaufspreis. Da wir bei Canyon ja die komplette Kette von der Entwicklung bis zur Auslieferung an den Kunden im Haus haben, stimmen wir uns dabei mit den Abteilungen Vertrieb, Service und Brand ab.

world of mtb: Die Spezifikation

Michael Staab: Bei der Spezifikation schaue ich an erster Stelle, dass ich an dem Preispunkt und der Kategorie ein Bike „baue“, das ich selbst gerne fahren würde. Jetzt bin ich natürlich nicht der Nabel der Welt, deshalb prüfe ich dann das Rad entsprechend den Vorlieben der Zielgruppe und passe es an – zum Beispiel fahre ich persönlich inzwischen ungern mit einer Dreifach-Kurbel. Gute Berggänge sind mir wichtig, bei hohen Geschwindigkeiten noch zu pedalieren weniger. Ich verstehe aber, dass es Kunden gibt, gerade im Einsteigerbereich, die von ihrem Einsatzportfolio her eine größere Bandbreite haben möchten. Die Vorlieben der Fahrer recherchiere ich viel in Foren, vor allem aber leide ich an der Berufskrankheit, dass ich an keinem Rad vorbeigehen kann, ohne es mir anzuschauen – gerade bei den lokalen Mittelstrecken-Marathons schaue ich oft mehr nach den Bikes meiner Mitfahrer als auf den Trail … Als Zweites ist es mir wichtig, dass das Rad „rund“ ist. Als rund empfinde ich ein Rad, das in seiner Gesamtkonzeption keine zu großen Ausreißer nach oben oder unten hat. Ein Rad, das in einem Bauteil sehr hochwertig spezifiziert ist und dann aufgrund des Verkaufspreises an anderen Bauteilen einen großen Kompromiss eingehen muss, das empfinde ich nicht als „rund“. Die Balance aus Gewicht und Stabilität ist auch ein Schlüsselelement. An welchen Teilen kann ich das meiste Gewicht lohnenswert einsparen, wo sind robuste Teile besser? Stecke ich das Geld in einen hochwertigeren Sattel oder in eine leichtere Kassette? Wovon hat der Kunde den größten Nutzen?

world of mtb: Das Risiko

Michael Staab: Als Damoklesschwert schwebt über dem Produktmanager dabei immer der Leitsatz: „Wenn es sich nicht verkauft, stellst du dir die Räder in die Garage.“ So groß ist meine Garage jetzt nicht, bisher musste ich aber auch noch nicht anbauen ...

world of mtb: Wo gibst du als Produktmanager gerne Geld aus bzw. wo sparst du im Gegenzug, um einen Preispunkt zu erreichen?

Michael Staab: Federelemente, Reifen, Laufräder, also Bauteile, die für die unmittelbare Fahrperformance große Auswirkungen haben, die sind mir wichtig und da gebe ich gerne Geld aus. Im Gegenzug spare ich dann bei Parts, von denen ich denke, dass es keinen großen Unterschied macht. Wenn die SLX-Bremse genauso gut geht wie die XT, dann kann ich an einem „XT-Bike“ auch die SLX verbauen, wenn ich mir dafür den leichteren Laufradsatz „leisten“ kann.

world of mtb: Testest du alle Teile, bevor du sie specst? Und wie testest du? Die Teile sind ja oft noch nicht verfügbar oder Vorserienprodukte.

Michael Staab: Alle Teile ausgiebig zu testen, das funktioniert aus den in der Frage genannten Gründen leider nicht. Zum Beispiel muss von einer Bremse dann eine Variante ohne Druckpunktverstellung zum Testen ausreichen und wir verbauen dann die mit Druckpunktverstellung usw. Welche Variante auch immer halt gerade verfügbar ist. Bei den größeren Komponenten schaffen wir es aber in der Regel schon, diese zu fahren. Dazu bieten unsere Lieferanten Testcamps an. Hier muss dann oft ein kurzer Fahreindruck genügen, um eine Komponente zu beurteilen. Zum Teil haben wir aber auch schon recht früh vor Serienstart Vorserienteile direkt an unseren Bikes und fahren diese ausgiebig – da muss ich dann immer aufpassen, wenn ich Bilder von Wochenendtouren zum Beispiel bei Facebook poste, das ich dabei keine Parts zeige, die es eigentlich noch gar nicht gibt ...

world of mtb: Welches ist dein bisher erfolgreichstes Bike? Und warum denkst du, war das bei dem Rad der Fall?

Michael Staab: Hm, wie definiert man Erfolg? Von den Stückzahlen her unsere mittelpreisigen Hardtails. Von den Testsiegen her das Nerve. Vom sportlichen Erfolg das Exceed CF SLX Carbon Hardtail, das mit Alban Lakata eine Weltmeisterschaft gewinnen konnte, bevor wir es überhaupt vorgestellt haben. Aber das Rad, bei dem meine Erwartungen am meisten übertroffen wurden, war sicherlich das Dude – einfach, weil ich auch überhaupt nicht abschätzen konnte, ob sich die Investitionen in ein Carbon Fatbike auszahlen würden. Dass das Rad so eingeschlagen ist und auch jetzt, im zweiten Jahr, die Umsatzvorgaben übertrifft, das hatte ich erhofft, aber nicht erwartet. Ich denke, das Rad kommt auch deshalb so gut an, weil das komplette Team mit viel Extra-Herzblut an die Entwicklung gegangen ist. Dass das kleine Teufelchen auf der rechten Schulter, das immerzu sagte „So ein Fatbike braucht kein Mensch und die bleiben alle stehen“ unrecht hatte und das Engelchen auf der linken Schulter mit „Das macht so viel Spaß, mit dem Rad zu fahren, das werden auch andere merken und die Bikes gehen alle weg, keine Sorge“ richtig lag, hat mich besonders gefreut.

world of mtb: Dein verrücktester Moment im Job?

Michael Staab: Puh, da gibt es viele. Für jemanden wie mich, der in einem Fahrradladen „Rad Sport Arnold“ als Verkäufer angefangen hat und sich dann 25 Jahre später als Produktmanager bei einer großen internationalen Radmarke, die sich aus dem Shop entwickelt hat, wiederfindet, ist aber genau diese Entwicklung das eigentlich Verrückte. Viele meiner Helden aus den Anfangszeiten des MTB-Sports, die ich nur aus Zeitschriften kannte, durfte ich inzwischen persönlich kennenlernen. Dass sich da freundschaftliche Verhältnisse entwickelt haben zu Ikonen der Bike-Geschichte, wie zum Beispiel Joe Breeze, der 1977 den ersten MTB-Rahmen gelötet hat, oder Greg Herbold, dem ersten DH-Weltmeister von 1990, das ist für mich ganz persönlich immer noch schwer fassbar. Ich muss mich da regelmäßig kneifen. Aber, letzten Endes sind auch das alles Radfreaks, die genau wie ich ihre größte Leidenschaft zum Beruf gemacht haben und ihren Lebensunterhalt damit verdienen, mit ihrem Lieblingsspielzeug zu spielen. Ich bin aber nur deshalb in diese Position gekommen, weil im Hintergrund die Mitarbeiter bei Canyon in allen Bereichen, nicht nur in der Entwicklung, sondern auch im Verkauf, im Marketing, im Lager, in der Produktion und in allen anderen Abteilungen richtig Gas geben. Ich bin ja nur ein Glied in der Kette, die für geschäftliche Entwicklung vom Radladen zum Fahrradhersteller gesorgt hat. Dafür möchte ich mich auch hier mal bei allen Kollegen bedanken.

nach oben