Kolumne: Werkstattabend 2016

Text Johannes Haidn Bild Privat
Meinung

Werkstattabend 2016

Eigentlich ist das Jahr schon viel zu alt, um einen Werkstattabend zu veranstalten, denn die Saison läuft bereits und das Material sollte längst funktionieren. Doch was macht man an einem Samstagabend, wenn die Frauen außer Haus sind und sich in Stuttgart den ewigen Kampf von Rocky Balboa und seiner bezaubernden Adrian ansehen? Genau, man lädt kurzerhand zu einem Werkstattabend ein.

Aus der Ausgabe 07.16

 
 

Schnell überschlagen sich die Meldungen auf Whats App von „Bin dabei, muss eh die Kette wechseln“ über „Ich bringe zwei Schnirzn G`selchtes* mit“, „Ich einen Kasten Bier“, „Und ich Käse und Zirbenschnaps“. Und der Beweis dafür, dass Spontanes meist immer gut funktioniert und erfolgversprechend ist, ist wieder mal erbracht. Für alle Außenstehenden könnte es, bevor es überhaupt losgeht, fast so wirken, als wenn der Werkstattabend zur kulinarischen Runde verkommen könnte. Und in der Tat ist es dieses Mal genau so, wie es das letzte Mal und die Male zuvor war. Überpünktlich füllt sich die Werkstatt, Ausreden hat keiner, da die Veranstaltung ernst genommen wird und es für jeden eine freiwillige Pflicht ist, mit dabei zu sein. Schnell wird die Werkbank mit einem Lappen sauber gemacht, das Buffet aufgebaut und der Werkstattwagen dient als Servierwagen, um Essiggurken, Inbusschlüssel, Mineralöl und den Flachmann von der einen Ecke in die nächste zu schieben. Und während die meisten gleich mit dem gemütlichen Teil starten, gibt es ein paar Motivierte, die ihren Servicerückstand aus den vergangenen Monaten aufzuholen versuchen. Beläge werden getauscht, Züge gewechselt und Laufräder zentriert, und es gibt hitzige Diskussionen darüber, wie nun der Laufrichtungspfeil auf dem Reifen gedeutet werden soll. Spätestens nach einer Stunde konnte man nicht mehr unterscheiden, wer nun schwarze Finger vom schwarz Geräucherten oder vom alten Öl der Kette hatte. Egal, Hochprozentiges spült es runter und die harte Arbeit unseres Kollegen, in seinem Urlaub Zirbenzapfen zu sammeln, hat sich spätestens jetzt ausgezahlt. Mit zunehmender Tages- bzw. Nachtzeit wird dann nicht nur der Lautstärkeregler des alten Radios nach oben geschraubt, es steigt auch die Motivation zum Schrauben. Unter fachkundiger Anleitung aller Beteiligten werden bei jedem Bike die Mängel ermittelt, ein effektiver Lösungsansatz gesucht und die Behebung bzw. Umsetzung auch gerne mal auf einen anderen Tag verschoben. Den weiteren Verlauf des Abends möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen, doch was ich mit Gewissheit sagen kann, auch der nächste Abend wird wie das letzte Mal und die Male zuvor – spontan, kulinarisch und voll motiviert.

* Stück Rauchfleisch

nach oben