Migdal Epic Israel

Text Sönke Wegner Bild Ronen Topelberg, Tomer Feder, Dotan Halevy
Event

Migdal Epic Israel - Mountainbike Etappenrennen im Heiligen Land

Bevor ich 2015 das erste Mal in Israel Biken durfte, konnte ich mir nicht vorstellen, dort jemals Rennen zu fahren. Doch wir wurden wiederholt eines Besseren belehrt und standen 2019 erneut am Start des Migdal Epic Israel Etappenrennens. Vier Tage purer Bikespass durch das Hinterland der Region Galiläa im Norden Israels, nahe der historische Kreuzfahrerstadt Akko.

Israel ist uns sicher sehr präsent durch die tagesaktuellen Geschehnisse. Unruhen, religiöse Konflikte und ständige Bedrohungen scheinen das Bild von Israel zu prägen. Wir durften das Gegenteil kennenlernen. Wir trafen offenherzige Menschen, die uns selten fremd waren und einen Alltag führen, der unserem westlichen sehr vertraut ist. Aber der Reihe nach…

 
 
Epic Israel

Bei einem der letzten großen Internationalen Rennen der Saison 2019 galt es für viele UCI Rider noch wichtige Punkte für die Olympiaqualifikation zu holen. Dementsprechend hochkarätig besetzt war das Starterfeld.

Jerusalem

Unkompliziert gestaltete sich unsere Einreise. Gute vier Stunden nach Abflug in München, landeten wir in Tel Aviv. Dort nahmen wir ein Taxi nach Jerusalem, um uns innerhalb weniger Stunden ein Bild von einer Stadt, die historisch unvergleichbar ist, zu machen. Unsere Zeit reichte natürlich nicht für intensives Sightseeing. Dennoch erhaschten wir zumindest einen Blick auf die Grabeskirche und die Klagemauer. Leider zu wenig gesehen, aber genug, um bei uns bleibende Eindrücke zu erzeugen.

Unsere Mission

Rennen fahren im “Heiligen Land“ nahm immer mehr Gestalt an.
Zusammen mit einigen internationalen Bikern steuerte am Folgetag unser Bus nach Akko. Auf den Spuren von Napoleon begaben wir uns in die mittelalterliche Hafenstadt und sahen ein völlig anderes Bild zu Jerusalem. Die Religionen scheinen in Jerusalem zu gipfeln und im restlichen Land einen weniger hohen Stellenwert zu genießen. Nähe Akko war auch das Rennvillage.
Wir bezogen unser Hotel für die Dauer der Rennen und nutzten die kurze Zeit, um unsere Räder aufzubauen und zu testen. Alles passte! Holger und ich waren gut drauf und konnten es kaum noch erwarten.

high speed sightseeing - Die Klagemauer in Jerusalem

Den Prolog konnte man schon einen Tag vor dem Rennen begutachten. Das Highlight war die Stadtmauer von Akko.

Auch das gehört zur Vorbereitung: die Sportnahrung für unterwegs. Zum Glück bot die israelische Küche mit unglaublich großer und leckerer vegetarischer Vielfalt vor und nach dem Rennen optimale Bedingungen für Sönke und Holger.

Prolog durch eine Kreuzfahrerstadt

Mit dem flachen 22km langen Prolog konnte man schon mal ein Bild bekommen, von dem was die Tage uns bringen wird. Hitze, Staub, Sand und flache, schnelle Schotterpisten, die uns vom Renngelände ins Hinterland führten, wurden von nun an unser tägliches Brot. Der Prolog diente uns für eine Standortbestimmung. Platz 22 beim Prolog war auch unser späteres Endergebnis.
Für mich ein Highlight war der Ritt über die alten Stadtmauern der alten Kreuzfahrerstadt Akko und die reifenverschluckenden Sandpassagen entlang des Mittelmeers. Die Zeit für spektakuläre Trails folgte auf den kommenden Etappen.

Renngeschehen

In den Folgetagen wurden wir, nach wenigen flachen und extrem nervösen Kilometern durch die Avocado- und Bananenplantagen, immer wieder auf ein weitverzweigtes Trailnetz entlassen. Die Trails, teils flowig, anspruchsvoll und auch rutschig brachten uns mehrfach zu jubelnden Gefühlsausbrüchen. Holger und ich verstanden und nahezu blind und konnten es in den Trails maximal krachen lassen. Das war Teamracing, wie man es sich wünscht!
Immer wieder blickten wir auf das Mittelmeer und fühlten uns privilegiert ein solch professionelles Etappenrennen fahren zu dürfen.
Unsere Racefullys (Giant Anthem) waren hier bestens aufgehoben. Ein Fully war hier die richtige Entscheidung. Vereinzelt sah man ein paar Hardtails, aber nicht bei den schnellsten 30 Teams.

Der einzige steile Anstieg im sonst gnadenlos flachen Prolog - die alte Stadtmauer von Akko, einer ehemaligen Kreuzfahrerstadt.

Morgens und abends hieß es Staub schlucken und Vollgas geben. Der Transit in die Hügel Galiläas war erbarmungslos schnell und hektisch bevor sich das Fahrerfeld in den Trails entflechten konnte.

Die Organisation

Das Rennen ist eine Benchmark! Tägliche (lückenlose) Liveübertragungen, die auf Englisch auch im Internet zu sehen waren und Zusammenschnitte auf Eurosport, bekommt man sonst nur bei dem Cape Epic Etappenrennen geboten. Das Eventgelände bietet sämtliche Annehmlichkeiten, um die Athleten und die Supporter zu verwöhnen: Free Coffee, (vegetarisches) Essen, Videoleinwand, Sessel usw.. Der extra aus Südafrika angereiste Moderator Carl heizte dem Publikum und den Rennfahrern mit seiner rockstargleichen Reibeisenstimme kräftig ein.

Für uns ein absoluter Pluspunkt: Die Rennfahrermeute mussten nicht umziehen. Jede Etappe endet und startet am selben Ort. Auch im kommenden Jahr wird Akko wieder der Austragungsort sein. Danach wird die Location wieder für jeweils zwei Jahre wechseln. Der Grundgedanke, ein festes Race-Camp ohne Standortwechsel zu haben, wird dabei erhalten bleiben.

Die Hügel im Norden Galiläas haben es in sich. Wie auch Sofia Gomez Villafan und Rose Gran vom STAN’S PIVOT PRO Team, wurde von dieser Hiking Passage niemand verschont.

Die Trails entschädigten für die zähen Flachpassagen.

Erfrischende Flussdurchfahrten boten kurze Abkühlung und reinigten die Antriebe vom Staub.

Wasser von außen und innen sowie reichlich Energy brauchte es für die zwei über 90 Kilometer langen Strecken in der glühenden Hitze Israels.

Kampf der Dehydration.

Auch ohne Berge kann man sich das Mountainbiken schwer gestalten...mit Blick auf´s Mittelmeer und das historische Akko im Hintergrund.

Ilda Pereia aus Portugal und ihre Teampartnerin Lorenza Menapace aus Italien kennen harte Rennen. Noch kurz vorher waren sie bei einem abenteuerlichen Rennen in Osttimor. Das Epic Israel, meinten sie, hat sie mehr gefordert.

Eine Medienpräsenz wie man sie sonst nur bei Cape Epic kennt, macht das Epic Israel für die Sportfans in Israel und für die Angehörigen zu Hause unglaublich spannend.

Die glücklichen Gewinner nach vier hammerharten Tagen: Max Brandl und Georg Egger mit einer Gesamtzeit von 10:38:21.

Tel Aviv

Viele neue Freunde gewonnen, viele Geschichten erlebt und erschöpft, nutzten wir unsere letzten zwei Israeltage, um Tel Aviv zu besuchen. Vorweg, auch diese zwei Tage hätten eine Verlängerung nötig gehabt. Keiner von uns beiden hat eine solche lebendige, aufregende Großstadt erwartet. Die einzige Ruhe, die wir fanden, war der kilometerlange Sandstrand am türkisblauen Mittelmeer. Die Bewohner Te Avivs sind modern, sportlich und sehr aufgeschlossen. Ein letztes Highlight bot uns das Humusrestaurant von Dr. Shakshuka in Old Jaffa, wo sogar schon Tim Mälzer vorbeigeschaut hat, um zu lernen, wie man richtigen Hummus herstellt. An Hummus kommt man in Israel nicht vorbei… und hier gab es eines der Besten.

Heimreise

So einfach und schnell die Einreise war, so kompliziert gestaltete sich die Ausreise.
Von allen Athleten hörte ich ähnliche Geschichten. Man wurde abgefragt, was man in den letzten Tagen gemacht hat. Details durfte man nicht auslassen. Teilweise wurden Mobiletelefone überprüft.
Unsere Radtaschen wurden jeweils 90 Minuten aufs Gründlichste inspiziert. Hinterfragen durften wir nichts. Daher unser Tipp: Plant genügend (!) Zeit bei der Ausreise ein.

Fazit

Wir genossen sehr unseren Aufenthalt und empfehlen jedem Biker diese vier Tage Mountainbiken in Israel. Nehmt euch Zeit und entdeckt die Sehenswürdigkeiten, die dieses Land zu bieten hat, relaxt am Strand, genießt das gute Essen und lernt freundliche Leute kennen.
Die Bikeszene in Israel ist immens und absolut am Zahn der Zeit. Vielleicht nimmt euch ja ein Local mit über die Trails rund um die großen Städte. 2015 durfte ich die Biketrails um Jerusalem kennenlernen. Diese schöne Erfahrung ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben, so wie es nun auch das Migdal Epic Israel 2019 bleiben wird.

Kette rechts!

Euer Sönke!

Sönke und Holger haben sich nicht schlecht geschlagen gegen eine harte internationale Konkurrenz.

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