Schuld ist dieser verdammte Tunnelblick. Während eines Rennens nimmst du nichts um dich herum wahr bis auf den Trail vor deinem Vorderrad – Jeder, der schon einmal bei einem Wettkampf angetreten ist, vom Marathon bis zum Downhill-Rennen, kann ein Lied davon singen. Landschaft, Natur, Panorama, alles verschwindet aus der Wahrnehmung bei der Jagd um Sekunden. Kirchberg in Tirol kannte ich bisher nur aus dieser Perspektive im Scannerblick. Und damit bin ich nicht alleine. Egal ob der berühmte MTB HillClimb, der KitzAlpBike Marathon oder 2015 sogar die ersten Europäischen Meisterschaften im Enduro, der kleine Ort Kirchberg ist dafür bekannt, Wettkämpfe auf Weltklasse-Niveau auszutragen. Damit werden jährlich hunderte Spitzenradsportler und noch mehr Hobbyathleten ins Herz der Kitzbüheler Alpen gelockt. Was man jedoch verpasst, wenn man sich nur zum Racen in den Tiroler Osten begibt, wird mir während eines Kurztrips in die Region bewusst. Zwei Tage im Brixental, ausnahmsweise im Reise- und nicht im Racemodus, genügen, um ihn mehr als einmal zu verfluchen, diesen Tunnelblick. Die Kitzbüheler Alpen servieren Montainbike-Urlaub quasi auf dem Silbertablett –man muss nur die Augen aufmachen.
Kitzbühler Alpen
Auf dem Silbertablett
Auf den Grasgipfeln lässt es sich gut aushalten, vor allem bei solch gut fahrbaren Wegen.
Panorama Picknick auf dem Gaisberg
Die Aussicht kommt mir ein bisschen vor wie ein Familientreffen mit alten Verwandten. Auf dem Gipfel des Gaisbergs, zwischen Hoher Salve und dem Kitzbüheler Horn, sieht man sie alle: Im Süden die Zacken des Wilden Kaisers, im Osten das helle Massif der Leonberger Steinberge, im Norden die schneebedeckten Hohen Tauern mit Großglockner und Großvenediger, den beiden höchsten Bergen Österreichs. Dieser verdammte Tunnelblick. Auf den Trails die weiter unten ins Tal führen, habe ich bereits um Platzierungen gekämpft – und dabei keine Ahnung gehabt, was mir hier oben entgeht.
Der Blick vom Gaisberg macht auf einen Blick deutlich, was die Orte Brixen im Thale, Kirchberg und Westendorf so besonders macht: Anders als andere Alpentäler, die in einem Talschluss enden, der Sicht und Tourenmöglichkeiten begrenzt, ist das Brixental offen und weitläufig. So weit das Auge reicht sanfte Grasberge und grüne Wälder, die schroffen und unzugänglichen Gebirge bilden tun sich erst weit am Horizont auf und bilden einen beeindruckenden Kontrast und den perfekten Rahmen zu all dem Grün. Die geografische Lage ist nicht nur ein Eins-A Fotomotiv sondern bietet Raum für ausgedehnte Touren in alle Richtungen. Eine Karte nehmen, Route austüfteln, Proviant einpacken und losfahren, das war auch unser Vorgehen. Dabei war es der sanft abfallende, langgezogene Rücken des Gaisberges, der uns besonders reizte und motivierte, unsere Bikes von der Bergstation der Gaiskopfbahn über den steilen Jägersteig bis hinauf zu tragen. Die Belohnung bekommen wir jetzt – kein durchgetakteter Rennzeitplan, keine Konkurrenz, kein Stress. Bei Tiroler Bauernbrot, Almkäse und Schokolade zum Nachtisch lässt es sich herrlich ausspannen und über die umliegenden Berge, ihre Namen und Geschichten philosophieren. Morgen geht es dann vielleicht auf den Hahnenkamm. Oder doch auf die Hohe Salve? Vielleicht auch Richtung Großen Rettenstein. Wer weiß das schon genau, wir haben Zeit und unbegrenzte Möglichkeiten.
Frühstücken in der Jochstubn’
Die Hütte, die Sepp Beihammer vor 40 Jahren mit eigenen Händen gebaut hat, ist der Wirklichkeit gewordene Ausdruck für „Liebe bis ins Detail“. Hätte man nicht schon von außen die Dimensionen dieser verschachtelten Hütte gesehen, man käme sich vor wie in einer Puppenstube. Überall sind die Wände, bestehend aus dicken Baumstämmen, verziert mit Holzschnitzereien und kunstvoll aufgemalten Sprüchen. Im offenen Kamin knistern ein Feuer während auf dem Tisch ein Berg-Frühstück der Extraklasse angerichtet wird: Eine üppige Käse- und Wurstplatte, dazu Joghurt mit frischen Früchten und hausgemachter Marmelade, selbstgebackenes Bauernbrot und Spiegelei mit Speck. Sepp erzählt von seiner großen Leidenschaft, dem Segelboot, das gleich hinter der Hütte auf dem Jochsee vor Anker liegt, und einmal wöchentlich für Besucher über den See schippert. Nebelschwaden ziehen aus dem Tal hoch über den Bergrücken, vorbei an den winzigen Fenstern der Jochstube. Urgemütlicher kann man den Tag wohl kaum beginnen.
Die Jochstubn’ ist nur eine von vielen Almhütten, auf denen sich Wanderer und Mountainbiker im Brixental für ihre Tagesabenteuer mit so einem „Berg-Frühstück“ stärken können – aber vielleicht die einzige, deren Almwirt echte Trail-Geheimtips parat hat. In keiner Karte ist nämlich der Weg eingezeichnet, den uns Sepp für die Abfahrt vom Zinsberg nach Brixen empfiehlt. Fast klingt es wie Seemannsgarn – doch der halb vergessene, durch grüne Moosteppiche schlängelnde Pfad entpuppt sich als ein Wirklichkeit gewordener Singletrail-Traum. Ein Schatz, den man nur findet, wenn man hinhört und aufmerksam sucht...
Den Fleckalmtrail fahren – Immer und immer wieder
Fleckalm-, Gaisberg- und Lisi-Osl- Trail: drei mit den Bergbahnen zu erreichende Trails an zwei Bergen, für die die Region Kirchberg bekannt ist. Und dennoch sticht einer unter ihnen hervor als der ungekrönte König dieses Trios: Der Fleckalmtrail ist mit seinen 1000 Höhenmetern und 7,5 Kilometern ist nicht nur der längste, er ist vor allem der abwechslungsreichste unter ihnen. Eine Abfahrt gleicht einer kleinen Weltreise. Wenn der Gipfel des Hahnenkamms in Wolken gehüllt ist, kommt es einem vor, als durchquere man auf dem Weg nach unten mehrere Klimazonen. Oben am Einstieg: Hochalpines Feeling, offene Kurven und Anlieger entlang steiler Bergwiesen. Es folgen: dichte, mit flechten überwucherte Tannen, die ihre Wurzeln in den Trail strecken und an Bilder aus tiefen kanadischen Wäldern erinnern. Entsprechend anspruchsvoll ist das Gelände. Die dicht gewebten Wurzelteppiche fordern aufmerksame Linienwahl und Entschlossenheit. Bloß nicht von den epischen Nebelschwaden, die durch die Bäume hindurchwabern, ablenken lassen! Später: Ein Bach kreuzt den Weg, sattes Grün wohin man schaut, Farne überwuchern die steilen Berghänge, die Reifen haben perfekten Grip auf rotem Lehmboden – willkommen im Dschungel! Noch weiter unten: das Gefälle wird sanfter, die Geschwindigkeit nimmt zu, Bike, Untergrund und Körper verschmelzen zu einer Einheit. So sehr, dass man bei Ankunft an der Talstation kaum noch sagen kann, was man eigentlich die letzten 1000 Höhenmeter gemacht hat. Also gleich nochmal rauf mit der Fleckalmbahn und die Erinnerung auffrischen
Brixentaler KochART – Haute Cuisine à la Kitzbüheler Alpen
Jeder Handgriff sitzt, Markus Zeiser ist in seinem Element. Man könnte auch sagen: Im Flow. Der Küchenchef des Hotel Hubertus pochiert, brät, rührt, verkostet und verziert in einem atemberaubenden Tempo. Unter dem konzentrierten Blick des jungen Kochs entstehen auf weißen Porzellantellern Stück für Stück kleine Kunstwerke: Carpaccio vom Hirsch aus den Kitzbüheler Alpen mit Walnuss, Limette und Kürbis; Marinierte Rüben mit heimischer Seeforelle vom Holzinger und Kräuter sowie Karotten-Ingwer Cremesuppe mit Forelle werden keine 10 Minuten später an unserem Tisch in der wohl duftenden Zirbenstube des Gasthofs serviert. Wer Markus in der Küche über die Schulter schaut, ahnt bereits, dass es sich bei diesem Dinner nicht um ein gewöhnliches Abendessen handelt. Das Hotel Hubertus ist Mitglied der „Brixentaler KochArt“, einem Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, nicht nur überwiegend regionale Produkte zu außergewöhnlicher Küche zu verarbeiten, sondern das Brixental als kulinarische Region berühmt zu machen. Wer unter dem Siegel „Brixentaler KochArt“ kocht, tut dies aus einer besonderen Leidenschaft für Qualitätsprodukte aus der Region und die heimische Landwirtschaft heraus. Schwer zu sagen, ob man den Unterschied schmeckt: das Fleisch ist hauchzart und die Rüben zergehen auf der Zunge, doch ich bin überzeugt, dass Markus auch Currywurst mit Pommes zu einem Geschmackserlebnis anrichten könnte. Das Auge isst eben mit. Egal ob auf dem Berg, dem Trail oder dem Teller – in Kirchberg sollte man sich die Zeit nehmen, diese Weisheit voll auszukosten
Wissen
Das berühmte Hahnenkamm-Rennen wird bereits seit 1931 am Hahnenkamm in Kitzbühel ausgetragen.
Die Kitzbüheler Alpen werden auch als „Tiroler Grasberge“ bezeichnet, aufgrund der sanften Bergformen mit Mittelgebirgscharakter und ortstypischem, grasartigen Bewuchs.
Highlights
20. – 29.05.2016
EldoRADo Bikefestival in Wörgl, die erste Endverbraucher-Fahrradmesse in Tirol.
KitzAlp Bike Marathon am 26.06.2016 mit Fahrtechnik-Workshops, Bikemesse, Kids Downhill u.v.m
Für Earlybirds: Sonnenaufgangs-Frühstück auf einer der zahlreichen Almen genießen!
Infrastruktur
Tourennetz/ Flowtrails/ Bikepark/ Bergbahn mit Biketransport/ Bikeverleih (+Ebikes)/ Bikeshops
Karten
Kompass WK 29 Kitzbüheler Alpen
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