Monatsfrau – Mirjam Milad

Text Judith Lell-Wagener Bild Elke Mooseder
Monatsfrau

Chefredakteurin der world of mtb

Im Februar 2019 hat Mirjam die Chefredaktion der world of mtb übernommen. Auch wenn Mirjam in der Outdoorsport Verlagswelt kein unbeschriebenes Blatt ist, ist sie vielen unserer Leser wohl eher unbekannt. Ein guter Grund, sie euch als Monatsfrau näher vorzustellen – doch bei Weitem nicht der einzige. So ruhig sie wirkt, so kraftvoll sind ihre Erzählstärke, ihre Ansichten, mit denen sie klar Position bezieht und dennoch vermitteln statt polarisieren will, und ihr fachlicher Background – und so lauscht man ihr nur allzu gerne, wenn sie ausnahmsweise mal über sich selbst erzählt …

Aus der First Rides Spezial 2019

 
 

Judith Lell-Wagener: Du hast im Februar die Chefredaktion der world of mtb übernommen. Erzähl mal: Wie kam das?

Mirjam Milad: Nachdem ich mehrere Jahre nebenberuflich als freie Journalistin, vor allem für das Outdoor Magazin, gearbeitet habe, fing ich als Redakteurin beim Outdoor Publishing Verlag an. Dort war ich unter anderem am Mountainbike Magazin Born, aber auch an einigen anderen Publikationen im Outdoor- und Bergsport Bereich beteiligt. Zur world of mtb bin ich gewechselt, weil ich mich hier weiterentwickeln kann. Vor allem durch die Herausforderungen, die mit der Chefredaktion verbunden sind: Verantwortung innezuhaben, ein Team zu leiten …

Judith Lell-Wagener: Was gefällt dir an der world of mtb besonders? Was macht sie zu etwas Besonderem für dich – und für die Leser? Und wo siehst du gegebenenfalls noch Potenzial?

Mirjam Milad: Die world of mtb war für mich schon immer nicht nur ein optisch ansprechendes, sondern auch inhaltlich sehr mutiges Magazin, das sich traut, auch mal eher unbequeme Themen zu veröffentlichen, die in anderen Mountainbike Magazinen so nicht zu finden sind. Ich denke, wir haben eine ganz gute Mischung an Themen und entsprechend auch Lesern – nichtsdestotrotz besteht natürlich immer Entwicklungsbedarf.

Judith Lell-Wagener: Wie siehst und lebst du deine Rolle in der world of mtb Redaktion? Bist du zum Beispiel eher der Regent, der Regisseur oder der Dirigent – oder vielleicht auch etwas ganz anderes?

Mirjam Milad: Ich würde mich eher als Moderatorin, Koordinatorin, Mitgestalterin und -entwicklerin sehen. Bei der world of mtb haben wir sehr flache Hierarchien, wir arbeiten eng zusammen und profitieren von unseren unterschiedlichen Erfahrungen und vom gegenseitigen Input.

Monatsfrau - Mirjam Milad

Bild Paul Pattis

Judith Lell-Wagener: Welche Themen liegen dir besonders am Herzen, welchen möchtest du noch mehr Raum geben?

Mirjam Milad: Mir liegen viele sehr unterschiedliche Themen am Herzen. Neben so essenziellen Bausteinen wie dem Biketest und Reisegeschichten finde ich persönlich gut recherchierte Hintergrundthemen, egal ob mit technischem, ökologischem oder sozialem Fokus, und Porträts oder Interviews mit außergewöhnlichen Menschen besonders spannend.

Judith Lell-Wagener: Stichwort „Tech Talk“: Steigst du gleich mit ein, oder ist das eher kein Thema für dich?

Mirjam Milad: Ich interessiere mich auf jeden Fall sehr dafür und finde es toll, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die über extrem viel Erfahrung und Wissen im technischen Bereich verfügen. Von ihnen kann ich viel dazulernen.

Judith Lell-Wagener: Die world of mtb ist seit Gründung das erste Mountainbike-Magazin mit einem großen, feststehenden Frauen Teil, dem Kurvenreich – fast ein Heft im Heft. Wie stehst du persönlich zu diesem Konzept?

Mirjam Milad: Ich denke, es war ein sehr mutiger Schritt, das Kurvenreich zu etablieren – und es ist nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal des Hefts. Zugleich erwarte ich mir persönlich als Frau und Mountainbikerin nicht unbedingt ein „Heft im Heft“, sondern eine gute Mischung an Themen und Schwerpunkten, die sowohl Frauen als auch Männer interessieren. Seien wir ehrlich: Interessante Persönlichkeiten, spannende Projekte, die Psychologie hinter dem Biken … das sind doch alles Dinge, die vielleicht den einen mehr, den anderen weniger ansprechen, aber meiner Meinung nach unabhängig vom Geschlecht. Ich kenne außerdem genügend Frauen, die bei tollen Parts ins Schwärmen geraten. Man muss sich nur mal anschauen, wie manche Bikerin ihr Bike aufgebaut und abgestimmt hat – da nehmen sich Frauen und Männer gar nicht so viel. Ich denke, wir sollten uns als Mountainbikerinnen mit viel mehr Selbstverständnis betrachten. Wir müssen uns nicht infrage stellen, nicht behaupten. Wir sind einfach. Dazu gehört für mich persönlich auch die Integration von Themen mit weiblichem Fokus ins gesamte Heft – anstatt sie in eine Art „Reservat“ zu verbannen. Natürlich interessiert mich da aber auch stark die Meinung unserer Leserinnen und Leser – und ich möchte sie bei der Gelegenheit aufrufen, mir persönlich Feedback zu geben. Möchtet ihr das Kurvenreich in seiner jetzigen Form beibehalten? Schreibt mir an m.milad@wom-medien.de.

"Ich denke, wir sollten uns als Mountainbikerinnen mit viel mehr Selbstverständnis betrachten. Wir müssen uns nicht infrage stellen, nicht behaupten. Wir sind einfach."
Mirjam Milad

Judith Lell-Wagener: Als Chefredakteurin eines Mountainbike Magazins stehst du in der Branche ziemlich allein da: War und ist das ein Thema – für dich persönlich, im Redaktionsalltag, bei den Lesern, bei den Firmenkunden?

Mirjam Milad: Nein, tatsächlich eher weniger. In der Redaktion überhaupt nicht. Und seitens der Industrie hatte ich bisher wenig Probleme. Ausnahmen gibt es natürlich, wie überall. Da kann es schon mal vorkommen, dass du bei einem Event an einen Stand kommst und der Ansprechpartner nur mit dem männlichen Kollegen spricht und dich quasi ignoriert. Das sind aber bisher zum Glück wirklich die Ausnahmen.

Judith Lell-Wagener: Du kommst ursprünglich beruflich aus einer Disziplin, die ebenfalls eher als Männerdomäne gilt: den Forstwissenschaften; hier hast du sogar einen Doktortitel. Wie ist das: Bist du eine Frau, die gerne ihren Mann steht?

Mirjam Milad: Um ehrlich zu sein, finde ich die Formulierung „seinen Mann stehen“ recht unglücklich. Ich hatte nie das Gefühl, „meinen Mann stehen“ zu müssen, wohl aber, mich als Frau und Persönlichkeit zu positionieren. Vor allem während meiner Forschungszeit, wenn es darum ging, eigene Ergebnisse zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Aber hier habe ich insgesamt sehr positive Erfahrungen gemacht – oder zumindest sind es die positiven Erfahrungen, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt haben.

Judith Lell-Wagener: Die Forstwissenschaften sind eine Disziplin, die gerne mal mit den Interessen der Mountainbiker kollidiert. Wie erlebst du solche Konflikte und welcher Seite fühlst du dich näher?

Mirjam Milad: Ich möchte eigentlich gar nicht immer so sehr die unterschiedlichen Seiten betonen, sondern das Gemeinsame, den Spaß daran, draußen aktiv zu sein, die Liebe zur Natur. Ich kenne sehr viele Förster oder Forstwissenschaftler, die leidenschaftlich gerne mountainbiken. Aber ganz klar, Intoleranz gibt es leider auf beiden Seiten, und ich wünsche mir einfach, dass insgesamt mehr aufeinander zugegangen, mehr miteinander geredet wird, mehr ernsthaftes Interesse aufgebracht wird, die anderen Positionen zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Judith Lell-Wagener: Als Wissenschaftlerin warst und bist du Expertin für das Thema „Naturschutz im Wald“. Denkst du, Mountainbiken ist damit vereinbar? Oder müssen wir Biker lernen, Grenzen mehr zu respektieren?

Mirjam Milad: Ich würde das „Oder“ weglassen. Ich denke, Mountainbiken ist naturverträglich möglich, aber: Ob beim Biken oder in allen anderen Bereichen unseres Lebens, sollten wir lernen, uns selbst ein Stück zurückzunehmen. Und Verständnis für andere Belange wie eben zum Beispiel den Naturschutz zu haben. Manche Mountainbiker sind mir hier zu schnell mit ihrer Aussage: Der Wald oder die Natur sind für alle da, also warum sollte ich sie nicht uneingeschränkt für mich nutzen dürfen!? Aus dem gleichen Grund, warum ich sämtliche Ressourcen nicht unbegrenzt für mich persönlich nutzen sollte: weil es neben unserer ausschnitthaften Perspektive noch eine umfassendere, langfristige gibt. Neben und nach uns gibt es sehr viel anderes Leben, dem wir mindestens genauso gute Grundlagen bieten und erhalten sollten, wie wir sie selbst vorfinden. Dazu kommt, dass ein Großteil des Waldes in Privatbesitz ist, also jemandem gehört, der in vielen Fällen mit einem bestimmten Ziel Zeit und Arbeit in den Wald investiert – und dessen Besitz wir respektieren sollten. Prinzipiell halte ich persönlich aber den Weg, Mountainbiker von vornherein auszuschließen und ihnen dann einzelne Wege zuzugestehen, für weniger zielführend als den umgekehrten Ansatz. Also einzelne Wege oder Bereiche aus der Nutzung durch Natursportler herauszunehmen und dies plausibel zu argumentieren. Und damit sind wir auch bei dem, was für mich entscheidend für ein Miteinander unterschiedlicher Interessen ist: eine gute Kommunikation. Ich denke, wenn Biker wissen und vor allem nachvollziehen können, warum etwas geschützt und deshalb unter Umständen gesperrt ist, sind Verständnis und Akzeptanz viel höher, als wenn sie sich als Nutzergruppe durch pauschale Verbote diskriminiert fühlen.

Monatsfrau - Mirjam Milad

Bild Andreas Meyer

Judith Lell-Wagener: Den Wechsel aus der Wissenschaft in die Outdoor Branche bezeichnest du als „beruflichen Neuanfang“. Weshalb hast du ihn gewagt – und wie groß war der Sprung von der einen in die andere Welt?

Mirjam Milad: Ich habe meine wissenschaftliche Arbeit immer als abwechslungsreich erlebt. Trotzdem hat mir etwas gefehlt, hatte ich den Eindruck, mich nicht vollständig verwirklichen zu können. Ich habe schon immer sehr gerne geschrieben und lange mit dem Gedanken gespielt, als Journalistin zu arbeiten. Auch wenn meine wissenschaftliche Karriere echt gut verlief, wurde mir immer mehr bewusst: Ich möchte nicht eines Tages zu mir selbst sagen müssen „Eigentlich wollte ich immer …“ Also habe ich kurzerhand nach meiner Promotion ein Praktikum in der Redaktion des Outdoor Magazins absolviert. Dann habe ich noch ein paar Jahre als Post Doc an der Uni gearbeitet und nebenberuflich Reisereportagen verfasst, bis sich die Möglichkeit bot, bei Outdoor Publishing anzufangen. Da habe ich schlussendlich nicht mehr lange überlegt. Der Sprung war also einerseits ein großer, andererseits auch nicht, weil sich der Wechsel nicht abrupt vollzog und ich mich in der Outdoorsport- und Redaktionswelt immer sehr wohl und heimisch gefühlt habe.

Judith Lell-Wagener: Du kommst aus dem Westerwald, hast lange in Freiburg, dann auch in München gelebt – jetzt hat es dich nach Deggendorf verschlagen: Wie prägt(e) der Wohnort deine Aktivitäten als Outdoor Sportlerin?

Mirjam Milad: Sehr. In Freiburg bin ich, wenn auch vergleichsweise spät, zum Mountainbiken gekommen. Freiburg ist für mich ein ganz besonderer Ort zum Leben: Unmittelbar vor den Toren der Stadt mit all ihren Vorzügen beginnen die Berge des Schwarzwalds. Um wandern oder biken zu gehen, muss man nur die Haustüre hinter sich zuziehen! Oft habe ich mein Bike mit ins Büro genommen und bin direkt nach Feierabend noch zu einer Runde auf die „Borderline“ oder den „Canadian“ gestartet. Und: In Freiburg gibt es einen unglaublich sympathischen, umtriebigen Mountainbike Verein mit einer großartigen Community. Während meiner Zeit in München habe ich als Bikerin viel dazugelernt. Ganz einfach dadurch, dass ich fast nur noch in alpinem Gelände unterwegs, quasi jedes Wochenende irgendwo in den Bergen war. Und weil die meisten Gipfel nicht auf Forstwegen erreichbar sind, habe ich Spaß daran entwickelt, mein Bike auch mal etliche Höhenmeter bergauf zu tragen, um mich anschließend zurück ins Tal zu arbeiten. Auch wenn der Bayerische Wald ein tolles Tourenrevier ist: Die beeindruckenden Gipfel der Alpen fehlen mir hier tatsächlich ein bisschen.

Judith Lell-Wagener: Wenn das Hobby zum Beruf wird, ist das eine Bereicherung? Oder hast du die Themen auch ab und an satt? Wie erhältst du dir die (private) Freude am Outdoor-Sport?

Mirjam Milad: Es gibt auch hier, wie so oft, Vor- und Nachteile: Einerseits bietet ein Beruf, der die persönlichen Interessen abdeckt, beste Voraussetzungen zur Selbstverwirklichung. Andererseits muss sich, wenn schon im Beruf das Bike im Mittelpunkt steht, nicht immer auch privat alles nur darum drehen. Mountainbiken ist nach wie vor mein liebstes Hobby und ich genieße es, mit guten Freunden auf Tour zu sein. Aber ich gehe zum Beispiel auch gerne mal wandern, bouldern oder ab und zu bogenschießen. Und Musik ist mir extrem wichtig und für mich ein guter Weg, um nach der Arbeit „abzuschalten“. Egal, ob ich eine Platte auf meinem Plattenspieler auflege oder versuche, mir etwas auf der Gitarre beizubringen. (lacht)

"Beim Mountainbiken oder in allen anderen Bereichen unseres Lebens sollten wir lernen, uns selbst ein Stück zurückzunehmen."
Mirjam Milad
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